Ennepetal. Vor 240 Jahren wurde die Firma F. Hesterberg & Söhne gegründet. Nun steht das Unternehmen (Marke „Hestal“) aus Ennepetal vor der Schließung.
Eines der traditionsreichsten Unternehmen in Ennepetal steht vor dem Aus. Die Firma F. Hesterberg & Söhne GmbH & Co. KG (FHS) soll stillgelegt werden. Nach Auskunft des Betriebsrates will die Eigentümerin, die BPW-Gruppe, Produktion und Montage in die Türkei verlegen und die Marke „Hestal“ vom BPW-Sitz in Wiehl aus führen. Etwa 60 Mitarbeiter der seit 240 Jahren bestehenden Firma, die Verschließ- und Aufbautentechnik für Nutzfahrzeuge herstellt, droht die Kündigung. Für das Firmengelände an der Heilenbecker Straße gibt es bereits eine Nachnutzung: Die Stadtbetriebe Ennepetal sollen dort ihre neue Heimat finden. Der Kaufvertrag ist bereits unterschrieben und tritt zum 1. Oktober in Kraft. Zunächst wird Hesterberg aber noch als Mieter die Betriebsgebäude nutzen.
Die BPW-Gruppe bestätigte gegenüber dieser Zeitung nur den Verkauf des Betriebsgrundstücks. „Das Grundstück steht der Gruppe gleichwohl bis auf weiteres zur Nutzung zur Verfügung“, teilte BPW mit. Auf einen schriftlichen Fragenkatalog zu den Plänen für FHS hieß es knapp: „Die Planungen der Geschäftsleitung für den Standort in Ennepetal, auf die Ihre Fragen abzielen, sind derzeit Gegenstand von Verhandlungen mit dem zuständigen Betriebsrat. Da diese Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, bitten wir um Verständnis, dass wir über Einzelheiten der Planungen wie auch über den Stand der Verhandlung zur Zeit keine Auskunft geben.“ Man werde gerne informieren, sobald die Verhandlungen abgeschlossen und finale Entscheidungen getroffen seien.
Offen äußert sich dagegen der FHS-Betriebsratsvorsitzende Damianos Koukoudeas. Er nennt die Entscheidung der Gruppen-Geschäftsleitung „katastrophal“. Arbeitsplätze in Deutschland würden vernichtet und in ein Land mit fragwürdigen politischen Rahmenbedingungen verlagert. „Es gibt keine detaillierten Wirtschaftlichkeitsberechnungen, dass es in der Türkei besser ist“, kritisiert Koukoudeas. In dem Land gebe es nicht zuletzt eine hohe Inflation, zudem habe Corona gezeigt, wie anfällig internationale Lieferketten sein könnten.
Alternativkonzept erarbeitet
Der Betriebsratsvorsitzende wirft der BPW-Geschäftsleitung vor, nicht mehr fair zu spielen und den Mitarbeitern, die zum größten Teil zwischen 25 und 46 Jahren für FHS tätig seien, keine Wertschätzung entgegen zu bringen. Dass die Hesterberg-Mutter unzufrieden mit der Entwicklung sei, sei zum Teil nachzuvollziehen, so Koukoudeas. Von BPW beauftragte Berater hätten aber Ende 2018 festgestellt, dass es besser sei, den Standort Ennepetal zu halten. Vor einem Jahr habe die Geschäftsleitung dennoch mitgeteilt, dass FHS geschlossen und die Produktion zur „BPW Otomotiv“ in die Türkei verlagert würden. Lager und Versand sollten bei einer weiteren BPW-Tochter, der „PE Automotive“ nach Wuppertal (die Firma, einst als Hermann Peters bekannt, war früher in Ennepetal ansässig), angesiedelt werden.
Mit Unterstützung der IG Metall beauftragte der Betriebsrat das Beratungsunternehmen PCG, das ein Konzept zur Umstrukturierung des Standorts Ennepetal erarbeitete. Demnach sollte FHS zu einem Kompetenzzentrum für die Marke „Hestal“ werden. Produktbereiche sollten bereinigt und lediglich die Serienproduktion zur BPW Otomotiv verlagert werden. Die Führung der Marke „Hestal“ sowie die Fertigung von individuellen Kundenlösungen wäre in Ennepetal verblieben. Der IG Metall zufolge hätte das Konzept erhebliche Vorteile gegenüber den Plänen der BPW-Geschäftsleitung gehabt. Doch dann habe diese mitgeteilt, dass FHS komplett geschlossen werde und man das Gebäude verkaufen wolle, so Koukoudeas.
Dass schon im August der Kaufvertrag mit der Stadt – dem der Rat zuvor im Juni zugestimmt hatte – abgeschlossen wurde, habe man nur zufällig erfahren, meint Koukoudeas. Erst nach Einreichung eines Antrags auf Einstweilige Verfügung sei man in Besitz des Vertrags gekommen. Auf Basis der darin vereinbarten Nutzungsbedingungen beauftragte der Betriebsrat PCG, das Alternativkonzept zu überarbeiten. Erst nachdem alles geprüft sei, werde man über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln, betont der Betriebsratsvorsitzende.
Besondere Herzensangelegenheit
Für Damianos Koukoudeas ist der Kampf um eine Zukunft für FHS eine besondere Herzensangelegenheit. Gerade feierte er sein 40-jähriges Dienstjubiläum bei FHS, seit 31 Jahren ist er Betriebsratsvorsitzender. Unmittelbar neben der Firma wuchs er auf und schon seine Eltern sowie Onkle und Tante arbeiteten für das damals noch familiengeführte Unternehmen. „In meiner Familie kommen mehr als 200 Jahre Hesterberg zusammen“, erzählt er. Nicht zuletzt deshalb wolle er bis zum Schluss alles dafür tun, um etwas für den Standort zu erreichen.