Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. In der Corona-Zeit haben die Menschen auch in Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm den Reiz der Natur wiederentdeckt. Die Wanderwege sind oft voll.
Reisen schlecht möglich, Fitnessstudios dicht und langweilige Abende nur auf dem Sofa: Die Menschen haben im Lockdown das Grün vor ihrer Haustür wiederentdeckt, das frühlingshafte Wetter treibt sie nun nach draußen. Die ersten trockenen Sonntage in diesem Jahr gaben einen Vorgeschmack auf das, was uns am Osterwochenende und danach erwartet: Gut bevölkerte Wanderwege und immer wieder Szenen, bei denen der Mindestabstand nur schwer eingehalten werden kann. Sollte man in Corona-Zeiten besser darauf verzichten?
Die Pandemie schafft, wovon Klimaaktivisten, Gesundheitspäpste und Wandervereine lange träumten. In Verbote und Gebote im Alltag gezwängt wird die Natur vorm Haus für die Menschen zum Sehnsuchtsort. Die Fahrradtour ersetzt die Fernreise, der Spaziergang die fehlenden Schritte in Homeoffice-Zeiten, die Jogging-Runde den Sport, der momentan nicht stattfinden darf. Gehen, Radfahren oder Laufen heißt die neue Lust am Leben. Das Auto bleibt zuhause.
Das alles wäre wunderbar – wenn nicht gerade Corona wäre. Passen die Szenen, wie sie sich beispielsweise bei strahlendem Wetter am vorletzten Sonntag im Februar auf den heimischen Wald- und Wanderwegen abspielten und die sich in den kommenden Wochen mit Sicherheit wiederholen, noch zu den Regeln, die nun mal gelten, damit das Virus nicht weiter Kreise zieht? Zumal mit der britischen Mutation B.1.1. eine Variante im Umlauf ist, die noch ansteckender und gefährlicher ist, auch für Kinder.
Zahl der Waldbesucher durch Corona verdreifacht
Zu Zeiten von Corona und Lockdown hat sich die Zahl der Waldbesucher deutlich erhöht, „nämlich um das Dreifache“ sagt Peter Bergen, Leiter des Regionalforstamtes Ruhrgebiet. „Unser Wald wird zum Treffpunkt.“ Gerade über die Ostertage werde wieder eine hohe Besucheranzahl in den heimischen Wäldern erwartet, so Bergen
Ob am Ehrenberg in Schwelm, an der Hasper Talsperre in Ennepetal oder in und rund ums Stefansbachtal bzw. am Rochholz in Gevelsberg. An jenem frühlingshaften Sonntag Ende Februar, der uns einen Vorgeschmack auf die kommenden Monate gab, waren es überall die gleichen Szenen. Fußgänger, Radfahrer und Jogger teilten sich die schmalen Wege, schritten, rollten und hasteten aneinander vorbei. Einem Schwelmer war das zuviel. Als er die Völkerwanderung aus der Ferne erblickte, machte er kehrt.
Eine Leserin zählte 70 Fahrzeuge auf dem Parkplatz an der Heilenbecker Talsperre. Viele mit auswärtigen Kennzeichen, wie auch die, die rund um den Ehrenberg in Schwelm und Wuppertal standen. Dass der aktuelle Ausflugsverkehr in Corona-Zeiten rein CO2-frei unterwegs ist, stimmt also nicht.
Wenn es eng wird auf den Wegen
1,50 Meter Abstand halten, lautet die Regel. Daran hielten sich die allermeisten, selbst wenn sie Bekannten begegneten und zum Plausch kurz stehen blieben. Die nachfolgenden Spaziergänger mussten allerdings an ihnen vorbei oder zwischen ihnen hindurch. Nähe wird da schnell zu einem Begriff, der sich in Corona-Zeiten zu eng anfühlt. Immer wieder zu beobachten waren unsichere Blicke und zögerliche Schritte von Passanten, wenn es an einer Stelle eng und drubbelig wurde. Und das wurde es oft. Gerade auf den beliebten Strecken.
Auch dies war zu sehen: Drei junge Familien, die mit ihren Kindern eine Radtour unternahmen und am Wegesrand einen Stopp einlegten. Die Räder waren seitlich des Weges abgestellt, damit er für andere frei passierbar bleibt. Auch die Eltern hatten sich zum Quatschen abseits hingestellt, um keinen in die Quere zu kommen. Sehr rücksichtsvoll.
Mit dem Abstand untereinander hatten sie es allerdings nicht so. Und Masken trugen sie auch keine, wie auch ihre Kinder im Grundschulalter nicht, die auf dem Weg zwischen all den Spaziergängern und Joggern herumflitzten und spielten.
Wäre nicht Corona, wäre das nur schön. In Pandemiezeiten stellt sich aber die Frage: Wo hat die Verantwortung ihre Grenzen, wo fängt Verantwortungslosigkeit an? Oder anders gefragt: Wie riskant ist der Spaziergang an der frischen Luft, wenn die Wege bevölkert sind?
Jemand, der das einzuschätzen weiß, ist Dr. med. Ulrich Müschenborn. Er ist Chefarzt der Medizinischen Klinik I und Ärztlicher Direktor am Helios-Klinikum Schwelm. Er rät: Auch draußen an die Gesundheit denken. „Es ist unbedingt notwendig, die Sicherheitsmaßnahmen auch bei schönen Wetter einzuhalten, zum Schutz der eigenen wie der Gesundheit anderer. Das Frühlingswetter lässt sich auch genießen, ohne die Corona-Regeln zu brechen.“
Menschenansammlungen sind aus Sicht des Mediziners dabei unbedingt zu meiden. „Bewegung an der frischen Luft tut uns allen gut und ist gesund, jedoch sollten alle Spaziergänger und Sportler Hotspots meiden. Es ist wieder ein Frühling auf Abstand, der mindestens 1,5 Meter beträgt.“
Grundsätzlich gilt: Die Hygienemaßnahmen (konsequentes Händewaschen, die Maskenpflicht wenn vorgeschrieben und Husten und Niesen in die Armbeuge) und die Beschränkungen der Kontakte sind einzuhalten. „Auch wer sich beim Spaziergang zufällig begegnet, sollte auf ausgiebige Gespräche verzichten“, rät Dr. med. Ulrich Müschenborn eindringlich.
Es sei nachgewiesen, dass das Coronavirus von Mensch zu Mensch übertragen wird und die Tröpfcheninfektion der Hauptübertragungsweg ist. Darüber hinaus ist eine Übertragung durch Schmierinfektion und Aerosole, das heißt, in der Luft schwebende Tröpfchenkerne, möglich. Diese werden beim normalen Sprechen, beim lauten Lachen oder Singen freigesetzt.
„Daher bleibt es zwingend notwendig, drinnen und draußen Abstand zu halten“, so der Chefarzt und weiter: „Die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Infektionen greifen nur, wenn wir auch jetzt durchhalten und uns alle daran halten. Es ist durchaus möglich, dass Personen erkrankt sind, ohne dass sie selbst Symptome haben. Dies hat zur Folge, dass sie unwissentlich andere Menschen infizieren können.“
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