Freiburg/Essen. Seit Februar 2008 ist der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Im März 2014 wird er dieses Amt abgeben und in den Ruhestand gehen. Die Westfalenpost hat mit dem 75-jährigen Theologen in Freiburg gesprochen.
Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Vatikan-Erfahrungen?
Erzbischof Robert Zollitsch: Sehr gut sogar: Ich hatte bis zu meiner Bischofsweihe im Juli 2003 eigentlich nicht besonders viel mit Rom zu tun; ich spreche auch kaum Italienisch. Zu meinem Antrittsbesuch bei Johannes Paul II. erlebte ich dann einen ausgesprochen interessierten und informierten Papst.
Wir hatten ein wirklich anregendes Gespräch. Überhaupt merkte ich schnell, dass es sich lohnt, die Gespräche im Vatikan aktiv zu suchen. Man signalisierte mir: Seien Sie möglichst oft im Vatikan, informieren sie persönlich den Heiligen Vater und unterrichten Sie selbst die dortigen Kardinäle und Zuständigen über das, was bei Ihnen in Deutschland vor sich geht.
Welchen Stellenwert hat Deutschland aus der Sicht des Vatikans?
Zollitsch: Wir leben ja ein wenig in der Gefahr zu glauben, dass die ganze Welt die Situation der katholischen Kirche so sehen sollte wie wir in Deutschland. Aber wir sind ja nur ein kleiner Teil der Weltkirche.
Dennoch muss ich sagen, dass der Vatikan sehr wohl das Gespräch mit uns sucht. Unser Kirchensteuersystem erlaubt es uns, auch finanziell viel für die Weltkirche tun zu können. Das wird im Vatikan ausgesprochen dankbar aufgenommen, ja, ich muss sagen, man zollt uns überhaupt dafür international hohen Respekt.
Wie zeigt sich dieser Respekt?
Zollitsch: Ich habe das unmittelbar erfahren, als mich ein südamerikanischer Kollege dankbar auf unser Hilfswerk Adveniat mit Sitz in Essen ansprach. ,Essen’, sagte er, das ist eigentlich die Hauptstadt Lateinamerikas’.
Und einen anderen Amtskollegen in Osteuropa habe ich gefragt: ,Wovon leben Sie in Ihrer Gemeinde? Und er antwortete: ,Von dem, was wir aus Deutschland bekommen.’ Da habe ich gemerkt, wie wichtig und segensreich unsere Arbeit mit und in den Hilfswerken überall gesehen wird.
Wie haben Sie bislang Papst Franziskus kennengelernt?
Zollitsch: Was schon aufmerken lässt, ist seine Art zu sprechen. Bei meinen Gesprächen mit Papst Franziskus spricht er zu 90 Prozent deutsch; das ist sehr angenehm. Bei Papst Benedikt war dies ja ohnehin keine Frage.
Im Gespräch selbst, denkt Franziskus stets mit und weiter; er fragt konkret nach und zieht selbst das Fazit aus dem, was er gehört hat. Er geht einfach auf die Menschen zu. Das habe ich erlebt, das kann man aber auch aus seinen Veröffentlichungen herauslesen.
Er bedient sich einer einfachen und erfrischenden Sprache, die alle verstehen können. Und bei allem, was er sagt und tut, ist er der Überzeugung, dass es keine Alternative zum Dialog gibt.
Wie wird sich die katholische Kirche unter Papst Franziskus entwickeln?
Zollitsch: Über allem steht bei ihm die Frage nach Barmherzigkeit, nach der Nähe zu den Armen, den Suchenden und Zweifelnden. Ich fühle mich außerordentlich bestätigt durch Franziskus.
Er hat ja ein klares Bekenntnis zur Dezentralisierung der Kirche abgegeben, und er ist, wie auch ich, der Meinung, dass sich Kirche immer weiter entwickeln muss. Warum soll auch alles von Rom aus kontrolliert werden müssen?
Das geht doch gar nicht. Umso wichtiger ist es, dass man den Menschen Vertrauen schenkt. Dann wächst auch etwas daraus. Wir brauchen ein gutes Miteinander der Ortskirchen und Roms. Gemeinsam sind wir Weltkirche.
Im März soll Ihr Nachfolger als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gewählt werden. Wie sehen Sie diesem Ereignis entgegen?
Zollitsch: Ich habe den Vorschlag gemacht, vor der Wahl eine Art Vorkonklave nach dem Muster der letzten Papstwahl durchzuführen. Das bedeutet, dass wir Bischöfe uns einen Tag lang darüber austauschen, welche Aufgaben in der Bischofskonferenz anstehen und welches Profil der künftige Vorsitzende haben sollte. Natürlich ist klar, dass es einen Generationenwechsel geben wird.
Eine Bilanz Ihres Vorsitzes?
Zollitsch: Ich habe mit dem Vatikanischen Konzil den theologischen Aufbruch selbst miterlebt. Das hat mich stark geprägt. Auch habe ich mich stets als leidenschaftlicher Europäer gesehen. Dabei weiß ich, dass die alten Werte wie Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit von den Menschen heute als selbstverständlich angesehen werden.
Aber gerade weil es uns heute gut geht, müssen wir doch daraus eine Verpflichtung zur Solidarität ableiten. Bezüglich meiner konkreten Aufgabe als Vorsitzender der Bischofskonferenz, kann ich sagen, dass wir in den wichtigen Entscheidungen stets eine große Einmütigkeit bewiesen haben. Meine Mitbrüder sind immer den guten Weg der Mitte mitgegangen. Dabei habe ich versucht, zu vermitteln und Brücken zu bauen.
Noch eine Frage zum Reformationsjubiläum 2017. Wie stehen Sie zu diesem Ereignis?
Zollitsch: Ich möchte es nicht Jubiläum, sondern lieber Reformationsgedenken nennen. Dabei sollten wir auch an das denken, was wir uns gegenseitig angetan haben und uns gegenseitig um Vergebung bitten. Wir sollten uns gemeinsam der Frage stellen, welche Bedeutung Gott in unserer Gesellschaft heute hat.
Wir gehen den Weg gemeinsam. Das könnte auch mit einer gemeinsamen Pilgerfahrt ins Heilige Land von EKD-Ratsmitgliedern und Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz im Blick auf 2017 zeichenhaft zum Ausdruck kommen, die ich ins Gespräch gebracht habe.
Haben Sie Pläne für die Zeit Ihres Ruhestands?
Zollitsch: Mein Terminkalender ist schon bis zur Jahresmitte 2014 gut gefüllt. Abgesehen davon könnte ich mir vorstellen, vielleicht wieder mehr wandern zu gehen. Die Suche nach Pflanzen, Käfern und Schmetterlingen hat mich bereits als Kind fasziniert.
Dieses Hobby möchte ich gern wieder aufnehmen. Außerdem besitze ich noch eine Sternenkarte aus meinen Schultagen. Vielleicht lege ich mir ein Teleskop zur Beobachtung der Sterne zu.