Gevelsberg/Ennepetal/Schwelm. Düstere Zukunftsaussichten: Blumenhändler aus Gevelsberg und Schwelm finden keine Auszubildenden mehr. Was das für die Branche bedeutet.
Verschiedene Schnittblumen zu wunderschönen Sträußen zusammenstellen, sich Konzepte für Blumendekorationen anlässlich Hochzeiten oder Beerdigungen überlegen, Ware bestellen und im Laden präsentieren. Es sind nur einige Beispiele für den Arbeitsalltag eines Floristen. Als Schnittstelle zwischen Handwerk und Einzelhandel ist die Floristikbranche, wie viele andere in diesen Bereichen auch, in hohem Maße vom Fachkräftemangel betroffen. Auch bei uns im Ennepe-Ruhr-Kreis sieht die Lage dramatisch aus. Zwei Betriebe aus Gevelsberg und Schwelm berichten von Nachwuchsmangel und Zukunftssorgen.
Keine Auszubildenden weit und breit
Blumen Krause an der Barmer Straße in Schwelm ist ein Floristik- und Gärtnereibetrieb in vierter Generation. Axel Krause ist Friedhofsgärtnermeister und leitet das Geschäft zusammen mit seiner Frau Nicole Krause, ausgebildete Floristin. In beiden Berufen bilden sie auch aus – theoretisch zumindest. „Wenn wir denn jemanden finden“, sagt Axel Krause. Vor vier Jahren gab es zuletzt eine Auszubildende in seinem Betrieb, beendet hat sie die Ausbildung nicht. Schon zu dieser Zeit seien es im gesamten Jahrgang der Berufsschule in Wuppertal nur fünf Leute gewesen.
Auch über eine Kooperation mit der Caritas, die Menschen mit Einschränkungen einen Ausbildungsplatz vermittelt, ist seit Jahren niemand mehr dabei gewesen. „Es ist erschreckend“, sagt der 54-Jährige. „Suchen tut im Prinzip jeder.“ Wer gut ist, werde von seinem Ausbildungsbetrieb gehalten. Das, was man auf dem Arbeitsmarkt noch kriege, sei überwiegend ungelernt – und meistens auch unmotiviert. „Jemand, der nicht viel arbeiten möchte, ist in diesem Job, wie in allen Handwerksberufen, falsch.“
„Heute werden alle lieber Influencer.“
Eine kürzliche Tariferhöhung für das Ausbildungsgehalt von Floristen hält Axel Krause für einen Tropfen auf den heißen Stein. Es habe bisher keine Veränderung gezeigt und – so seine Vermutung – wird auch langfristig nichts bringen. Es sei schwer, bei jungen Leuten noch Motivation für diesen Beruf zu finden. „Heute werden alle lieber Influencer – gefühlt zumindest.“ Man habe seine Öffnungszeiten, bei ihm von 8 Uhr morgens bis 19 Uhr abends, wo der Betrieb laufen muss. Damit aber kein Angestellter elf Stunden im Laden steht, gibt es bei Blumen Krause eine Früh- und Spätschicht. Als Selbstständiger sehe die Lage da oft anders aus: „Man kommt vielleicht nicht immer als erster, aber man geht immer als letzter.“ Und man muss immer einspringen, wenn jemand ausfällt.
Ähnliche Probleme in Gevelsberg
Das kennt Familie Graefer aus Gevelsberg nur zu gut. Den Familienbetrieb Blumen Graefer an der Birkenstraße gibt es bereits seit 1934. Vor 24 Jahren übernahm Wilm Graefer zusammen mit seiner Frau das Geschäft von den Eltern. Auch bei ihnen ist der Nachwuchsmangel groß und das Personal knapp. „Wir sind mittlerweile so wenig Leute, das ist gar nicht mehr machbar“, erzählt der 54-jährige Gevelsberger in Bezug auf Früh- und Spätschicht. „Es ist ein Riesenproblem“, fasst er die Situation zusammen. „Jeder Blumenladen sucht händeringend Leute.“ Dadurch sei es ein absoluter Arbeitnehmermarkt geworden. Und auch bei den Auszubildenden sieht die Lage nicht besser aus. Lange Zeit haben sie überhaupt niemanden gefunden, die letzten Anläufe scheiterten aus verschiedenen Gründen.
Luisa Graefer, Wilm Graefers Tochter, hat 2022 ihre eigene Ausbildung zur Floristin abgeschlossen. Ihr Jahrgang startete in der Berufsschule mit 30 Auszubildenden, nur acht davon haben ihren Abschluss gemacht. „Das größte Problem, warum sich viele gar nicht erst bewerben, sehe ich bei den Öffnungszeiten“, sagt Luisa Graefer. „Man ist den ganzen Tag unterwegs, kommt relativ spät nach Hause, muss fast jeden Samstag arbeiten.“ Besonders junge Leute würden sich heute flexible Arbeitszeiten wünschen. „Ich habe das Gefühl, in den Schulen und von den Eltern wird auch sehr vermittelt, dass man lieber studieren sollte“, sieht sie noch einen weiteren möglichen Grund.
Kaum noch Meisterschulen
Mit Luisa Graefer ist die Nachfolge dieses Betriebes immerhin gesichert. Den geplanten Rückzug aus dem Geschäft in sechs Jahren haben ihre Eltern allerdings schon abgeschrieben. „Man kann das hier nicht alleine machen. Dafür braucht es Manpower“, sagt Wilm Graefer. Wenn sich die dramatische Lage zukünftig nicht verbessert, sehe er für sich und seine Frau „keine andere Chance, als 24/7 mit dabei zu bleiben, um unsere Tochter nicht im Regen stehenzulassen.“ Eigentlich will Luisa Graefer auch noch den Meister machen. Mittlerweile gibt es dafür wegen geringen Bedarfes nur noch drei Meisterschulen in ganz Deutschland. „Da gab es ein regelrechtes Massensterben“, so ihr Vater. Momentan seien sie aber personell gar nicht in der Lage, sie gehen zu lassen.
Dunkle Zukunftsaussichten
Die 23-Jährige versucht sich nicht verrückt zu machen, will die Zukunft nehmen, wie sie kommt: „Ich denke, die Branche wird sich komplett verändern.“ Luisa Graefer vermutet, dass man irgendwann vielleicht nur noch drei oder vier Tage die Woche den Laden offen hat, um an den anderen Tagen Sträuße vorzuproduzieren. Den Luxus, individuell auf Kundenwünsche einzugehen, wie es aktuell noch der Fall ist, werde man sich zukünftig nicht mehr leisten können.
„Die Branche wird sich komplett verändern.“
Trotz aller Schwierigkeiten liebt sie ihren Beruf, genau wie Axel Krause aus Schwelm. Für ihn ist es ein Traumjob: „Man muss kreativ sein, gut mit Leuten umgehen können. Es macht einfach Spaß.“ Ob er Angst um die Zukunft der Branche hat, die ihm so viel bedeutet? „Ja, schon ein bisschen“, gibt er zu. „Viele Betriebe wird es nicht mehr geben. Der Markt wird sich leeren.“