Hagen. Die Angeklagten im Hagener Raser-Prozess bestreiten, dass es ein illegales Rennen gab. Doch der Staatsanwalt findet deutliche Worte.



Der Auftakt des viel beachteten Raser-Prozesses im Landgericht beginnt alles andere als rasant: Eine Schöffin fehlt unentschuldigt und blockiert dadurch den Beginn der Verhandlung um drei Stunden.

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17 Prozessbeteiligte und 84 Zuschauer warten im voll besetzten Gerichtssaal vergeblich auf die Laienrichterin – eine Studentin, die sich schließlich telefonisch meldet und lakonisch mitteilt, sie sei in Dortmund auf der Arbeit, denn sie habe „ihr Erscheinen heute für unnötig gehalten“.


Zwischendurch erbeten die Verteidiger noch eine anderthalbstündige Unterbrechung und erhalten sie auch vom Gericht, um überprüfen zu können, ob der eilig herbei georderte Ersatzschöffe auch der richtige sei. In diesen ungeplanten Pausen ist Gerichtssprecher Jens Berndt dann der gefragteste Mann: Er gibt allein zwölf TV- und Radiointerviews, lässt sich dabei nicht aus der Ruhe bringen.


18 Journalisten von Agenturen, Tageszeitungen, Hörfunk- und Fernsehstationen, sowie fünf Kamerateams hatten sich bereits im Vorfeld akkreditieren lassen. Das mediale Interesse ist groß, die Reporter drängen sich zusammen mit neugierigen Prozessbesuchern im Pulk in den Schwurgerichtssaal.

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Kurz nach 12 Uhr beginnt Staatsanwalt Michael Burggräf mit der Verlesung der Anklageschrift: Von „riskanter und aggressiver Fahrweise“ ist darin die Rede und vom spontanen Entschluss der beiden Angeklagten, „sich mit ihren Fahrzeugen ein Rennen zu liefern“.


Der schwarze Audi und der rote Skoda standen demnach an der Kreuzung von Feithstraße und Fleyer Straße nebeneinander vor einer rotem Ampel. Als sie auf Grün sprang, so der Vorwurf, „fassten beide Angeschuldigte spontan den Entschluss, sich mit ihren Fahrzeugen ein Rennen zu liefern. Beide Pkw rasten mit mindestens 100 km/h die Feithstraße in Richtung Bredelle, fuhren dort in die langgezogene unübersichtliche Rechtskurve ein. Im Bestreben, das Rennen um jeden Preis zu gewinnen, verminderte keiner der ortskundigen Angeschuldigten im unübersichtlichen Kurvenbereich die Geschwindigkeit“, so der Staatsanwalt. Dann gab es einen lauten Knall – einer der folgenschwersten Unfälle in Hagen war passiert.


Riesen-Andrang im Landgericht: Der Raser-Prozess stößt bei Journalisten und zahlreichen interessierten Zuschauern auf großes Interesse.
Riesen-Andrang im Landgericht: Der Raser-Prozess stößt bei Journalisten und zahlreichen interessierten Zuschauern auf großes Interesse. © WP Michael Kleinrensing | WP Michael Kleinrensing












Der Skoda war auf die Gegenfahrbahn geraten und zunächst mit einem Renault zusammengeprallt, der ins Schleudern geriet und sich überschlug. Dann stieß er frontal in das Auto einer Mutter mit zwei Kindern (11 und 6 Jahre). Bei dem Horror-Crash wurden insgesamt fünf Personen schwer verletzt, der Sechsjährige schwebte mehrere Wochen in Lebensgefahr. Ihm musste ein Stück des Dünndarms entfernt werden.


Unterschiedliche Charaktere


Die beiden Angeklagten, die sich wegen Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten müssen, könnten kaum unterschiedlicher sein. Da ist der 34-jährige Fahrer, der während des angeklagten Rennens am 19. Mai vergangenen Jahres in einem schwarzen Audi saß, nicht verletzt wurde und sich dem furchtbaren Geschehen zunächst durch Unfallflucht entziehen konnte: Ein mehrfach vorbestrafter „Draufgänger-Typ“, der zuletzt vom Landgericht wegen eines Tresordiebstahls aus einer Apotheke zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Dieser Angeklagte, im sandfarbenen Sakko, der sich zum Schutz vor Fotografen eine rote Strafakte vors Gesicht hält, schweigt im Verfahren.

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Und da ist der bislang unbescholtene Familienvater aus Hohenlimburg (47), der – im himmelblauen Polohemd – auf Gehhilfen zur Anklagebank humpelt und auch psychisch leidet: „Insbesondere das, was mit den Kindern passiert ist, tut mir alles unendlich leid. Ich habe einen Brief an die Familie geschrieben, habe Geschenke an die Kinder verschickt. Aber das hat die Familie nicht angenommen. Ich kann’s verstehen.“


Nach dem schlimmen Horror-Crash, dem kein illegales Rennen vorausgegangen sein soll, „hat sich meine Frau von mir getrennt und ich habe 20 Kilo zugenommen“, sagt der Angeklagte, der während seiner Einlassung mit den Tränen kämpft: „Ich bin seit dem Unfall nicht mehr der Mensch, der ich früher mal war.“


>> Hintergrund: Video mit Dash-Cam