Schwelm. Frank-Ingo Rinde war das Gesicht der Schwelmer Brauerei: Er verrät, wo das Kultgetränk, das Schwelmer Bernstein, seit der Schließung gebraut wird

Ein Hauch von Karamell, der goldene Schimmer und vor allem der milde, malzige Geschmack haben das Bernstein-Bier der Schwelmer Brauerei für viele zu etwas ganz Besonderem gemacht. „Es war eines unserer beliebtesten Biere, vor allem bei den Frauen kam es gut an“, sagt Frank-Ingo Rinde. Er war viele Jahre Verkaufsleiter der Brauerei und war dabei, als das Kultgetränk in den 90er Jahren erstmals gebraut wurde. Und er musste miterleben, wie die Schwelmer Brauerei geschlossen wurde. Was viele nicht wissen: Das Schwelmer Bernstein lebt noch immer, wenn auch unter einem anderen Namen: Fiege Bernstein.

Die Moritz-Fiege-Brauerei in Bochum sicherte sich nicht nur die Rechte am Bernstein, sondern auch die Rezeptur. Der Bochumer Familienbetrieb bestätigt auf Nachfrage dieser Redaktion, dass das Bernstein seit 2012 im Programm sei und aus der Insolvenzmasse die nationalen Markenrechte erworben wurden. Anschließend sei eine eigene Rezeptur entwickelt worden, „bei der wir uns jedoch in Bezug auf die Bierfarbe und den geschmacklichen Charakter an der Schwelmer Rezeptur orientiert haben. Wir wussten, dass diese in der Region Schwelm sehr geschätzt wurde. Durch zusätzliche Aromahopfen in der neuen Rezeptur konnten wir die Beliebtheit unserer bernsteinfarbenen Bierspezialität aus Schwelm seit 2012 in den Markt in Bochum und dem Ruhrgebiet übertragen“, teilt das Unternehmen mit.

Ein Werbeplakat der Schwelmer Brauerei für das Bernstein-Bier.
Ein Werbeplakat der Schwelmer Brauerei für das Bernstein-Bier. © WR | Joe Schöler

Frank-Ingo Rinde glaubt nicht, dass in Bochum so viel am Bernstein verändert wurde. „Bier besteht zu 95 Prozent aus Wasser“, sagt er. Da Bochum ein anderes Wasser habe als hier in Schwelm habe sich der Geschmack automatisch etwas geändert, das macht schon viel aus. Also musste Fiege etwas mit dem Hopfen anpassen. Der Geschmack komme aber schon sehr nah dran ans Original, sagt Frank-Ingo Rinde. Der Schwelmer ist gelernter Braumeister, weiß, was ein gutes Bier ausmacht. Es ist aber schon lange her, dass der Schwelmer zum Bochumer Bernstein griff. Er hatte nämlich immer einen anderen Favoriten - das Schwelmer Alt. „Das war mein Lieblings-Bier unserer Brauerei, süß und malzig. Da hätte ich mich reinlegen können“, sagt er und lacht und bedauert, dass dieses Bier nicht mehr zu haben ist. So wie all die anderen Biere, ausgenommen das Bernstein.

„Wir hatten für jeden Geschmack etwas, viele verschiedene Schwelmer Sorten gebraut, um uns auf dem Markt der vielen Anbieter zu behaupten. Leider hat es nicht geklappt.“ Das Aus im Jahr 2009, die Rettungsversuche, dann die Insolvenz. „2011, 2012 war alles endgültig vorbei, wir hatten bis zuletzt gehofft und nicht geglaubt, dass jetzt wirklich Ende ist.“ Nach mehr als 180 Jahren. Frank-Ingo Rinde musste dabei helfen, seinen eigenen Arbeitsplatz abzuwickeln. Er wurde zum letzten Gesicht der Brauerei Schwelm.

Frank-Ingo Rinde mit seiner Bernstein-Kappe.
Frank-Ingo Rinde mit seiner Bernstein-Kappe. © WP | Carmen Thomaschewski

Er sagt, schon sein Vater sei in der Schwelmer Brauerei beschäftigt gewesen. Frank-Ingo Rinde wollte eigentlich einen anderen Weg einschlagen, studierte Textilveredelung und suchte nur etwas, um sich in den Ferien, etwas dazuzuverdienen. „Mein Vater hatte was dagegen, dass ich in der Brauerei arbeiten wollte“, sagt der heute 71-Jährige. Nicht, dass er den Job nicht gut fand. Im Gegenteil, er liebte die Arbeit bei der Schwelmer Brauerei. Es ging ihm darum, dass nicht der Verdacht der Vetternwirtschaft aufkam. Kam es nicht.

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Der damalige Braumeister Helmut Henning war es, der Frank-Ingo Rinde ins Unternehmen brachte. „Ich hab Deine Lehre klargemacht, Du bleibst hier“, sagte er damals und duldete keinen Widerspruch. Der damals 20-Jährige schmiss das Studium und wurde Brauer und Mälzer. Frank-Ingo Rinde ist heute noch dankbar dafür. Er fand in Schwelm seinen Traumjob und sattelte noch ein Studium drauf, Brauwesen in Weihenstephan. Danach kehrte er nach Schwelm zurück und ging in den Außendienst für die Brauerei, später wurde er Verkaufsleiter.

Das Bernstein von Moritz Fiege ist nach dem Rezept des Schwelmer Bernsteins gebraut. Es wurde 2012 von der Bochumer Brauerei übernommen.
Das Bernstein von Moritz Fiege ist nach dem Rezept des Schwelmer Bernsteins gebraut. Es wurde 2012 von der Bochumer Brauerei übernommen. © WP | Carmen Thomaschewski

Auf dem Heimatfest, in Kneipen, das Schwelmer Bier war ein Renner, vor allem das Bernstein. Es wurden sogar ein Mr. und eine Mrs. Bernstein gekürt, Plakate waren überall zu sehen: „Vergesst Champagner“ und unten im Bild eine Flasche Bernstein. Frank-Ingo Rinde hat noch ein Foto, auf dem er eine Bernstein-Kappe trägt. Die gelbe Farbe kommt übrigens von der besonderen Malzmischung, erklärt der gelernte Braumeister. Es habe damals einige Braudurchgänge gegeben, bis die richtige Mischung gefunden wurde. 150 Hektoliter passten in einen Sudkessel. Und irgendwann hat das Bernstein die Geschmacksprüfung überstanden. So was gab es damals nicht. „Deutschlandweit schützen lassen konnten wir uns das Bernstein-Bier nicht, weil es den Namen schon in Süddeutschland gab, aber regional waren wir die einzigen. Das war eine tolle Zeit“, schwärmt Frank-Ingo Rinde.

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„Wir entwickelten immer wieder neue Marken und Ideen“, sagt der Schwelmer. Es ging darum, sich von anderen abzuheben. Das war zu einer Zeit, in der der Verkauf von Flaschenbier immer wichtiger wurde und damit auch der Konkurrenzkampf. So seien sie auf die Bügelflasche umgestiegen, die bald zum Markenzeichen wurde. Und so kam es zum Bernstein. Ein Nischenprodukt, das zum absoluten Renner wurde. Auch bei der Fiege-Brauerei ist das Bernstein beliebt und macht laut Auskunft des Unternehmens rund 6 Prozent vom Gesamtvolumen der Brauerei aus. Ein Bier, das auch heute noch besonders ist.