Gevelsberg. Das Landgericht hat im Obdachlosenprozess gegen Klaus-Peter S. und Martin B. ein Urteil wegen Totschlags gesprochen. Beide müssen lange in Haft.
Als das Gericht noch über das Urteil beriet, brachten sich die vier Wachtmeister im großen Saal des Hagener Schwurgerichts in Position, damit die kleine, blonde Frau zu ihrem Bruder gehen durfte. Das ist Klaus Peter S. (53), verurteilter Totschläger, und gerade in Wartestellung auf das Urteil im nächsten Totschlagsprozess gegen ihn. Er umarmt seine Schwester, sagt ihr: „Ich benehme mich.“ Dafür hat er nun viel Zeit. Zehn Jahre Gefängnis lautet sein Urteil. Den Mitangeklagten Martin B. (38) hat das Schwurgericht zu sieben Jahren verurteilt.
Die Plädoyers
Unstrittig war für alle im Gerichtssaal, dass Klaus-Peter S. und Martin B. im Laufe des 18. März 2019 mit einem Stuhlbein und einer Eisenstange auf Peter W. derart eingedroschen haben, dass dieser an den Folgen der Schläge im Krankenhaus verstarb. Unstrittig war auch, dass beide Angeklagten an diesem Tag ordentlich gebechert hatten. Wann, und wie viel vor beziehungsweise nach der Tat – das blieb bis zum Schluss unklar. „Die offenen Fragen sind auch dem geschuldet, das es sich um die Menschen handelt, die wir hier gesehen haben: alle aus dem Alkoholiker-Milieu“, sagte der Vorsitzende Richter Marcus Teich später. Und hier bestand die dritte Einigkeit: Beide Angeklagten waren zum Tatzeitpunkt wegen ihres Alkoholpegels vermindert schuldfähig.
Zunächst aber hatten andere das Wort. Staatsanwältin Sandra Ley plädierte als Erste. Sie forderte für B. neun Jahre und sechs Monate wegen Totschlags, für S. elf Jahre und regte für beide eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Eine Mittäterschaft des Zeugen G. sah sie nicht, „eher schon unterlassene Hilfeleistung“, wie sie im Gespräch mit dieser Zeitung sagte.
In Bezug auf den dritten Täter waren die beiden Verteidigerinnen und der Nebenklagevertreter, der die Mutter des Getöteten vertritt, deutlich anderer Auffassung. „Ich sehe durchaus Ansätze für seine Mittäterschaft. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft gefordert“, sagte Christoph Wortmann. Ansonsten schloss er sich beim Strafmaß der Staatsanwältin an, betonte aber, dass sich nur Klaus-Peter S. entschuldigt hat.
Dessen Verteidigerin Sonka Mehner warb für ein mildes Urteil und warf unter anderem in die Waagschale, dass ihr Mandant sein Leben nun ändern wolle und sehr auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hofft. Dort will laut Verteidigerin Sarah Schulz auch Martin B. seine Sucht und sein Leben in den Griff bekommen. Die Rechtsanwältin strebte eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge an.
Das Urteil
In nackten Zahlen lautet das Urteil: Zehn Jahre Haft für Klaus-Peter S., sieben Jahre Haft für Martin B. und beide dürfen in eine Entziehungsanstalt. Bei beiden war Gutachter Dr. Nikolaus Grünherz davon ausgegangen, dass sie dort etwa zwei Jahre benötigen. Bevor S. in diese Maßnahme gehen darf, muss er zunächst drei Jahre im Gefängnis verbringen, B. mindestens ein Jahr und sechs Monate. Bescheinigt, die jeweilige Entziehungseinrichtung den beiden eine erfolgreiche Therapie, kommen sie im Anschluss daran frei. Heißt: Beide dürfen darauf hoffen, nach der Hälfte ihrer Haftstrafe wieder auf freiem Fuß zu sein; S. nach fünf, B. nach dreieinhalb Jahren.
Für das Schwurgericht sind die beiden juristisch auch nur knapp an einem Mord vorbeigeschlittert. S. und B. hatten auf W. eingeschlagen, weil dieser seine Freundin erneut verprügelt hatte. „In einem Akt der Selbstjustiz haben sie sich angemaßt, Ankläger, Richter und Vollstrecker zu sein. Das ist nicht zu tolerieren und führt uns in die Nähe der niederen Beweggründe als Mordmerkmal“, sagte Teich.
Vor allem die gemeinsame Absprache, W. eine Lektion zu erteilen, die Bewaffnung mit Eisenstange und Tischbein sowie die unglaubliche Brutalität, mit der die beiden vorgegangen sind, lasse keinen anderen Schluss zu, als dass zumindest eine bedingte Tötungsabsicht vorlegen habe, so Teich, der verdeutlichte: „Sie haben so massiv zugeschlagen, dass die Haut auf dem Bauch einfach aufgeplatzt ist.“
Scheitern die beiden Gevelsberger in ihrer Entziehungsmaßnahme, werden sie ihre komplette Haftstrafe absitzen müssen. Zu ihrer Entlassung werden sie dann 45 beziehungsweise 63 Jahre alt sein.