Schwelm. Das Leben in der Schrebergartenanlage hat sich seit Corona verändert. Der Verein der Gartenfreunde Schwelm blickt auf 75 Jahre Erfahrung zurück.
Der Verein der Gartenfreunde zeigt nicht nur Herz für Tiere. Nach Aufbau mehrerer Insektenhotels, bekommen nun die Vögel Nistkästen. Darüber freuen sich Besucher und Mitglieder. Denn in der Corona-Pandemie stehen Schrebergärten wieder ganz oben auf der Wunschliste der Menschen.
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Mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz (AGU) und des Märkischen Gymnasiums Schwelm haben die Gartenliebhaber zwölf Nistkästen aufgehängt. AGU-Mitglied Michael Treimer ist zuversichtlich, dass die neuen Behausungen für die gefiederten Gesellen nicht lange leer stehen werden. Die Aktion geht auf eine Initiative der Kleingärtner zurück. „Der Verein hat gefragt: Könnt ihr uns unterstützen? Wir haben dann die Bausätze für die Nistkästen vom NABU, dem Naturschutzbund Deutschland, besorgt und mit den Schülern zusammengebaut“, so Michael Treimer. Weder Wind noch Regen scheuend, hat der Projektkurs Biologie von Lehrer Alexander Schäfer die Nistkästen in über zwei Metern Höhe an Bäumen längs der Graslake aufgehängt – zur Morgensonne hin ausgerichtet. Bewohnt werden die neuen „Vogelnester“ künftig von Singvögeln wie Kohlmeisen, Blaumeisen, Stieglitz oder Finken. „Spatzen und Rotkehlchen nicht, die lieber Hecken“, weiß der 75-jährige Umwelt-Experte zu berichten. Gerade in der Winterzeit seien die Vögel ziemlich agil und permanent auf Nahrungssuche. „Wenn sie neue Wohnungen sehen, besetzen sie sie gerne und übernachten bei großer Kälte auch dort. Mit den ersten Sonnenstrahlen Ende Februar, Anfang März gehen dann die Revierkämpfe los und dann entscheidet sich, wer wo einzieht“, sagt Treimer.
Erster Verein in Schwelm
Kleingartenanlagen in Stadtgebieten sind gern genutzte Rückzugsorte für Mensch und Tier. Nicht nur Eichhörnchen huschen in direkter Nachbarschaft zur Seniorenresidenz Am Ochsenkamp über die Anlage, selbst ein Waschbär soll hier schon gesehen worden sein. Für die Gartenfreunde ist die Aktion ein kleiner Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. „Wenn die neuen Eigentumswohnungen für die gefiederten Freunde im Frühjahr angenommen werden, kann ich mir vorstellen, dass wir weitere Nistkästen aufhängen“, sagt Vorsitzender Roland Bald.
Der Verein der Gartenfreunde ist der älteste der vier Kleingartenvereine im Schwelm. Im kommenden Jahr wird er 75 Jahre alt. Auf der Jahreshauptversammlung am 28. Januar wird Vorsitzender Roland Bald mit den Mitgliedern besprechen, ob und wie das Jubiläum gefeiert werden soll. Corona wird wohl, wie in vielen Lebensbereichen auch, da die Vorgaben liefern. Die zwei Traditionsveranstaltungen des Vereins, das Osterfeuer und das Kuchenfest, mussten in den vergangenen Monaten bereits wegen der Pandemie abgesagt werden.
Dennoch ist der Kleingartenverein verhältnismäßig gut durch die zurückliegenden Monate gekommen. Das Vereinshaus darf wieder vermietet werden – eine wichtige Einnahmequelle für die Hobby-Gärtner. Vor allen Dingen aber ist die eigene Parzelle Grünland gefragt wie selten zuvor. 102 Gärten gibt es auf dem Grundstück zwischen Ochsenkamp und Graslake. „Alle sind vermietet. Elf Interessenten stehen auf unserer Warteliste“, sagt Roland Bald und zeigt auf einen Zettel, der an der Pinnwand im Büro am Vereinsheim hängt. Corona hat auch da das Geschehen verändert. „Der Pächterwechsel ist weniger geworden. Wer einmal einen Garten hat, der behält ihn auch. Die Leute durften im Lockdown ja nirgendwo mehr hin, Verreisen war nicht möglich“, so Bald.
Die Vielfalt unter den Hobbygärtnern hat zugelegt. Der Schrebergarten ist längst nicht mehr fest in deutscher Hand. Bei den ausländischen Mitbürgern steht das Stück Garten im Grünen hoch im Kurs. Familien mit Kindern bestimmen das Bild. „70 Prozent unserer Mitglieder haben einen Migrationshintergrund. Die Pächter kommen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion, der Türkei und Griechenland“, so der Vorsitzende.
