Dortmund. Jürgen Klopp wird Global Head of Soccer bei Red Bull. Bei vielen BVB-Anhängern kochen die Emotionen hoch. Ein langjähriger Fan erklärt, wieso.
Für viele BVB-Fans sitzt der Schock über den neuen Job ihres ehemaligen Trainers Jürgen Klopp bei Red Bull tief. Ab 2025 wird der Stuttgarter als Global Head of Soccer für den österreichischen Konzern tätig sein. Besonders die Dortmunder Fans fühlen sich von dieser Entscheidung verraten. BVB-Fan Johannes Bruns (65) äußert im Interview seine Enttäuschung und erklärt, wieso sich Klopps Wechsel für ihn und die Dortmunder Fangemeinde wie ein Verrat anfühlt.
Jürgen Klopp hat seit seiner erfolgreichen Trainerzeit (2008-2015) eine besondere Beziehung zu Dortmund und den BVB-Fans. Wie haben Sie persönlich auf die Nachricht reagiert, dass er ab 2025 für Red Bull arbeiten wird?
Man dachte anfangs wirklich, man ist im falschen Film. Man denkt, dass das gar nicht wahr sein kann – eine Falschmeldung. Das ist für jeden richtigen Fan ein Schock. Und das hängt mit dem Konstrukt Red Bull zusammen. Wenn er irgendwo anders unterschrieben hätte, hätte niemand ein Problem gehabt. So wie das damals bei Liverpool war – ein Traditionsverein. Das passte zu ihm, denn auch er ist ein Traditionalist. Ein Fußball-Romantiker. Red Bull ist die absolute Spitze des Nicht-Möglichen. Das passt nicht zu dem, wie wir Fans in Dortmund den Fußball verstehen.
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Für viele BVB-Fans ist Red Bull ein Symbol für den modernen „Kommerz-Fußball“. Wie nehmen Sie die Stimmung im Stadion und unter den Fans wahr?
Niemand kann Red Bull leiden. Das hat nichts mit dem Fußball zu tun, den wir hier in Dortmund leben. Wir haben die Südtribüne mit 30.000 Menschen. So etwas hat Red Bull nicht. Beim BVB haben die Fans das Sagen, wir haben eine riesige Fankultur. Die Fans haben hier Mitspracherecht. Bei Red Bull hat niemand Mitspracherecht, erst recht die Fans nicht. Das ist kein Mitgliederverein. Red Bull gehört einfach nur Red Bull. Aber genau das scheint die Zukunft des Fußballs zu sein – und Klopp wird das wohl auch so sehen und hat sich daher auch für diesen Job entschieden.
Klopp gilt in Dortmund als Legende. Glauben Sie, dass seine Entscheidung, zu Red Bull zu wechseln, sein Erbe beim BVB langfristig beschädigen könnte?
Definitiv. Da hat Kevin Großkreutz in seinem Podcast „Viertelstunde Fußball“ den Nagel auf den Kopf getroffen, als er meinte, dass er Jürgen Klopp nicht mehr vor der Südtribüne sehen will. Bei den richtigen Fans hat er jetzt seinen Kultstatus verloren. Das ist, als ob der beste Freund einen beschissen hätte. Aber vielleicht haben wir Klopp auch zu groß genommen – größer, als er eigentlich ist. Er hatte in Dortmund immer einen Heiligenschein auf. Oft macht die Fantasie die Dinge letztendlich schöner, als sie eigentlich sind. Den Kultstatus hat er jetzt verloren. Ich glaube aber, Leute wie er sehen in diesem Karriereweg eher die Chance als das Problem. Jürgen Klopp ist es egal, wenn er seinen Kultstatus verliert. Er hat jetzt die Chance, etwas eigenes zu entwickeln und muss dafür eben etwas anderes zurücklassen. Er denkt nach vorne und nicht nach hinten und nur so kann man in einer Karriere erfolgreich sein.
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Tradition und Kommerz im Fußball, insbesondere mit Blick auf Klopps Wechsel zu einem Unternehmen wie Red Bull?
Der BVB ist mittlerweile auch an der Börse. Wenn sich Traditionsvereine, wie Schalke und HSV, dem Wandel verweigern, spielen sie eben in der 2. Bundesliga. Die Entwicklung wird man nicht aufhalten können, denn Fußball ist zu einem großen Geschäft geworden. Und das Spiel muss man zu einem gewissen Grad mitspielen, sonst ist man weg vom Fenster. Denn ansonsten spielt der BVB bald nur noch gegen Sandhausen und das ist nicht das gleiche. Wenn man auf internationaler Ebene spielen will, dann muss man an diesem kommerziellen Prozess teilnehmen. Und wenn man rational darüber nachdenkt, ist das auch die einzige Lösung.
Am 2. November trifft der BVB auf Red Bull Leipzig. Was denken Sie, wie diese Begegnung wird?
Die Südtribüne wird voll sein mit Plakaten. Davon bin ich überzeugt, das wird ein riesen Ding werden. Darauf freue ich mich jetzt schon. Manche Plakate werden definitiv unter der Gürtellinie sein, aber der Großteil wird echt toll werden. Das Spiel ist bereits in zwei Wochen, man bereitet sich bestimmt jetzt gerade schon vor.
Und wie wird wohl die nächste Begegnung mit Jürgen Klopp und dem BVB werden?
Als Jürgen Klopp beim Champions-League-Finale am 1. Juni in Wembley auf der Ehrentribüne saß, wurde er auf den Bildschirmen im Stadion eingeblendet. Da ist er von den BVB-Fans im Stadion gefeiert worden. Wenn er jetzt noch mal gezeigt werden sollte, würde er ausgepfiffen werden. Aber das muss er ertragen. Da habe ich auch kein Mitleid mit ihm, die Entscheidung hat er selbst getroffen.
Was denken Sie, wie die Situation und die Kontroverse rund um Jürgen Klopp in einem oder zwei Jahren aussehen wird?
Es ist wie immer im Leben: So etwas schleift sich ein und nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das ganze Thema rund um Jürgen Klopp ist jetzt auch sehr hoch gekocht. Die Wogen werden sich schon wieder glätten. Und wenn man dann mal sieht, dass er auch etwas zur positiven Entwicklung des Fußballs beigetragen hat, wird es auch wieder anders aussehen. Er wird definitiv nicht mehr der Liebling der Massen sein, aber vielleicht sieht der ein oder andere in dem Wechsel auch einen positiven Aspekt. Das will ich nicht ausschließen.
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