Ennepetal. Wiebke Bettermann aus Breckerfeld führt in Ennepetal einen täglichen Kampf gegen ihr Lipo-Lymphödem. Für andere ist sie mittlerweile ein Vorbild.
„Wiebke zieht es durch, dann schaff‘ ich das auch“ – es sind Sätze wie diese, die Wiebke Bettermann ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern. Die 27-Jährige ist im wahrsten Sinne jemand, der Mut macht. Innerhalb eines Jahres schaffte sie es, 55 Kilo abzunehmen. Damit reduzierte sie ihr Körpergewicht von 200 auf 145 Kilogramm. Ein entscheidender Wendepunkt in ihrem Leben.
Es gab Zeiten, da wog die 1,88 Meter große examinierte Altenpflegerin 240 Kilogramm. Als Ärzte sie schließlich warnen, dass sie drohe, bettlägerig zu werden, zieht sie die Reißleine. Sie beginnt, regelmäßig Sport zu machen, und stellt ihre Ernährung um. Aber hinter Bettermanns Übergewicht steckt mehr. Die Frau aus Breckerfeld leidet seit einigen Jahren unter einem Lipo-Lymphödem.
Schockerlebnis in 2013
Den Ausbruch ihrer Krankheit führt Bettermann auf ein Schockerlebnis in 2013 zurück. Damals wog sie 150 Kilo. Als sie mit dem Auto unterwegs war, hatte sie einen Unfall. „Mich hat ein frisierter Roller überholt, vor Schreck habe ich dann den Lenker rumgerissen“, erinnert sie sich.
Dann sei sie vor eine Straßenlaterne gefahren. „Ich wurde noch am selben Tag aus dem Krankenhaus entlassen“, sagt sie.
Ein paar Monate später stellte sie fest, dass sie zunimmt – obwohl sie wegen ihres Übergewichts bereits regelmäßig zum Zumba und zum Schwimmen geht. Ein Arzt stellte schließlich zwei Diagnosen: Adipositas durch Überernährung – die kannte sie schon von anderen Ärzten – und Lipo-Lymphödem.
„Ich war erstmal geschockt“, sagt Bettermann. Ein Ärzte-Marathon begann. Eine Absaugung des krankhaften Fettes, das durch Sport und Ernährung nicht abgebaut werden kann, lehnte sie damals ab, weil ihr die Risiken zu hoch waren.
Kampf gegen sich selbst
2017 dann der nächste Schock. Sie drohte, ein Pflegefall zu werden. Ein Arzt warnte: „Wenn Sie jetzt nichts machen, erleben sie Ihren Geburtstag nicht mehr auf Ihren zwei Füßen.“ Also krempelte Wiebke Bettermann ihr Leben um, begann einen täglichen Kampf gegen sich selbst und ihre Krankheit. Heute wiegt die 27-Jährige um die 126 Kilogramm. In den letzten eineinhalb Jahren hat sie somit fast 80 Kilo abgenommen. Ihre Geschichte erfuhr eine große Resonanz. Anfang des Jahres hatte diese Zeitung darüber berichtet.
„Ich habe immer wieder Anrufe und Nachrichten bekommen, wie ich das geschafft habe“, erinnert Bettermann sich. Mit einigen Menschen habe sie sich daraufhin getroffen und mit ihnen gesprochen – darunter auch welche, die unter der gleichen Krankheit leiden.
Anderen Ausweg gezeigt
Eine von ihnen ist die 22-jährige Mary Stadtler. Die Studentin aus Ennepetal merkte sofort, dass Wiebke Bettermann ihr Leiden unter dem Lipo-Lymphödem nachvollziehen kann. „Es fühlt sich an wie 1000 Nadelstiche“, beschreiben beide Frauen ihr Empfinden.
„Ich habe alles Mögliche versucht, um abzunehmen“, sagt Stadtler. „Ich habe nichts mehr gegessen und war deshalb sogar in Therapie.“ Gewicht verloren habe sie trotzdem nicht. Ihren einzigen Ausweg sah sie in einer Operation. „Bevor ich Wiebke kannte, war ich total darauf fixiert“, erklärt die 22-Jährige.
„Eine OP kann ich mir aber als Studentin nicht leisten.“ Ihr Gewicht blieb konstant, der Frust wuchs. Schließlich kam auch für sie ein Wendepunkt. „Als ich die Geschichte von Wiebke gehört habe, habe ich verstanden, dass es auch andere Möglichkeiten gibt und ich mit der Operation noch warten kann“, sagt Stadtler heute und betont: „Wiebke hat mir super Mut gemacht.“
Motivation gegeben
Aber nicht nur an Lipo-Lymphödem Erkrankte fühlen sich von Wiebke Bettermann ermutigt. Das zeigt ein Beispiel aus ihrer eigenen Familie. „Ich habe Wiebke gesagt, dass ich das bemerkenswert finde, wie sie das durchhält“, sagt ihre Großcousine Michelle Kraler (29).
„Das motiviert mich auch für mein eigenes Leben.“ Aus der gemeinsamen Kindheit wisse sie noch, wie schüchtern ihre Cousine damals gewesen sei, auch durch das Mobbing, das sie erfahren habe, so Kraler.
„Dank Wiebke lass ich mich heute deutlich weniger von meinen eigenen Probleme runterziehen“, sagt sie. Bettermann fühlt sich durch die vielen positiven Rückmeldungen bestätigt. Ihrer Rolle als „Mutmacherin“ will sie künftig noch mehr gerecht werden.
Selbsthilfegruppe geplant
Aktuell versucht die 27-Jährige, eine Selbsthilfegruppe für an Lipo-Lymphödem Erkrankte aufzubauen. „Für Adipositas gibt es Anlaufstellen“, sagt sie. „Für Lipo-Lymphödem gibt es zumindest hier in der Nähe keine und man hat oft nicht die Zeit und die Kraft, weite Strecken zu fahren.“
Ihr Ziel sei es, 20 bis 25 Menschen zu finden, mit denen sie im kommenden Jahr eine Gruppe für einen gemeinsamen Austausch von Erfahrungen eröffnen könne. Die Botschaft, die Wiebke Bettermann dabei vermitteln will, ist so einfach wie einschlägig: „Steht zu Euch und verfolgt Eure Träume.“