Schwelm. Die Welt ist zunehmend digital - die Telefonzelle und der Briefkasten haben aber auch in Schwelm noch lange nicht ausgedient.
Auf dem Bürgerplatz steht ein großes Paket, das vor kurzem noch mit einer roten Schleife geschmückt war. Darunter verborgen die Telefonzelle ohne Sprechgerät. Auf dem Briefkasten an der Barmer Straße, direkt in Höhe der Aral-Tankstelle prangt ein Schild mit der Aufschrift „Gesperrt“. Bei den Schwelmer mehren sich die Befürchtungen, dass die liebgewonnenen Service-Einrichtungen aus einer Zeit, in der Digitalisierung noch ein Fremdwort war, ausgedient haben und demontiert werden könnten. Wir haben bei Telekom und DHL - Deutscher Post nachgefragt, was an den Standorten geplant ist.
Briefkasten
Die Welt wird digital. Besonders die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig für die Menschen Computer, Internet und Smartphone sind, um miteinander in Kontakt zu bleiben. Doch auch über E-Mail und WhatsApp hinaus gibt es ein Leben. Nicht jeder Bürger lebt digital. Dazu gehören auch für die Schwelmer die gelben Briefkästen und Telefonzellen im Stadtgebiet. „Der Briefkasten wird benötigt, der nächste ist erst wieder am Rathaus an der Hauptstraße“, so eine ältere Leserin im Gespräch mit dieser Zeitung. Jessica Balleer von der DHL-Pressestelle in Düsseldorf gibt Entwarnung: „Der Briefkasten an der Barmer Straße wird nicht abgebaut, sondern ist seit einigen Tagen gesperrt, weil er beschädigt ist. Er wird so bald wie möglich durch einen neuen ersetzt, sobald unser Hersteller neue Briefkästen liefert.“ Im Schwelmer Stadtgebiet unterhält die Deutsche Post aktuell mehr als 20 Briefkästen. „Ein systematischer Abbau dieser ist weder geplant noch zulässig“, klärt die Öffentlichkeitsmitarbeiterin auf. Die Deutsche Post DHL sei an die Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) gebunden. Die besage in etwa, dass in zusammenhängend bebauten Wohngebieten der Weg zum Briefkasten 1000 Meter nicht überschreiten darf. Zur Dienstleistung Briefkästen sagt Jessica Balleer: „Briefkästen werden jeden Werktag geleert. An Sonn- und Feiertagen muss bedarfsgerecht geleert werden.“
Telefonzelle
Auch der Fernsprecher-Standort Bürgerplatz bleibt den Schwelmern erhalten. „Dieser Standort ist für einen Umbau in ein sogenanntes Basistelefon geplant“, klärt Pascal Kiel von der Deutschen Telekom auf. Das sind einfache Telefonanschlüsse an einer Stele, ohne Häuschen, die nur noch mit Telefonkarten oder Kreditkarten funktionieren – das bargeldlose Bezahlen soll vor Vandalismus schützen.
Diese Zeitung wollte auch wissen, wie viele öffentliche Fernsprecher die Telekom noch im Stadtgebiet vorhält. Das Unternehmen bleibt die Antwort schuldig. „Die Telekom hält keine regionalen Daten mehr für die externe Kommunikation vor. Sollte die Telekom in ihrem Verbreitungsgebiet einen Abbau von Telefonzellen planen, wird dies in Abstimmung mit dem jeweiligen Standortvertragspartner, in der Regel sind das Kommunen, vorgenommen“, sagt Pascal Kiel, und nennt alternativ die bundesweiten Zahlen.
Zum Stand 31. Dezember 2020 waren in ganz Deutschland noch ca. 14.500 öffentliche Telefone in Betrieb. „Grundsätzlich passen wir unseren Bestand an Telefonstellen fortlaufend dem Bedarf bei den Bürgern an. Der Unterhalt einer Telefonstelle kostet Geld, u.a. für Strom, Standortmiete, Wartung oder Beseitigung von Schäden durch Vandalismus.“ Die Telekom spricht allein von Vandalismusschäden von ca. eine Million Euro pro Jahr bundesweit. Auch stillgelegte und noch nicht abgebaute Telefonstellen könnten aus den oben genannten Gründen weiter Kosten verursachen.
