Ennepetal/Gevelsberg/Schwelm. Die Ampelkoalition ist beendet: Reaktionen aus SPD, Grünen, FDP und CDU zu den Folgen für Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm.
Fördermittel: Sind Projekte in Ihrer Stadt gefährdet?
„Eine seriöse Beantwortung ist an der Stelle schwierig“, meint Marcel Gießwein, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Schwelmer Stadtrat und stellvertretender Fraktionssprecher im Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises. Bei den Projekten, bei denen in Schwelm auf Bundesmittel für 2025 und 2026 gehofft wurde, könne man nicht absehen, ob sie nun kommen oder nicht. „Aber wenn die Ampel weiter gemacht hätte, wären die auch nicht gekommen, weil Christian Lindner alles streichen wollte, was irgendwie sinnvoll gewesen wäre“, so Gießwein. Um die Förderung der Schwelmer ISEK-Projekte sorgt sich Gießwein weniger, weil das andere Fördermittel seien. „Aber was das Thema Bäder angeht, das wird mit Sicherheit ein Jahr lang eine Hängepartie werden.“
Michael Schwunk, Vorsitzender der Kreis-FDP, der Kreistagsfraktion und der Schwelmer Ratsfraktion, erwartet durch das Aus für die Ampelkoalition keine konkrete Gefahr für laufende oder geplante Projekte vor Ort. „Wir sind in der schwersten Wirtschaftskrise, entweder bekommen wir die Wirtschaftswende hin oder nicht. Wenn nicht, werden wir in den Kommunen sowieso nicht mehr handlungsfähig sein“, meint Schwunk. Insofern sehe er den Bruch der Ampel als Chance.
Hans-Günther Adrian, Chef der Gevelsberger CDU, sieht die aktuelle Bundesregierung vor einigen großen Herausforderungen - wie Haushalt, Asylpolitik, Stabilisierung der Rente. Ob diese nun mithilfe der größten Oppositionspartei CDU bewältigt werden können, also ob CDU-Chef Friedrich Merz und SPD-Kanzler Olaf Scholz sich in allen Punkten einigen können, hängt für Adrian von der Bereitschaft beider Seiten ab, aufeinander zuzugehen. Stichwort Haushalt: Große Projekte in den Städten, die von Fördermitteln abhängig sind, sieht er durch den Ampelbruch nicht gefährdet. „Das sind zum größten Teil Landesmittel und da haben wir eine gute Regierung, das sehe ich gelassen“, sagt Hans-Günther Adrian.
Christina Bösken, SPD-Fraktionsvorsitzende in Gevelsberg, glaubt, dass mit Blick auf die Wahl in den USA im Moment alles gefährdet sei. Was der Ampelbruch für die Kommunen konkret bedeutet, könne sie nicht sagen. „Bei den Fördermitteln für das Rupprechthaus zum Beispiel kommt es darauf an, ob Land oder Bund die jeweiligen Mittel geben. Wir müssen jetzt abwarten. Uns bleibt leider nichts anderes übrig.“
Keine großen Sorgen hinsichtlich der kommunalen Projekte macht sich Daniel Böhler, Fraktionsvorsitzender der FDP in Ennepetal, der außerdem im Bundesvorstand der Jungen Liberalen vertreten ist. „Der Haushalt, der jetzt anstünde, wäre ohnehin der letzte in dieser Legislaturperiode. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es große Auswirkungen auf die Kommunen hat. Da müsste man aber wahrscheinlich besser die Stadtverwaltung oder den Kämmerer fragen“, so Böhler.
Welche Auswirkungen auf die Kommunalwahl 2025 sehen Sie?
Positiv bewertet Marcel Gießwein, dass die Schwelmer Grünen in 2025 nun einen Kommunal-Wahlkampf mit Fokus auf kommunale Themen machen könnten. „Das wäre schwierig, wenn nicht unmöglich gewesen, wenn die Wahlen mit zwei Wochen Versatz stattgefunden hätten.“ Der negative Aspekt sei, dass nun ehrenamtlich zwei Wahlkämpfe gestemmt werden müssten. Um Wähler-Stimmen bangt Gießwein nicht: „Ich glaube schon, dass die Leute uns für das, was wir kommunal machen, wählen werden.“ Man könne schon differenzieren, wer auf Bundesebene Verantwortung trägt und wer auf kommunaler Ebene. „Und man kann auch differenzieren, wer in der Ampel Verantwortung übernommen hat und wer nicht.“
Auswirkungen auf die Kommunalwahl 2025 sieht Michael Schwunk in der Hinsicht, „dass wir in Deutschland die wirtschaftlichen Grundlagen sichern müssen.“ Diese Frage werde in den Mittelpunkt rücken. „Da entscheidet sich auch die Zukunft unserer Städte. Unsere gesamte wirtschaftliche Grundlage ist gefährdet, wir haben völlig überschuldete Kommunen mit zerrütteten Finanzen.“ Letztlich sei die Koalition ja am Streit ums Geld gescheitert, an der Frage: „Regeln wir das jetzt oder übertragen wir das auf die nächsten Generationen?“, so Schwunk.