Spiegelbild der Gesellschaft
Der Schrebergarten als Spiegelbild der Gesellschaft. Das Leben in der Gartenanlage habe sich gewandelt, hat Roland Bald festgestellt. Und das liege nicht nur am hohen Anteil der Migranten. Auch unter den Kleingärtnern mit deutschem Pass zählten Zusammenhalt und Nachbarschaftshilfe über den Zaun hinweg nicht mehr so wie in früheren Jahren. Gelebt wird in der Parzelle, die Gartenhecke um die Parzelle herum ist der Schutzwall. „Viele sind heute lieber gerne für sich allein, das ist ein Zeittrend“, sagt der Vorsitzende. Leben und leben lassen, das Zusammenleben der verschiedenen Nationalitäten funktioniert dennoch an der Graslake. „Streitigkeiten haben wir, Gott sei Dank, keine. Manchmal müssen wir Mitglieder daran erinnern, dass sie ihre Pflichtarbeiten machen. Aber das passiert auch bei deutschen Kleingärtnern“, sagt Roland Bald und meint damit das Kleingartengesetz, das vorschreibe, dass ein Drittel der Gartenfläche für den Anbau von Nutzpflanzen zu nutzen ist. Da sprießen dann Tomaten neben Kartoffeln, Salat oder anderem Gemüse.
Billiges Vergnügen
Das Hobby Kleingarten ist übrigens ein günstiges Vergnügen, das sich jeder leisten kann. Gerade acht Cent pro Quadratmeter und Monat müssen die Gartenfreunde an Pacht zahlen. Hinzukommt der Jahresbeitrag für den Verein von rund 117 Euro inklusive Ehegattenbeitrag. Darüber hinaus muss die Anlage in Schuss gehalten werden. Arbeit gibt es genug. Im kommenden Jahr will der Verein das Wegenetz sanieren, die maroden Schaukästen an den fünf Eingängen zur Anlage erneuern und die Bepflanzung am Zugang zur Blücherstraße ergänzen.
Beim Verein der Gartenfreunde deutet sich übrigens ein Wachwechsel an. Im kommenden Jahr ist Roland Bald 30 Jahre lang als Vorsitzender in Amt und Würden. Im kommenden Jahr will der 73-Jährige aufhören. Auf der Jahreshauptversammlung im September hat er seinen Gartenfreunden bereits den Rücktritt aus dem Amt angekündigt. Ein Nachfolger muss gefunden werden.
Roland Bald ist quasi auf der Parzelle groß geworden. Seine Eltern hatten dort einen Garten, auch die Eltern seiner Frau Marianne. Der besagte Grüne Daumen fehle ihm aber. „Ich bin eher der Mann fürs Grobe, meine Frau ist für die Feinheiten zuständig“, sagt Roland Bald mit einem Lächeln im Gesicht.
Die Gartenanlage steht auf einstigen Fettweide einer Kornbrennerei
Der Schrebergarten als ein Stück Normalität nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs: Das war der Wunsch vieler Schwelmer, die sich im Sommer 1947 trafen und nach den Jahren der Entbehrung ein Stück Grabeland bewirtschaften wollten. Auf der Internetseite www.gartenfreunde-schwelm.de findet sich ein kurzer Abriss der Vereinsgeschichte. Ein Auszug.
„Nach Gesprächen mit der Stadt Schwelm wurde am 1. August 1947 der Verein der Gartenfreunde gegründet. Auf der ehemaligen Fettweide einer Kornbrennerei, wurden auf 60.000 qm die Gärten in einer Größe von ca. 400 qm parzelliert. Es wurden Wege, Blumenbeete und Rasenflächen angelegt. Nach Genehmigung der Stadt konnten die Gartenfreunde ihre Lauben bauen. Auch wurde jeder Garten mit einem eigenen Wasseranschluss versehen. All diese Arbeiten wurden natürlich in Gemeinschaftsarbeit erledigt.
Die ersten Jahreshauptversammlungen und Feiern wie Erntedank und Weihnachtsfeiern wurden im nahen Kolpinghaus durchgeführt.
Im Jahr 1950 wurde der erste Abschnitt des eigenen Vereinsheims in vielen Stunden Eigenleistung fertig gestellt. Durch eine Erweiterung im Jahr 1957 erhielt das Vereinsheim seine charakteristische Rundung. Ein dritter Bauabschnitt im Jahr 1971 stellte dann den Grundriss her, wie er noch heute existiert.
Heute bietet die Anlage acht Bienenstöcke, Vogelschutzgehölz, Fest- und Spielwiese, Kinderspielplatz, naturnahen Gehölzstreifen und mit vielen Ruhebänken Raum für Erholung.