Schwelm. Was Ennepetal und Gevelsberg nicht „können“, in Schwelm aber seit Jahren passiert: So werden die Bürger in der Kreisstadt finanziell entlastet.
„Alles wird teurer!“ Dieser schnell gesagte Satz trifft auf die Gebührenberechnung der Technischen Betrieb Schwelm (TBS) so einfach nicht zu. Auf seiner Sitzung am Dienstag ab 17 Uhr im Ratssaal an der Hauptstraße 14 wird sich der Verwaltungsrat mit einer Vorlage befassen, in der vorgeschlagen wird, ab dem Jahr 2022 den kalkulatorischen Zinssatz von 4,25 auf 3,75 Prozent zu senken. Im Ergebnis nehmen die TBS dadurch knapp 300.000 Euro weniger ein, der Musterhaushalt in Schwelm (200 m³ Wasserverbrauch, 130 m² versiegelte Fläche) wird im kommenden Jahr für die Entwässerung 24,50 Euro weniger bezahlen.
Die Kommunen finanzieren ihr Abwassernetz mittels langfristiger Darlehen. Auf den Darlehnszins wird noch ein gewisser Betrag aufgeschlagen, mit dem die Städte ihr eigenes eingesetztes Kapital verzinsen. Übrig bleibt ein gewisser Zinssatz, der über die Abwassergebühren und somit die Bürger refinanziert wird.
Der angesetzt Zins ist immer höher als der tatsächlich von den TBS gezahlte. Für die Städte ist das ein gutes Geschäft. Über die dadurch erzielten höheren Einnahmen werden die Haushalte auf elegante Art und Weise ohne großes Aufhebens quersubventioniert.
Haushalte werden quersubventioniert
Manche Städte reizen den kalkulatorischen Zinssatz zum Anschlag aus, Schwelm ist da seit Jahren moderater unterwegs. „Als ich 2004 bei den TBS angefangen habe, lag der kalkulatorische Zinssatz in Schwelm noch über 6 Prozent“, erinnert sich Geschäftsführerin Ute Bolte. Mit sinkendem Kapitalmarktzins ist diese Rechnungsgröße kontinuierlich nach unten angepasst worden. Bis 2017 lag der Zinssatz bei 5,25 Prozent, für 2018 wurde ein Zinssatz von 4,75 Prozent beschlossen. Die letzte Anpassung erfolgte für 2019 auf 4,25 Prozent. Zur objektiven Betrachtung gehört aber auch, dass die Zinsüberschüsse in Schwelm durch zu hoch angesetzte kalkulatorische Zinsen von 776.000 Euro (37 Prozent überzahlt) im Jahr 2010 auf 1,88 Mio. Euro (284 Prozent) in 2020 angewachsen sind.
In der Verwaltungsvorlage ist zu lesen: „Die Ermittlung eines durchschnittlichen Zinssatzes auf Basis der Restnutzungsdauern des Kanalvermögens in Kombination mit den Abzinsungszinssätzen gem. § 253 Abs. 2 HGB der Bundesbank für die verschiedenen Laufzeiten ergab einen vertretbaren Zinssatz von 2,50 bis 2,75 %.“ Die TBS bezahlen durchschnittlich 1,83 Prozent Zinsen. In der Kalkulation 2021 wird ein Wert von knapp 60 Mio. Euro verzinst. Beim aktuellen Zinssatz von 4,25 Prozent werden gut 2,5 Mio. Euro kalkulatorische Zinsen in der Gebührenbedarfsberechnung berücksichtigt. Die Ergebnisauswirkung pro 0,25 Prozentpunkte beträgt knapp 150.000 Euro. „Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf das Ergebnis 2020, das die Erwartungen erneut übertroffen hat, hält der Vorstand eine Senkung des kalkulatorischen Zinssatzes für angebracht“, so Ute Bolte. Damit ist noch Spielraum für weitere Zinssenkungen in den kommenden Jahren – vorausgesetzt, die Zinsen auf dem Kapitalmarkt bleiben niedrig. Ende 2020 haben die TBS ein Darlehen, fest für 30 Jahre, über 7 Mio. Euro aufgenommen. Der vereinbarte Zinssatz: 1,28 Prozent.
Den kalkulatorischen Zinssatz zur Refinanzierung des kommunalen Abwassernetzes legt jede Kommune für sich fest. In Ennepetal und Gevelsberg verharrt dieser Satz schon seit Jahren bei 5 Prozent. Nach der aktuellen Rechtsprechung ist in NRW für das Jahr 2021 ein Zinssatz von 5,42 Prozent zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 0,5 Prozent zulässig. Der Bund der Steuerzahler NRW hält ihn für überhöht und unterstützt deshalb einen Musterprozess vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster.