Schwelm.. Obeida Al Khanous fühlt sich in seiner neuen Heimat wieder sicher. Wie er hier Weihnachten feiert.
Obeida Al Khanous (25) ist vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflüchtet. Heute lebt er in Schwelm und spricht mit dieser Zeitung darüber, welche Rolle sein Glaube auf der Flucht gespielt hat und wie er als Moslem trotzdem Weihnachten feiert.
Heimat
Obeida Al Khanous war in seinem Wohnhaus in Syrien der einzige Moslem unter zahlreichen Christen. „Wir haben uns sehr gut verstanden. An Weihnachten haben wir genauso zusammen gefeiert wie beim Fastenbrechen“, erinnert sich der 25-Jährige.
An Heiligabend brachte „Papa Noel“ in Syrien die Geschenke, auch für Obeida Al Khanous. Mit seinen Nachbarn teilte er nicht nur fröhliche Feiertage in Syrien, sondern auch viele Stunden voller Angst. Die Christen haben in Syrien zwar mehr Angst vor Isis, sagt er. Aber auch er selbst traute sich seit Ausbruch des Krieges kaum noch in die Moschee. „Ich hatte zu große Angst. Jederzeit konnten Bomben fallen.“
Flucht
Seine Heimat, seine Familie verlassen – das ist Obeida Al Khanous sehr schwer gefallen. „Ich habe Gott oft gefragt: Warum machst du das?“ So viel Krieg und Gewalt und dann auch noch die lebensgefährliche Fahrt über das Meer. „Ich kann nicht schwimmen und hatte sehr große Panik“, erinnert er sich.
Doch auch in dieser schweren Zeit hat der Syrer Halt in seinem Glauben gefunden. Das Vertrauen in Gott war größer als die Angst, sagt er. Alles was Gott macht, habe letztlich einen Sinn.
„Vielleicht ist das alles eine große Prüfung, damit wir uns ändern. Dann hört der Krieg auch endlich wieder auf“, sagt Obeida Al Khanous. Und so hat er gebetet, bevor er in das Boot gestiegen ist und nicht aufgehört bis er nach 310 Stunden auf dem Wasser seine Füße auf die griechische Insel Lesbos setzen konnte.
Auf diesem schwankenden Boot im Mittelmeer fühlte er sich näher bei seinem Gott als je zuvor. „Er hat mir die Stärke gegeben durchzuhalten.“ Und Stärke brauchte er jede Menge.
Nachdem seine zwei Brüder und alle anderen Flüchtlinge in dem Boot die griechische Küste lebend erreicht hatten, lagen 20 Tage Flucht über die Balkanroute vor ihnen. Mit der kleinen Nichte auf dem Arm ging er durch Serbien und Ungarn. Als Obeida Al Khanous endlich an einem bayrischen Bahnhof aus dem Zug stieg, konnte er erst nicht glauben, dass er wirklich in Sicherheit war: „Ein Schaffner hat mir auf arabisch gesagt, dass ich in Deutschland bin. Unglaublich.“
Neubeginn
Heute lebt Obeida Al Khanous in Schwelm. Er trinkt heißen Tee im neuen Laden der Willkommensintiative. „Hier bin ich frei, hier kann ich machen, was meine Seele möchte“, sagt der 25-Jährige.
Und das, was er möchte, ist sich hier eine Zukunft aufzubauen. In Syrien hat er Literatur studiert, in Deutschland plant Obeida Al Khanous eine Ausbildung als Informatiker zu beginnen, sobald er die Sprache gut genug beherrscht. Auch seine Religion kann der Syrer jetzt ohne Ängste ausüben: „Ich werde von allen hier akzeptiert.“
Nur Fasten sei schwieriger als in Syrien, „weil die Sonne hier später untergeht“, sagt Obeinda Al Khanous lachend. Freitags geht er immer in die Moschee, „wenn mein Herz es möchte, auch öfter.“ Und auch in der Christuskirche, dem Schwelmer Wahrzeichen, war Obeida Al Khanous letztes Jahr an Weihnachten.
„Das war sogar der Fernsehgottesdienst“, sagt seine Flüchtlingspatin Tina Grams, die ihn seit seiner Ankunft in Schwelm begleitet. „In der Kirche zu sitzen, war am Anfang schon komisch“, erinnert sich der Syrer, „aber als die Menschen angefangen haben zu singen und zu beten, habe ich gemerkt, dass auch sie einfach nur Gott nah sein wollen.“
Die Musik, die Gemeinschaft, da „habe ich mich sehr wohlgefühlt.“ Am Abend hat er Freunde zu sich eingeladen, sie haben gemeinsam gefeiert.
„Da habe ich gemerkt, dass ich hier wirklich angekommen bin.“ Und auch in Schwelm hat Papa Noel mit Geschenken an seine Tür geklopft, unter dem Kostüm versteckte sich Patin Tina Grams. Dieses Jahr stellt Obeida Al Khanous vielleicht auch einen Weihnachtsbaum auf und verteilt selbst als Papa Noel die Geschenke. Er freut sich schon sehr auf das Fest.
„Hier fühle ich Frieden“, sagt er. Und doch denkt Obeida Al Khanous noch oft an Syrien. „Ich kann dieses Land niemals vergessen. Dort lebt meine Familie. Meine Seele ist noch da.“