Fröndenberg/Unna. Cavidan Akyar und ihre Schwester Cihan aus Fröndenberg beteiligen sich an der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) in Unna. Warum sie mitmachen.
„Das hier ist jetzt mein Garten. Vorher hatte ich nur den Balkon.“ Die Fröndenbergerin Cavidan Akyar steht an diesem sonnigen, nicht allzu heißen Sommertag, auf einem Feld, ein paar Kilometer hinter der nördlichen Stadtgrenzen Fröndenbergs, am Ortsrand von Unna-Mühlhausen. Ein paar eigene Quadratmeter oder Hektar Land hat sie hier nicht, aber sie ist Ernteteilerin und macht mit beim Projekt Solidarische Landwirtschaft. Durchaus ein Trend ist das in Richtung Regionalität und Saisonalität bei Lebensmitteln, in Fröndenberg selber, oder auch in Menden und Balve gibt es das (noch) nicht, in der Umgebung ansonsten aber in Iserlohn oder Arnsberg. Und eben in der Kreisstadt Unnan.
Katrin Westermann hat die Solidarische Landwirtschaft hier ins Rollen gebracht, vor drei Jahren angefangen, dann die ersten Interessenten um sich geschart. 2023 wurde das erste Gemüse geerntet auf den Feldern, die der Landwirtin in Unna-Mühlhausen gehören. Sie ist auch sonst sehr umtriebig, hat einiges schon gemacht, als Imkerin, Erlebnispädagogin auf dem Bauernhof, Blumen zum selberpflücken angeboten in Langschede.
Verfechterin regionaler Lebensmittel
Alleine schon durch ihren Beruf ist Katrin Westermann natürlich Verfechterin regionaler Lebensmittel. Und es stört sie, dass gerade bei Obst und Gemüse im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln so wenig Eigenversorgung in Deutschland stattfindet und vieles importiert wird. Das Prinzip des Wochenmarktes mit Lebensmitten der Region gefalle ihr zwar auch gut. Aber da müsse man am Ende von der nicht verkauften Ware doch zu viel wegschmeißen, sagt sie. Auch deshalb startete sie die Solidarische Landwirtschaft, genug freies Feld war noch da.
Menschen beteiligen sich finanziell und nach Möglichkeit mit Arbeitseinsatz
Das Prinzip: Menschen beteiligen sich finanziell und nach Möglichkeit mit Arbeitseinsatz und am Ende bekommen alle ihren Anteil von den Lebensmitteln. 30 sogenannte Ernteteiler waren 2023 zur Premiere hier in Mühlhausen dabei, nun sind es schon doppelt so viele. „Dadurch wird es auch für uns als Betrieb wirtschaftlich“, erklärt Westermann, die bei allem Idealismus auch ihren Lebensunterhalt damit bestreiten muss. Und das Projekt könnte auch durchaus noch weiter wachsen. Anderswo tun sich interessierte Menschen zu einer Solawi-Gruppe zusammen, müssen dann aber erst geeignete Flächen finden und Wissen aneignen. Hier entstand es aus einem landwirtschaftlichen Betrieb heraus, Expertise ist entsprechend da.
„Wir tragen Gewinn und Verlust gemeinsam.“
„Wir tragen Gewinn und Verlust gemeinsam“, erklärt auch Cavidan Akyar das Prinzip, die in diesem Jahr mit ihrer Schwester Cihan zusammen neu eingestiegen ist, nachdem sich die beiden bei einem Infoabend auf dem Hof schlau gemacht hatten. Ist die Ernte schlecht, bekommen alle weniger und umgekehrt. Was Akyar allen voran wichtig war: kurze Transportwege, Obst und Gemüse reisen nicht tausende Kilometer per Lkw durch die Lande. Dafür wiederum nimmt sie es in Kauf, einmal die Woche nach Unna auf das Feld zu fahren. Denn freitags oder samstags können sich die Ernteteiler die wöchentliche Gemüsekiste abholen.
Alles, was einem die Natur gerade geschenkt hat
Alles, was gerade reif ist, wird fair auf die Teilnehmer verteilt. Und man verbraucht beziehungsweise kocht dann eben in den folgenden Tagen genau das, was einem die Natur gerade geschenkt hat. Dieses Mal ist es besonders viel Fenchel. Und wenn man gar keine Idee hat für diese Knolle? Kein Problem, für Rezepte gibt es auch eine eigene Gruppe der Ernteteiler oder den persönlichen Austausch. Denn er auch dieser letztgenannte ist ganz wichtig hier. Sie sei vorher alles andere als ein Garten- oder Gemüseprofi gewesen, erzählt Cavidan Akyar grinsend. „Katrin Westermanns Wissen ist da schon sehr hilfreich“, sagt sie deshalb. Denn auch wenn es nicht verpflichtend ist: Es wird schon gerne gesehen und ist letztlich für das gesamte System unerlässlich, dass die Ernteteiler regelmäßig helfen, sprich auf dem Feld mit anpacken. Zum Beispiel bei der Ernte oder dem Waschen an den Tagen, wenn auch die Gemüsekisten abgeholt werden. Salatköpfe werden abgeschnitten oder Kartoffeln ausgegraben.
Gruppe entscheidet gemeinsam
Was genau angebaut wird, darüber hat die Gruppe gemeinsam entschieden. Auch darüber, dass ein zweiter Folientunnel gebaut wurde um Gurken und Tomaten trennen zu können. Auch ein kleines Kühlhaus gibt es mittlerweile. Verschiedene Sorten erfordern unterschiedlichen Einsatz und auch finanziell macht es einen Unterschied, was man ernten möchte. Möglichkeiten der Beteiligung sind unterschiedlich, deshalb kann man die Kosten nicht in jeder Solawi absolut vergleichbar nebeneinander stellen.
100 Euro pro Ernteteiler pro Monat
Katrin Westermann hat am Beginn ausgerechnet, was sie insgesamt braucht pro Jahr für dieses Projekt und dann umgelegt. Bedeutet aktuell konkret etwas über 100 Euro pro Ernteteiler pro Monat. Teurer natürlich als Obst und Gemüse aus industrieller Produktion im Supermarkt, aber günstiger als wenn man Vergleichbares im Hofladen kaufen würde, erzählt Cavidan Akyar. Dafür können aber neben dem eigenen Einsatz auch noch Gärtner auf dem Feld zur regelmäßigen Unterstützung beschäftigt werden.
„Vorher wusste ich gar nicht, dass man die einfach so essen kann.““
Geschmack überzeugt natürlich
Und der Geschmack überzeugt natürlich auch. Gerade auch, weil man weiß, was man dafür geleistet. Akyar arbeitet als Krankenpflegerin im Mendener St.-Vincenz-Krankenhaus. Körperlich sicher kein entspannender Job. Aber über den ersten ganztägigen Arbeitseinsatz dieses Jahr auf dem Feld und an der frischen Luft, sagt sie: „Das tat so gut, auch wenn es sehr anstrengend war.“ Obst und Gemüse gibt es fast das gesamte Jahr über, Ausnahme ist nur der Februar. Akyar pult zusammen mit anderen Ernteteilern ein paar Erbsen aus der Schale, direkt auf dem Feld. Knackig und leicht süß schmecken die. „Vorher wusste ich gar nicht, dass man die einfach so essen kann.“