Hagen. Der Autor Gisbert Haefs ist ein virtuoser Meister der Erzählkunst und findet seine Stoffe in allen Epochen. In seinen historischen Romanen bringt der dem Leser das Weltgeschichte nahe, so dass er es aus einer neuen Perspektive wahrnimmt. Jetzt schreibt er über „Alexanders Erben“.
Diadochen-Kriege? Der Kampf der Feldherren um die Nachfolge Alexanders des Großen? Da ist man ja schon in der Schule nicht mitgekommen, oder? Und jetzt möchte man gar nicht mehr aufhören zu lesen über Niedertracht, Treue, Giftmorde, Liebschaften und Grausamkeit. Denn Gisbert Haefs kann über die Antike so spannend schreiben, dass man bei der Lektüre seiner historischen Romane nur eines bedauert: Sie hören irgendwann auf.
Der Bonner Autor hat eine Krimiserie im antiken Karthago angesiedelt und eine weitere in der paranoiden Welt des 16. Jahrhunderts. Er hat die beste Romanbiographie über Julius Cäsar verfasst, die je auf den Markt gekommen ist, und er erfindet Krimis um den Bonner Universaldilettanten Baltasar Matzbach, den man manchmal als sein anderes Ich bezeichnen möchte. Er hat Kipling und die Songtexte von Bob Dylan aus dem Englischen übersetzt und Jorge Luis Borges aus dem Spanischen.
Gisbert Haefs ist ein großer Erzähler, und seine Bücher ragen himmelhoch hinaus aus dem Einerlei der historischen Romane, wo Geschichte bestenfalls als Kolorit herhalten muss. „Im Übrigen muss man die Gebiete, auf denen man versagen könnte, so weit streuen, dass außer einem selbst sie keiner überblicken kann“, fasst der 63-Jährige im Gespräch augenzwinkernd seine Doppelrolle als Übersetzer und Schriftsteller zusammen.
Englisch und Spanisch hat der gebürtige Wachtendonker in Bonn studiert, „um mir das Vergnügen an Deutsch und Französisch nicht zu versauen.“ Er entspricht jenem verschollen geglaubten Typus des neugierigen Gelehrten, der Wissen um des Wissens, um der Bildung willen sucht, und der immer eine Anekdote aus dem Ärmel schütteln kann, zum Beispiel über Augustus: „Alles, was hier in Washington, Peking, Moskau rumläuft, sind blutige Amateure, verglichen mit ihm.“
KBV-Verlag legt Krimireihe neu auf
Der Hillesheimer KBV-Verlag legt jetzt die Krimireihe um Baltasar Matzbach neu auf, den Querdenker und Rätsellöser, der eigene Bildungslücken sammelt und Besucher zum Nichtrauchen auf die Terrasse schickt. In „Finaler Rettungskuss“, dem 9. Fall des Antihelden, spricht sich Matzbach seinen Zorn von der Seele. „Also, was brauchen wir? Neues Steuersystem. Neues Rentensystem. Neues Gesundheitssystem. Vielleicht eine neue Außenpolitik. Bestimmt eine andere Wirtschaftspolitik – wozu sollen wir eigentlich Banken finanzieren! Ach was. Nein, was haben wir statt dessen gekriegt? Eine Rechtschreibreform und ein Rauchverbot!“
Matzbach-Krimis sind Zeitstücke, in denen die Politik und die daran hängende Bürokratie zum sich selbst erhaltenden System verkommen sind. „Matzbach hat viele Eigenschaften, die ich gerne hätte und etliche, wo ich froh bin, sie nicht zu haben“, sagt Haefs.
„Alexanders Erben“ heißt der neue historische Roman von Gisbert Haefs. Der Sänger und Musiker Dymas, die unfreiwillige Hure Kassandra, der unwichtige Offizier Peukestas und die Steppenkriegerin Tomyris sind weiß Gott keine Figuren, die Weltgeschichte schreiben. Aber Haefs dirigiert sie im entscheidenden Moment genau dorthin, wo Weltgeschichte geschrieben wird, so dass der Leser die historischen Vorgänge aus einer neuen Perspektive wahrnimmt. Und man staunt entzückt, wie der Autor hier Faden um Faden aufrollt und unversehens verknüpft, so dass aus einzelnen Flicken sich plötzlich ein ganzes Bild ergibt. Das ist sprachmächtigste Erzählkunst, die kaum ein Schriftsteller mehr beherrscht.
Autor hat Freude an der Recherche
„Recherche macht Spaß, vor allem, weil man hunderttausend Sachen findet, die man nicht gebrauchen kann, die aber hoch amüsant sind“, konstatiert Gisbert Haefs. Sein vielfach preisgekröntes Werk schreibt er übrigens nicht nur am Computer. „Ich sitze im Moment wieder an einer IBM-Kugelkopf-Schreibmaschine, weil ich feststelle, dass es schneller geht und ich im Kopf gründlicher vorformuliere, weil ich nicht sofort korrigieren kann.“
Das legendäre Frühstücks-Gespräch zwischen Cäsar und Cicero in der Cäsar-Biographie hat er sogar mit Füller und Tinte am Stehpult erfunden. Haefs: „Oma sagte, selber essen macht satt, selber denken macht schlau.“