Ennepetal..
Bündnis 90/Die Grünen wollen die Umbenennung des Dr.-Fritz-Textor-Rings beantragen. Das kündigten Vertreter der Partei an, nachdem Prof. Dr. Ulrich Pfeil sein Gutachten über die Rolle des ersten Bürgermeisters der Stadt Ennepetal und früheren Direktors des Reichenbach-Gymnasiums in der Nazi-Zeit vorgelegt hat.
Vor rund 70 interessierten Zuhörern, darunter neben Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen und Vertretern aus der Politik auch Anwohner der Straße im Neubaugebiet „Bauen mit der Sonne“, stellte der Historiker, der an der Universitée des Lorraine in Metz/Frankreich lehrt, am Mittwochabend im Haus Ennepetal seine Untersuchungsergebnisse vor. Auf 47 Seiten beleuchtet Ulrich Pfeil unter dem Titel „Fritz Textor (1911-1988): Eine umstrittene Persönlichkeit mit vielen Facetten“ den Historiker, Lehrer und FDP-Politiker.
Pfeil kommt zu dem Schluss, dass Textor im Dritten Reich zu den „mittleren Funktionseliten gehörte, die sich in verschiedenen Regimen dem Ethos der Pflichterfüllung verschrieben hatten.“ Dieses Ethos habe bei dem damaligen Geschichtsstudenten und späteren Mitarbeiter der Universität Bonn „eine geistige und politische Mobilisierung“ bewirkt, „auf die das NS-Regime bauen und schließlich auch einen Weltanschauungskrieg vom Zaun brechen konnte.“ Dass Fritz Textor in dieser Zeit einen möglichen Konkurrenten um einen Professorenposten, Paul Ernst Hübinger, als Nicht-NSDAP-Mitglied denunziert und so dessen Karriere verhindert habe, lasse sich aber nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, so Pfeil. Diesen Verdacht hatte er in einer Biografie über den Historiker Hübinger, der in der Bundesrepublik später zu einem einflussreichen Kulturpolitiker wurde, dargestellt. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Stadtgeschichte, Hans Hermann Pöpsel, hatte dies aufgegriffen und im Januar dieses Jahres durch einen Beitrag in unserer Zeitung die Diskussion über die Person Textors ausgelöst.
Angepasst und opportunistisch
In acht Kapiteln nähert sich Ulrich Pfeil in seinem Gutachten Dr. Fritz Textor. Neben Herkunft und Lehrjahren stellt der Historiker Textors Werdegang an der Universität, dessen Kriegseinsatz als Geisteswissenschaftler in Belgien, die erfolglose Habiltation, die Entnazifizierung, das kommunalpolitische Engagement sowie seine Tätigkeit als Schulbuchautor dar. Zahlreiche Belege aus dessen Publikationen, Briefwechseln und Urteilen über Textor und dessen Werk zieht der Professor heran.
Letztlich urteilt Ulrich Pfeil, dass bei Fritz Textor „nicht nur seine Bereitschaft zu Anpassung und Opportunismus sehr ausgeprägt“ gewesen sei. „Vielmehr stimmte er weitgehend mit der Politik des ,Dritten Reiches’ überein, gerade was die ,Neuordnungspolitik’ in Europa anging.“ So sei in verschiedenen politischen Beurteilungen Textors Regimetreue festgehalten worden, widerständiges Verhalten habe sich bei ihm jedoch nicht feststellen lassen. „Zweifellos in nachgeordneter Position bekam und ergriff Fritz Textor die Gelegenheit, seine historischen Arbeiten ,in politische Vorschläge und Maßnahmen umzusetzen’, erklärt Ulrich Pfeil. Dabei sei sein Duktus nicht „rassisch“ untermalt gewesen, doch sein Volksbegriff sei wie bei seinem Mentor Franz Petri „so angelegt, dass eine rassische Konnotation jederzeit möglich“ gewesen sei.
Zudem deute die Rückschau auf Textors Vita darauf hin, so Pfeil weiter, dass sich bei diesem nach 1945 „keine Bewusstseinswerdung über sein Handeln während des Krieges“ vollzogen und er seine Tätigkeit als unpolitische „Normalität“ wahrgenommen habe.
Ulrich Pfeil betont, dass Historiker allenfalls einen momentanen Forschungsstand präsentieren könnten, „der vielleicht Lücken hat, sich gerade bei biographischen Arbeiten bisweilen mit Spekulationen behelfen muss und Hypothesen formulieren kann. So will dieser Beitrag auch nur eine Annäherung an die Person von Fritz Textor sein, die in Zukunft vielleicht Ergänzungen und Revisionen erfahren wird. Er will zu weiteren Forschungen anregen und dafür Grundlagen bereit stellen.“
Ob die Stadt Ennepetal die nach Fritz Textor benannte Straße umbenennen wolle, müsse sie entscheiden, denn es handle sich um eine politische Entscheidung, erklärt Pfeil. Die Stadt tue gut daran, in den Entscheidungsprozess die Bürger und die lokale Öffentlichkeit einzubeziehen. Pfeil erklärt abschließend, dass ein Aspekt stets bedacht werden sollte, den der Historiker Rainer Pöppinghege dargestellt hat: „Der ehrende Charakter eines Straßennamens ist unumstößlich.“ Zu fragen sei demnach, ob jemand in moralisch-zeitlosem Sinne „ehrenwert“ gehandelt habe und ob er als Vorbild auf dem Straßenschild taugt. Doch hierfür kämen weder aktive Nationalsozialisten noch opportunistische Mitläufer in Frage.
Antrag im Stadtrat
Eine Reihe von Fragen aus den Reihen der Zuhörer beantwortete Professor Ulrich Pfeil im Anschluss an seinen Vortrag. Der Abend war von Professor Kurt Bienert (Bündnis 90/Die Grünen) geleitet worden. In einer kurzen Zusammenfassung hatte Hans Hermann Pöpsel zu Beginn die Entstehung der Textor-Diskussion und den bisherigen Verlauf dargestellt.
Grünen-Fraktionsvorsitzender Ulrich Röhder und Kurt Bienert erklärten im Anschluss an die Veranstaltung gegenüber unserer Zeitung, dass ihre Partei im Stadtrat einen Antrag auf Umbenennung des Dr.-Fritz-Textor-Rings stellen werde. Nach den im Gutachten dargestellten Erkenntnissen über Fritz Textor seien sie der Meinung, dass dieser keine Persönlichkeit sei, die mit einem Straßennamen gewürdigt werden sollte.