„Unsere kommunale SPD hat, solange ich denken kann, gute Ergebnisse erzielt. Aufgrund der gesamtpolitischen Entwicklung aktuell kann man sich da aber nicht mehr sicher sein“, sagt Christina Bösken. Die Ampel habe bei vielen Menschen durch die Streitereien für Frust gesorgt, auch bei ihr. Jetzt komme es darauf an, wie diese Regierung auseinander geht. „Man kann das Gesicht wahren, oder auch nicht.“
Wie sich die Bundespolitik auf die Kommunalwahl 2025 auswirken könnte, sieht Hans-Günther Adrian zwiegespalten. Ursprünglich hätten Kommunal- und Bundestagswahl zeitlich nah beieinander gelegen. Jetzt sehr wahrscheinlich nicht mehr. „Wir haben uns natürlich Gedanken gemacht, wie ein Wahlkampf aussehen könnte, der die Bundespolitik aufgreift, aber auch die Themen vor Ort“, erklärt er. „Für die Demokratie ist es aber auch gut, wenn man das nicht vermengt.“
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Ähnlich wie Marcel Gießwein sieht auch Daniel Böhler von der Ennepetaler FDP eher positive Auswirkungen auf die Kommunalwahl 2025. „Wir haben mit dem Problem geplant, dass die Bundestagswahl die Kommunalwahl überlagern wird und deswegen kommt ein früherer Bundestagswahltermin uns schon entgegen.“ Vor dem Aus der Ampel-Koalition, wenn die Wahlen kurz hintereinander gewesen wären, hätten die Bundesthemen Vorrang gehabt und wären präsenter gewesen. „So kann man sich dann mehr auf die Kommunalwahl und die eigenen lokalen Themen konzentrieren.“
Befürchten Sie, dass die AfD durch den Ampelbruch auch in unseren Städten neuen Aufwind bekommt?
„Sie hatten ja schon Aufwind. Ich kann mir eher vorstellen, dass sie sich jetzt – das sieht man auch in den Landesparlamenten in Ostdeutschland – ein bisschen entzaubern“, sagt Marcel Gießwein. Er halte nicht alle AfD-Wählerinnen und -Wähler für Faschisten. „Ich glaube, da gibt es eine Menge Menschen, die einfach nur frustriert sind.“ Das könne er ein Stück weit nachvollziehen. „Aber nicht, warum man dann eine faschistische Partei wählt.“ Er habe keine Angst davor, dass die AfD hier in den Städten noch stärker werden könnte. „Ich habe die Hoffnung, dass man feststellen wird, wer eigentlich immer versucht hat, zu bremsen und wer die Nicht-Handlungsfähigkeit die ganzen Jahre aus seiner Sicht geleitet hat.“ Im Bundestagswahlkampf könne die AfD durchaus nochmal stark sein. „Aber wenn es wirklich um kommunale Themen geht, da haben die nichts anzubieten“, so Gießwein.
„Ich will die AfD gar nicht so hoch hängen. Die haben nur ein zentrales Thema, die Zuwanderung“, meint Michael Schwunk. Wichtig sei, die Zuwanderung zu steuern, dazu habe Christian Lindner in seinem Wirtschaftswende-Papier auch etwas vorgeschlagen. „Wenn wir das Problem lösen, erledigt sich die AfD, denn sonst hat die keinerlei Vorschläge.“
„Ich hoffe, dass diese Entwicklung nicht zum Nährboden für rechtsgerichtete Parteien wird oder Protestwähler animiert werden“, sagt Christina Bösken. Das Problem sei, dass die Ampel nicht immer den Willen des Volkes abgebildet habe, entscheidend sei, wie es nun in der nächsten Zeit weitergehe. Der Bruch sei nicht unerwartet gekommen. „Ich wünsche mir, dass sich auch etwas Positives aus dem Ampelbruch entwickeln kann.“
Darüber, dass die AfD durch das vorzeitige Ende der Bundeskoalition bei der nächsten Kommunalwahl Aufwind bekommt, macht Hans-Günther Adrian sich keine großen Sorgen: „Ich bin relativ zuversichtlich, dass die Bürger da zwischen Bund und Kommunen unterscheiden.“
Daniel Böhler ist kein großer Fan davon, darauf zu gucken, was die AfD macht. „Wir müssen auf uns schauen.“ Die FDP habe klare Vorschläge auf Bundesebene gemacht und werde für ihre Überzeugungen auch weiterhin einstehen. Letztendlich klafften die Vorschläge innerhalb der Koalition zu weit auseinander. „Ob die AfD daraus einen Vorteil ziehen kann, beziehe ich in meine Planungen gar nicht mit ein“, sagt Böhler. Es sei wichtig, die Unzufriedenheit der Menschen zu sehen und viele seien mit der Ampel-Regierung nicht glücklich gewesen. „Wir haben damit gezeigt: Wir haben verstanden.“