Dahl.. Der Dahler Waldbesitzer Dr. Christian Killing lässt Totholz im Wald stehen, denn es bildet die Lebensgrundlage für Pilze, Flechten und Insekten.

Friedrich Killing (69) führt uns tief hinein in seinen Forst, ehe er an einem morschen, bröckeligen Baumstumpf Halt macht. Totes Holz, aus dem man bestimmt keine Möbemehr mehr herstellen kann, das nicht einmal mehr als Brennmaterial etwas taugt. Und doch ungemein wertvoll ist – ökologisch betrachtet: „Hierin kraucht das wahre Leben“, sagt Waldbesitzer Killing, ehemals Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Dahl: „Eigentlich ist dieses Holz lebendig, so lebendig wie nie zuvor.“ Deshalb finde er den Terminus „Totholz“ auch gar nicht passend, „Altholz“ sei viel treffender.

Neue Welt entsteht

Ob nun Totholz oder Altholz – alte Bäume, Stämme, Stümpfe und Klötze im Wald vermodern zu lassen, bis sie zerfallen und als Humus dem Erdboden zurückgegeben werden, wird seit 2014 im nordrhein-westfälischen Staatswald mit dem Ziel umgesetzt, erhaltenswertes Biotopholz zu sichern und zu dokumentieren und somit langfristig die biologische Vielfalt zu sichern. Denn in den abgestorbenen Baumresten entsteht eine neue Welt, hier siedeln sich Moose, Flechten und Pilze, Kleinstlebewesen wie Amöben, aber auch Käfer, Ameisen, Spinnen, Mäuse und Feuersalamander an. In knorrigen Stämmen bauen Spechte ihre Höhlen, die später wiederum von Nachmietern, etwa Hohltauben, bezogen werden. „Die Biodiversität ist ja weltweit ein Thema“, berichtet Stefan Befeld vom Landesbetrieb Wald und Holz: „Und die Altholzstrategie dient dem Artenschutz.“

Das tote Holz wird zum Ausgangs- und Endpunkt des biologischen Kreislaufs. Schließlich hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, langfristig fünf Prozent aller Flächen in Deutschland sich selbst zu überlassen.

Ausgangs- und Endpunkt

Immerhin stehen in Nordrhein-Westfalen bereits 7800 Hektar Wald als sogenannte „Wildnisgebiete“, in die die Ämter höchstens noch aus Gründen der Verkehrssicherheit eingreifen, unter Schutz. In der Regel handelt es sich dabei um Laubholzbestände, Buchen und Eichen sollen statt der weit verbreiteten Fichte den Wald der Zukunft bilden.

Auch die Stadt Hagen bemüht sich um die biologische Aufwertung ihres reichlich vorhandenen Waldes. Wenn die städtischen Förster in einem alten Baum eine Spechthöhle oder einen Vogelhorst entdecken, dann werde der Stamm mit einer Langzeitfarbe entsprechend markiert, berichtet Martin Holl, stellvertretender Leiter des Forstamtes: „Das bedeutet, dass ein solcher Baum dem natürlichen Verfall überlassen wird.“ An manchen Stellen im Wald gebe es regelrechte Altholzinseln – Gruppen von fünf oder mehr Bäumen, an die niemand mehr Hand anlegen dürfe: „Da hat der Naturschutz eindeutig Vorrang vor der ökonomischen Seite.“

Ökologisches Konzept

Doch längst nicht alle privaten Waldbesitzer in Hagen lassen sich von der Totholzstrategie überzeugen, sondern kritisieren vielmehr, dass in abgestorbenen Bäumen nicht zuletzt Forstschädlinge wie der Borkenkäfer ideale Fortpflanzungsmöglichkeiten fänden. Das weiß auch Christian Killing: „Aber ich finde, es ist einen Versuch wert. Aus einer alten Pflanze wächst etwas Neues hervor. Das ist das Prinzip des Lebens.“ Und auch wirtschaftlich mache das Totholzprogramm Sinn, denn immer mehr Sägewerke würden nur noch zertifziertes Holz von Waldbauern abnehmen, die ein integratives Konzept verfolgten, das ökologische, soziale und ökonomische Aspekte verbinde. Es gehe ja nicht darum, wertvolles Stammholz verrotten zu lassen: „Aber Trockenstämme, die man höchstens noch als Kaminholz gebrauchen kann, lasse ich jetzt stehen.“ Für den Specht und alle die anderen kleinen und kleinsten Tiere, die dadurch einen Lebensraum finden.

>>Hintergrund: Zertifizierung

Wer mehr über das Altholzprogramm und entsprechende Förderungsmöglichkeiten erfahren möchte, kann sich an den Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen wenden. Ansprechpartner findet man auf der Homepage www.wald-und-holz.nrw.de.

Nähere Informationen zur Zertifizierung bietet die Seite https://pefc.de/