Gevelsberg/Witten. Bei einem Unfall auf der A 43 stirbt ein Motorradfahrer aus Gelsenkirchen. Eine Gevelsbergerin war Ersthelferin und schildert die Erlebnisse.

Als Esther Albrandt den Mann auf dem Boden liegen sah, atmete er noch. Wenige Minuten zuvor war er auf seinem Motorrad auf der A 43 in Richtung Münster unterwegs. Die Sonne schien. Es war Sonntagnachmittag kurz nach 17 Uhr, als der Wagen vor ihm die Fahrbahn wechselte. Der 61 Jahre alte Motorradfahrer stürzte und kollidierte mit einem anderen Motorradfahrer.

Die Gevelsbergerin war eine der ersten an der Unfallstelle, hat versucht, sein Leben zu retten. „Er war sehr schwer verletzt, man konnte das durch die Kombi spüren“, sagt sie. Er starb noch am Unfallort. Der andere Motorradfahrer kämpft weiter um sein Leben.

Tapfer und kreidebleich

Wie lange es gedauert hat, bis die Einsatzkräfte kamen? „Sieben, acht Minuten vielleicht, auf jeden Fall waren sie schnell da.“ Der Unfall muss gerade passiert sein, als Esther Albrandt mit ihrem Wagen auf der A 43 unterwegs war und bei Witten-Herbede im Stau stand. Sie sah Menschen auf der Fahrbahn, aber kein Blaulicht. „Ich bin ausgebildete Arzthelferin“, also sei die 46-Jährige rechts ran gefahren, schnappte sich ihre Warnweste, zog Handschuhe an und lief hinüber. Auch auf ihrer Fahrbahn hatten sich die Autos gestaut. „Weil die zugucken wollten, was da gegenüber vor wenigen Sekunden passiert ist.“


Die Gevelsbergerin schaute nicht, sie reagierte. „Ich bin Ersthelferin und werde regelmäßig geschult, ich habe alles wie automatisiert abgespult und nicht weiter darüber nachgedacht“, sagt sie. „Es war wie im Lehrbuch. Ein junger Mann hatte dem Motorradfahrer eine Atemmaske aufgesetzt und ihn beatmet.“ Esther Albrandt und eine andere Frau übernahmen die Herzdruckmassage, als der Atem des Motorradfahrers aussetze. Sie wechselten sich ab, überprüften immer wieder den Puls, machten weiter. „Doch die Pupillen waren schon starr, ich wusste, dass er es nicht schafft, aber wir haben es trotzdem versucht.“

Esther Albrandt aus Gevelsberg.
Esther Albrandt aus Gevelsberg. © WP | Privat


Am Unfallort selbst waren viele Menschen. Keine Gaffer. Nur Helfer und Tröster, Zeugen des Unfalls. Der andere Motorradfahrer, ein 29 Jahre alter Mann aus Herne, wie im Polizeibericht später zu lesen ist, blutete aus dem Mund und der Nase. Ein Mann habe den Kopf des Verletzten gehalten. Esther Albrandt erinnert sich an einen weiteren jungen Mann. „Der hielt die Infusionsflasche für die Rettungskräfte hoch, tapfer und kreidebleich.“ Die Gevelsbergerin hofft, dass es der 29-Jährige schafft. Laut Auskunft der Polizei schwebt er weiter in akuter Lebensgefahr.

Der 61-jährige Gelsenkirchener wurde noch am Unfallort für tot erklärt. „Das war für mich das Schlimmste“, sagt sie. Das Kopfschütteln des Notarztes, der Augenblick, als eine dunkle Decke über den Verstorbenen gelegt wurde. Auch wenn es nur Minuten waren, vieles sei in dieser Zeit geschehen, Eindrücke, die unter die Haut gehen. Wie die Frau in dem grünen Kleid, die einfach nur da stand, eine Zeugin des Unfalls, wie Esther Albrandt vermutet. Als die Polizei kam, übergab die geschockte Frau kommentarlos ihren Autoschlüssel, weil sie nicht mehr fahren wollte, nicht mehr konnte.

Außergewöhnliche Atmosphäre


Wie es zum Unfall kam, das ermittelt die Polizei. Waren die Motorradfahrer zu schnell unterwegs? Warum scherte der Wagen eines 64-jährigen Witteners aus? Diese Fragen spielten am Sonntagnachmittag keine Rolle. Es sei eine außergewöhnliche Situation gewesen, sagt Esther Albrandt. Eine warme und herzliche Atmosphäre unter den Helfern, gelassen und ruhig, tröstend für die beiden schwer verletzten Männer. „Es war unglaublich, wie sehr sich alle einsetzten, es war so berührend“, sagt sie. Auch die Rettungsgasse sei frei gehalten worden.


Fast drei Stunden lang war der Unfallbereich voll gesperrt. Die Freiwillige Feuerwehr Sprockhövel war mit zwölf Einsatzkräften vor Ort, dazu drei Rettungswagen, ein Notarzt. Eine Polizistin brachte die Gevelsbergerin schließlich zurück zu ihrem Wagen.

Für Esther Albrandt ist der Unfall noch lange nicht vorbei. Sie würde gerne wissen, wie es mit dem jungen Mann weiter geht, mit den Angehörigen des 61-Jährigen sprechen. Sie sagt: „Ich bin bis zur letzten Minute bei ihm gewesen.“ Vielleicht tröste es ein wenig zu wissen, dass der Mann nicht alleine war, dass man sich um ihn gekümmert hatte. Bis zum letzten Augenblick.