Schwelm. Die Amprion-Infoveranstaltung sorgte für Ärger unter den Bürgern. Lange Wartezeiten und kaum Antworten – das sagen die betroffenen Bürger.
Teilweise standen die Bürger, die sich bei der Infoveranstaltung von Amprion über das geplante Trassen-Projekt informieren wollten, mehr als eine Stunde lang vor dem Leo-Theater in Schwelm, um überhaupt Einlass zu bekommen. Nur, um im Inneren wieder anstehen zu müssen: Denn die 25 Mitarbeiter von Amprion waren ständig alle in Gesprächen. Teilweise stand ein ganzer Pulk an Zuhörern um die Info-Inseln herum, die Amprion eingerichtet hatte. Auch die Schautafeln waren ständig besetzt. Viele Besucher hatten Schwierigkeiten, auf den kleinen Maßstäben der Pläne und Luftbilder etwas zu erkennen. Das alles trübte die ohnehin schon angespannte Stimmung der Besucher gewaltig.
Norbert Schulte-Bausenhagen und seine Frau Silke hofften, bei der Veranstaltung Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Sie wohnen am Wildpark. „Wir liegen mitten in dem Korridor, sind so geschätzte 150 bis 200 Meter von der Leitung weg.“ Seine Frau und er befürchten gesundheitliche Auswirkungen und eine Geräuschbelästigung durch die neue, größere Leitung. „Das, was mir auch Sorge macht, ist der Verfall der Immobilie, was den Preis angeht“, so Schulte-Bausenhagen. Er sei 62 Jahre alt. Wenn er sich in ein paar Jahren aus Altersgründen zum Verkauf seiner Immobilie entscheiden sollte, „ist das Risiko verdammt hoch, dass ich nicht den Erlös erziele, den die Immobilie eigentlich wert ist“.
Er erwartete von dem Info-Abend, dass Amprion Fakten auf den Tisch lege. „Was mir fehlt, ist die Prüfung von sinnhaften Alternativen. Und das finde ich beschämend, denn da werden die günstigeren Kosten zu Lasten der Anlieger gemacht. Das treibt einem die Wut ins Gebälk.“
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Später am Abend trifft die Redaktion wieder auf Schulte-Bausenhagen. Sein Fazit zur Veranstaltung: „Ich komme mir vor, wie auf einer Schulmesse.“ Ihm fehlte es an konkreten Auswirkungen für den Einzelnen und einer vereinfachten Darstellung von Trassenalternativen. Wenn man sich die Fotomontagen der Bürgerinitiative zu den Dimensionen der neuen Trasse anschaue, sei das ein Albtraum. Von den Antworten, die er bisher bekommen hatte, war er nicht überzeugt: „Ich bin nicht schlauer, als vorher.“
Micha Driehorst kam mit seiner Frau Melanie und seinen Schwiegereltern zur Veranstaltung: „Wir sind in dem 400-Meter-Korridor, da wäre unser Haus drin. Dementsprechend hätten wir einen Wertverlust. Das ist unsere größte Sorge“, so Driehorst. Seine Frau Melanie ergänzt: „Wir haben uns auch der Bürgerinitiative angeschlossen. Wir hoffen, dass es etwas bringt und dass es das Ganze zum Stoppen bringt.“
Die Argumente von Amprion für den Bau der neuen Trasse kann das Ehepaar nicht nachvollziehen. „Es gibt mehrere Trassen, die genutzt werden könnten. Da muss die Trasse nicht gebaut werden“, sagte Micha Driehorst. „Das ist in meinen Augen nur Geldmacherei. Auf die Bürger wird keine Rücksicht genommen. Auch optisch ist das eine Verschandelung“, sagte Melanie Driehorst. Richtig Angst mache es Micha Driehorst zwar nicht, dass das Projekt vollzogen werden könnte. „Aber man fühlt sich so machtlos. Es sind zwar heute viele Leute hier, aber ob die das juckt? Das wird sich zeigen.“
„Es ist eine Frechheit.“
Marcus Haim wartete eine Stunde lang vor dem Eingang des Leo-Theaters, um sich informieren zu können: „Es ist eine Frechheit. Wenn man einlädt, sollte man auch für genügend Platz sorgen, um die Leute anzuhören. Man hat den Eindruck, dass man keine Fragen stellen soll. Gucken Sie sich mal um, wie voll es hier ist“, beschwerte sich der Schwelmer. Man habe gar keine Chance, seinen Unmut und seine Fragen loszuwerden. „Wir wohnen an der Trasse auf Schwelmer Gebiet. Ich befürchte eine Wertminderung der Immobilie und in erster Linie gesundheitliche Einschränkungen. Ich wollte gerne wissen, ob über Alternativen nachgedacht wird. Ich bin jetzt anderthalb Stunden hier und ich konnte noch keine Frage stellen.“ Haim hatte gehofft, dass Amprion den großen Raum anmietet und es eine Podiumsdiskussion gibt. „Alle sind überrascht über den Ablauf hier“, ärgerte er sich.
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Eine Teilnehmerin, die anonym bleiben will, wohnt am Ehrenberg. Sie hatte gehofft, überhaupt erst einmal richtig über das Bauprojekt aufgeklärt zu werden. „Ich habe da ganz ehrlich zu wenig Ahnung davon. Und ich bin ja hier, weil ich mich da schlaumachen wollte“, sagte die Frau, die ebenfalls lange draußen auf Einlass warten musste. Sich umfassend zu informieren, habe allerdings nicht gut geklappt. „Ich habe mir die Broschüren besorgt, die werde ich jetzt durchlesen“, kündigte die Frau an.
Viele Bürger standen lange an, um überhaupt mit einem Amprion-Mitarbeiter sprechen zu können. Viele berichteten, dass sie jedoch zum nächsten Stand weitergeschickt worden wären, weil der Mitarbeiter dort mehr zum jeweiligen Themengebiet sagen könne. Aufgrund der Menge an Menschen im Leo-Theater fiel es vielen Besuchern schwer, einen Überblick zu bekommen, wo welche Informationen zu bekommen sind. Nicht wenige gaben irgendwann entnervt auf.
Stadt denkt an eigene Podiumsdiskussion
Auch Bürgermeister Stephan Langhard zeigte sich verärgert: „Ich habe dem Vertreter der Firma Amprion mein Unverständnis mitgeteilt, wie man eine derartige Veranstaltung in dieser Art und Weise machen kann.“ Unter einer Informationsveranstaltung und unter Transparenz habe er sich etwas ganz anderes vorgestellt. „Ich bin davon ausgegangen, dass den Bürgern erklärt wird, was hier so passiert. Dass hier jeder seine Fragen mitbringen muss und dass einige die Dimensionen, die das Ganze annimmt, gar nicht erkennen können – das finde ich enttäuschend. Das ist kein fairer Umgang.“
Langhard kann sich vorstellen, dass die Stadt demnächst eine eigene Podiumsdiskussion mit einem Vertreter von Amprion organisiert, um die Bürger vollumfänglich zu informieren. Diejenigen, die nicht voll im Thema seien, seien am Montag nicht wirklich schlauer nach Hause gegangen.
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