Ennepetal/Schwelm. Landrat Olaf Schade erinnert biw-Chef Ralf Stoffels an Versprechen. Der legt dar, was in Ennepetal zur Vermeidung von PCB bereits passiert ist.

Das Thema ist hochbrisant, beherrschte vor der Pandemie die öffentliche Diskussion. Dementsprechend schlug die Meldung des Ennepe-Ruhr-Kreises vom Mittwoch ein wie eine Bombe, sorgte für Ärger an vielen Stellen. Tenor: In der zweiten Jahreshälfte haben die Luftmessungen in der Nähe der Firma biw wieder erhöhte PCB-Werte ergeben. Landrat Olaf Schade zieht in Zweifel, ob Firmeninhaber Ralf Stoffels, sein Versprechen, bis Ende 2020 keinerlei PCB mehr zu emittieren, hält. Der wehrt sich gegen die Vorwürfe und legt dar, dass er alles in seiner Macht stehende getan habe, um den PCB-Ausstoß komplett zu eliminieren.

Die Datenbasis

Im Februar 2020 hatte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in der Nähe des Unternehmens sowie am Südrand des Wohngebiets Büttenberg zwei Luft-Messstellen errichtet. Im Fokus der Untersuchungen standen und stehen dabei insbesondere die für die Silikonproduktion typischen PCB-Kongenere 47, 51 und 68, die bei der Verwendung eines chlorhaltigen Vernetzers entstehen.

Für die Kreisverwaltung liefern die für 2020 vollständig vorliegenden Berichte folgende Erkenntnisse: Zu Beginn der Messungen – in den Monaten Februar bis Mai – gab es an beiden Messpunkten Monat für Monat Belastungsrückgänge. Dieser Trend endete im Juni.

In Zahlen: Während in Firmennähe im Mai 0,75 Nanogramm PCB 47, 51 und 68 pro Kubikmeter Luft gefunden wurden, lautete der Spitzenwert in den Folgemonaten 4,3 (Oktober). Am Büttenberg lag der Mai-Wert bei 0,067. Im Sommer stiegen die Ergebnisse bei Südwestwind bis auf 0,36. Wind aus vornehmlich südlicher Richtung führte dann in November und Dezember zu 0,7 und 1,2 Nanogramm.

Die seit Juni wieder gestiegene Belastung dokumentieren auch die Durchschnittswerte für die Monate Februar bis Mai beziehungsweise Juni bis Dezember. In Firmennähe lauten diese 2,26 (Februar bis Mai) gegenüber 2,9 (Juni bis Dezember) und am Büttenberg 0,24 gegenüber 0,5.

Für die PCB-Konzentration in der Außenluft gibt es weder Grenzwerte noch allgemein akzeptierte Beurteilungswerte, was mögliche gesundheitliche Gefahren angeht. Gleichwohl hieß es in der Vergangenheit stets, dass die PCB-Konzentration in der Atemluft keine gesundheitliche Gefahr darstelle, weil der Körper PCB zu 90 Prozent über die Nahrung aufnehme. Um die Belastung des Bodens zu testen, wurden an mehreren Stellen Grünkohlmessstationen errichtet. Hier allerdings liegen noch keine Ergebnisse vor. Aktuell wartet man noch auf die Auswertung der Ernte im vergangenen September. Die vorangegangenen Ernten hatten eine deutliche Abnahme der PCB-Konzentration gezeigt.

Die Schlussfolgerungen

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Wegen der Durchschnittswerte der Luftproben im vierten Quartal 2020 geht die Kreisverwaltung davon aus, dass die Firma biw nicht, wie von Stoffels versprochen, auf eine Null-Emission zum Jahresende heruntergegangen ist. Gleichwohl macht Landrat Olaf Schade aber auch deutlich: „Der Einsatz des chlorhaltigen Vernetzers, der in den Produktionsabläufen PCB 47, 51 und 68 entstehen lässt, ist nach wie vor nicht verboten, das Unternehmen macht also nichts Illegales. Erfreulich ist zudem, dass der Austritt von PCB-haltigen Flocken inzwischen nachhaltig unterbunden werden konnte“, wie es in der Mitteilung der Verwaltung heißt.

Die Maßnahmen bei biw

Ralf Stoffels ist verärgert über die öffentliche Mitteilung des Kreises, sieht er sich doch voll im Soll und hat aus seiner Sicht alles ihm Mögliche getan, um die PCB-Entstehung und den Ausstoß zu eliminieren. Von Beginn an war klar, dass von tausenden Kunden und hunderttausenden Artikel zwei Sparten bleiben, in denen eine Umstellung auf chlorfreie Vernetzer nicht einfach werden würde, weil es in der Anwendung um „Leib und Leben“ geht und Freigabeprozesse entsprechend langwierig abgesichert werden muss. Das sind automotive Sicherheitssysteme sowie medizintechnische Schlauchsysteme in Dialyse- und Beatmungsgeräten.

„In einem Kraftakt ist es uns über ein beschleunigtes Freigabeverfahren gelungen, mit weltweit allen Automobilproduzenten Vereinbarungen über Produkte mit chlorfreiem Vernetzer zu bekommen.“ Im medizinischen Bereich seien Freigaben für Neuentwicklungen nicht in derart kurzer Zeit möglich. Als sich bis Jahresende keine Lösung abzeichnete, habe biw die Verträge aufgekündigt, sei aber bis zu deren Auslaufen noch zur weiteren Produktion verpflichtet. Der Kreis und alle übergeordneten Behörden seien darüber unterrichtet, die Produktion dieser Artikel erkläre auch die höheren Werte im Herbst.

Die Freigabe der chlorfrei vernetzten Schläuche im Medizinsektor ist von 2025 auf 2022 vorgezogen. „Wenn der Kreis dem zustimmen würde – der Antrag liegt vor – würde die nicht konstante Produktion dieser Schlauchsysteme ausgelagert und ab 1. April unter der strengen gesetzlichen Vorgabe unabhängig von der dann vollständig umgestellten biw-Produktion erfolgen und entweder unter die Geringfügigkeitsgrenze des Gesetzes fallen oder der ständigen Überwachungspflicht durch den Kreis unterworfen“, zeichnet Stoffels eine Perspektive, die Versorgung mit diesen Produkten zu gewährleisten und dennoch dem Gesundheitsschutz genüge zu tun.