Schwelm. Fotomontagen zeigen gigantischen Dimensionen der geplanten Hochspannungsleitung, die quer durch Schwelm führen soll. Mehr Transparenz gefordert.

Wenn die beiden Bilder direkt nebeneinander liegen, werden die gigantischen Dimensionen der Pläne der Amprion GmbH deutlich. Sind die aktuellen Masten, an denen die Starkstromleitungen über die Schwelmer Dächer quer durch die Stadt geführt werden, schon optisch prägend, erscheinen sie im Vergleich zu den neuen Planungen völlig unbedeutend. Das Stadtbild wäre künftig vornehmlich von der Hochspannungstrasse geprägt. Mittlerweile haben sich auch Bundestagsabgeordnete die Lage vor Ort angesehen, Bürgermeister Stephan Langhard positioniert sich deutlich.

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„Bisher war die Christuskirche unser Wahrzeichen, das alles wird sich dann den beherrschenden Masten und Leitungen unterordnen. Das wirkt sich auch auf die Attraktivität unserer Stadt aus und auf unsere Bürgerschaft. Nicht zuletzt auch auf Firmen, die sich hier ansiedeln wollen und Beschäftigte suchen, für die es Wohnraum in der flächenkleinsten Gemeinde in NRW braucht“, formuliert das Stadtoberhaupt seine Befürchtungen, welch negative Auswirkungen die Trasse auf viele Bereiche des Schwelmer Lebens hätte, wenn sie in der Amprion-Planung realisiert werden würde.

Im Jahr 2022 teilte der Übertragungsnetzbetreiber der Stadt Schwelm mit, die bestehende 110kV-Hochspannungsleitung von Hattingen über Schwelm nach Wuppertal-Linde zur Höchstspannungsverbindung mit 380 kV ausbauen zu wollen. Das zu verhindern hat sich der Verein „Energievernunft Schwelm“ zum Ziel gesetzt, der zum Ortstermin neben dem Bürgermeister auch den heimischen Bundestagsabgeordneten Timo Schisanowski (SPD) und sein CDU-Pendant Jürgen Hardt eingeladen hat, der im Wuppertaler Teil der Trasse das Berliner Mandat hält.

Hochspannungsleitungen Amprion Planugn für Schwelm
Dre Bick auf die Christuskirche von der Barmer Straße aus, wie er sich mit der aktuellen Leitung gestaltet. © WP | Verein Energievernunft e. V.
Hochspannungsleitungen Amprion Planugn für Schwelm
Das gleiche Foto mit dem gigantischen 80 Meter hohen Mast der geplanten Höchstspannungstrasse. © WP | Verein Energievernunft e. V.

Vom Spielplatz am Parkplatz Oehde aus, den schon jetzt ein stattlicher Hochspannungsmast dominiert, steuerte die Gruppe unter Leitung des Vereinsvorsitzenden Dr. Harald Schloßmacher den Falkenweg an, von wo der Verlauf der Trasse bis in den Norden der Stadt gut überschaubar ist. Von der neuen Trasse wäre insbesondere Schwelms Westen betroffen; der nördliche Ortsteil Linderhausen müsste zudem ein mehrere Fußballfelder großes neues Umspannwerk verkraften. 

Angst vor Gesundheitsgefahren

Die Anwohner befürchten Gesundheitsgefahren durch drastisch erhöhte elektromagnetische Strahlung in dem dicht besiedelten Gebiet. Schon jetzt führt die Bestandsleitung, die zwar unter Spannung steht, aber nicht ständig Strom transportiert, im Wohngebiet an der Oehde über dichte Wohnbebauung und auch eine Kindertagesstätte. „Bekanntlich wird international seit Jahren über einen möglichen Zusammenhang zwischen Hochspannungsleitungen und dem Risiko für Menschen, an Leukämie zu erkranken, geforscht“, teilt der Verein mit. Während bei einer neuen Trasse der Abstand zu beiden Seiten der Wohnbebauung hin mindestens 400 Meter betragen muss, würde dies beim Aufrüsten in Schwelm nicht gelten.

„Die Strahlung in der Nähe einer Höchstspannungstrasse mit 380 kV würde in Schwelm Grenzwerte, wie sie in den Niederlanden und der Schweiz gelten, um das Zigfache übersteigen. Und wir schließen nicht aus, dass die Leitung in Spitzenzeiten auch mit höheren Spannungen betrieben wird - dies ist zulässig. In anderen Ländern nutzt man bis zu 720 kV“, teilt Energievernunft Schwelm mit.

Hochspannungsleitungen Amprion Planugn für Schwelm
So sieht der Steinhauser Berg mit der aktuellen Hochspannungsleitung aus. © WP | Verein Energievernunft e. V.
Hochspannungsleitungen Amprion Planugn für Schwelm
Diese Fotomontage zeigt das Stadtbild, wenn Amprion die Leitung durch das Wohngebiet zieht. © WP | Verein Energievernunft e. V.

Der Ausbau der Bestandstrasse braucht laut des mittlerweile mehr als 100 Mitglieder starken Vereins in Breite und Höhe doppelt so viel Raum wie bisher. Zum einen wären die neuen Masten bis zu 80 Meter hoch. Zum anderen benötigten die Fundamente, auf denen sie ruhen, weitaus mehr Fläche und Tiefe als bisher. Der Schutzstreifen wird breiter. Dadurch befürchten die Trassen-Gegner, dass die vorhandene Bebauung sowie freie Grundstücke immens an Wert verlieren. „Schon jetzt ist gutachterlich eine Wertminderung betroffener Grundstücke um bis zu 80 Prozent belegt. Dies käme einer Teilenteignung gleich“, macht der Vorstand deutlich.

Der Verein sieht eine moderne Infrastruktur für das Gelingen der Energiewende zwar als unausweichlich an, bezweifelt allerdings die Erforderlichkeit dieser neuen Höchstspannungsleitung. „Amprion hat in zwei früheren Fassungen des Netzentwicklungsplans eine bereits bestehende 380 kV Leitung über Essen nach Leverkusen-Opladen als mögliche Alternative genannt, letztlich aber verworfen, ohne dass die Gründe hierfür offengelegt wurden“, heißt es. Der Verein hofft, dass die Abgeordneten auf Amprion einwirken, hier mehr Transparenz zu schaffen.

Als Alternative sehen die Schwelmer Erdkabel an. Ein solches Kabel könnte zum Beispiel vom Schwelmer Stadtgebiet aus zum Umspannwerk „Zu den Dolinen“ laufen und weiter über die Dieselstraße und Jesinghausen zur Barmer Straße führen. Zudem wären extreme Wetterereignisse für Erdkabel anders als für Freileitungen keine Gefahr. Dass die von Amprion geplante Leitung nicht im Bundesnetzplan als Pilotprojekt für Erdkabel ausgewiesen ist, kann und sollte nach Auffassung des Vereins geändert werden. Die Schwelmer sähen zudem gern den Beschluss des Landes NRW zur Präferenz der Nutzung von Erdkabeln eingelöst.

Beide Politiker sicherten dem Verein ihre volle Unterstützung zu und zeigten sich beeindruckt von dem Fachwissen und der Klarheit, mit der die Schwelmer das Projekt kritisch begleiten.