Mit der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat die Telekom eine Vereinbarung geschlossen, die den Abbau von Telefonzellen regelt. Ausschlaggebender Faktor ist die Wirtschaftlichkeit. Wenn in einer Telefonzelle der Umsatz auf unter 50 Euro im Monat sinkt, ist der Standort gefährdet.
„Der rückläufige Umsatz ist ein klares Indiz dafür, dass der Wunsch nach einer Grundversorgung mit öffentlichen Telefonstellen der Bevölkerung an dieser Stelle offensichtlich nicht mehr besteht. Der Kunde ist die wesentliche Entscheidungsinstanz hinsichtlich des Angebots an öffentlichen Telefonen“, so Pascal Kiel. In aller Regel stimmten die Kommunen einem Abbau aufgrund fehlender Nachfrage zu. „Sollte es – in Ausnahmefällen – zu keinem Konsens bezüglich eines bestimmten Standorts kommen, tauschen wir das vorhandene öffentliche Telefon gegen ein deutlich günstigeres Basistelefon“, sagt der Telekom-Mitarbeiter. Dort könne man – ausgenommen der Notruf – „nur“ noch mit dem Calling-Service (0800-Call) telefonieren. Pascal Kiel zieht folgendes Fazit: „Allein der Kunde entscheidet durch sein Nutzungsverhalten selbst darüber, wo und in welcher Anzahl öffentliche Telefone zur Verfügung stehen. Überall dort, wo es auch wirtschaftlich Sinn macht, bleiben öffentliche Telefone der Telekom auch in Betrieb, z.B. an Bahnhöfen, Flughäfen oder Messegeländen.
Wissenswertes rund ums Telefon
Als „heimlicher Erfinder“ des Telefons gilt Philipp Reis. Der deutsche Physiker bastelte bereits 1861 eine Vorrichtung zur elektrischen Tonübertragung. Als eine Art Trommelfell diente ihm damals noch ein Stück Wursthaut, das Gehörknöchelchen baute er mit einem feinen Metallstreifen nach. Erst lange, nachdem Graham Bell 1876 sein Patent angemeldet hatte, stellte sich heraus, dass auch Reis’ Erfindung ein sehr gut gesprochenes Wort übermitteln konnte.
Neben Reis und Bell gibt es noch weitere Forscher, die Ende des 19. Jahrhunderts zur Entwicklung des Telefons beigetragen haben. Bis heute diskutieren Experten, wer das Telefon denn nun tatsächlich erfunden hat.
Am 12. Januar 1881 wurde in Berlin das erste öffentliche Telefonnetz in Betrieb genommen. Im April desselben Jahres gab es schon die ersten öffentlichen Fernsprecher, die in Postämtern untergebracht waren. Im Jahr 1899 wurden dann die ersten Münzfernsprecher in Betrieb genommen.
Die ersten Telefonzellen kamen in den 1920er Jahren auf. Neben der Bezeichnung „Fernsprechkiosk“ gab es damals auch die Namen „Fernsprechzelle“, „Fernsprechpavillon“ oder „Straßensprechstelle“. 1927 wurde die Bezeichnung „Fernsprechhäuschen“ amtlich festgelegt – in der Alltagssprache durchgesetzt hat sich aber die „Telefonzelle“.
1932 wurde per Dienstanweisung die Farbe der Telefonzellen vorgegeben: Demnach mussten die Häuschen in den Farben der Deutschen Reichspost gelb und blau angestrichen sein. Rein gelb wurden sie erst ab der Nachkriegszeit. Seit der Gründung der Deutschen Telekom 1992 wurden immer mehr gelbe Häuschen durch Kommunikationsterminals in den Unternehmensfarben Grau und Magenta ersetzt.