Schwelm. Bürgermeister Stephan Langhard und der SPD-Parteivorstand verspielen gerade ihre Glaubwürdigkeit, meint Redaktionsleiter Stefan Scherer.

680 Menschen – so groß ist das Publikum, als der Beigeordnete der Stadt Schwelm, Ralf Schweinsberg, auf seinem Facebook-Profil das Wort „Neger“ in einem durchaus als frauenfeindlich zu verstehenden Kontext benutzt und der SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten Kirschner ihm dafür applaudiert. Eine solche Masse an Menschen ist kein privater Rahmen. Die Reden der beiden im Rat der Stadt Schwelm finden vor etwas mehr als fünf Prozent dieser Anzahl statt. Beide ziehen sich auf die Position zurück, das sei Privatsache, machen das Thema überhaupt erst zu einem, indem sie ihre Wortwahl rechtfertigen. Als rein privat bewerten das auch der SPD-Parteivorstand Alina Meuser und Daniel Nickel sowie Bürgermeister Stephan Langhard.

Auch interessant

Was bedeutet das? Rückblick in den Januar 2022. Seit Wochen ziehen freitags die Corona-Spaziergänger durch Schwelm – Impfgegner, Querdenker und ein Haufen Rechter. Alina Meuser organisiert die Gegendemo, hält eine Brandrede darüber, wie gefährlich der rechte Einfluss auf die bürgerliche Mitte ist. Sie positioniert sich öffentlich stets sehr klar gegen Faschismus, gibt sich feministisch, betont die lange sozialdemokratische Geschichte ihrer Familie. Die verwendete Sprache spielt für sie dabei eine ebenso entscheidende Rolle wie Ideologien.

An diesem Abend vor knapp drei Jahren spricht auch Stephan Langhard. Er mahnt „Wehret den Anfängen“ und dass die Schwelmerinnen und Schwelmer sich gegen ausgrenzendes Gedankengut, gegen solche Sprüche und Parolen aktiv stellen müssen. Öffentlich nehmen beide eine klare Haltung ein gegen die diskriminierenden Tendenzen der privaten Corona-Spaziergänger.

Nun bedient sich das eigene Führungspersonal exakt dieses Vokabulars und der gleichen Witze, um sich über Gendern und eine Sprache, mit der Menschen nicht diskriminiert werden sollen, lustig zu machen, wie diejenigen, gegen die Meuser und Langhard seinerzeit mobil gemacht haben – und beide springen in Deckung. Keine Silbe dazu, dass das nicht in Ordnung ist aus ihrer inneren Überzeugung heraus. Sie werfen ihre Prinzipien über Bord und setzen genau das nicht um, was sie von den Menschen fordern: Andere, die diskriminieren und ausgrenzen, schon in den Anfängen zu stoppen und sich aktiv gegen derlei Gedankengut zu wenden.

Auch interessant

An dieser Stelle erwächst aus Führungsschwäche, Konfliktscheu und einer gewissen Rückgratlosigkeit eine Doppelmoral, die weder der Ämter der Parteivorsitzenden oder des Bürgermeisters würdig ist, und auch nicht einer SPD, die in Schwelm stets auf einem sehr klaren Wertefundament gründete. So demontieren sie ihre Glaubwürdigkeit und vor allem Stephan Langhard bekommt ein Problem im Rathaus.

Wie will er denn noch die Gleichstellungsbeauftragte dazu motivieren, sich für eine Stadt einzusetzen, in der ihr Kernarbeitsfeld durch den Bürgermeisterstellvertreter und den Vorsitzenden der größten Fraktion öffentlich ins Lächerliche gezogen werden kann, ohne dass das Stadtoberhaupt und der Vorsitzende des Rats öffentlich dazu Stellung bezieht? Wenn es in Ordnung ist, in öffentlichen Top-Positionen vor fast 700 Menschen „Neger“ und „Zigeuner“ zu sagen, wer will sich denn da noch in einem Integrationsrat engagieren? Welche jungen Menschen mit Migrationshintergrund – und vor allem Frauen – wollen denn in einer Verwaltung arbeiten, in der ein solcher Geist wehen darf, so lange dieser nur als privat deklariert wird?

Eine Steilvorlage ist diese Sache auch für diejenigen, die so rein privat gern auf der Grenze zur Frauenfeindlichkeit wandeln und sich Begrifflichkeiten bedienen, die ganze Menschengruppen verächtlich machen. Denn für die SPD-Spitze und Bürgermeister Stephan Langhard sind diese Dinge, online als Scherz verpackt auf privaten Facebook-Profilen, offensichtlich vollkommen tolerabel. Ganz nebenbei: Radikale Positionen werden exakt auf diesem Wege am meisten in die Gesellschaft gestreut. Und das ist für die SPD ok?

Ich hätte mir von Daniel Nickel, Alina Meuser und Stephan Langhard eine Aussage gewünscht, die in etwa in diese Richtung gegangen wäre: „Neger zu sagen ist nicht in Ordnung. Niemals, auch nicht privat, aber vor allem nicht als Würdenträger vor einer derart großen Öffentlichkeit. Dies ist mit den Werten der Stadt Schwelm und der Schwelmer SPD nicht vereinbar.“ Klare Worte zu finden, haben sie leider versäumt.

Lesen Sie auch:

Wem gehören die Schrottautos mitten in Ennepetal?

Handmade in Schwelm: Jede Tasche ist ein wertvolles Unikat

Gänse-Taxi: So kommt das Weihnachtsessen bequem nach Hause

Schwelmer Mordprozess: Verteidiger nehmen Polizisten in die Mangel