Balve. Die Situation hat sich verschärft. Für Apotheker bedeutet Medikamenten-Knappheit mehr Arbeit, für Patienten Wartezeiten und Verunsicherung.
„Zwei bis drei Stunden ist eine Person täglich damit beschäftigt, die Folgen der Medikamenten-Knappheit zu organisieren“, fasst Hanna Klammt von der Balver Adler-Apotheke die prekäre Lage in einem Satz zusammen. Längst hat der bundesweite Lieferengpass an lebenswichtigen Arzneimitteln auch die Hönnestadt erreicht.
Auch interessant
Die Hauptversammlung des Deutschen Apothekertages hat in diesem Zusammenhang eine Stärkung der Apotheken vor Ort verlangt. In einem Antrag des Apothekerverbandes Nordrhein wird der Gesetzgeber aufgefordert, „die öffentlichen Apotheken so zu stärken, dass eine schnellere und effizientere Versorgung von Patientinnen und Patienten gewährleistet wird und so Therapieverzögerungen vermieden werden.“ Um die verordnenden Ärztinnen und Ärzte von bürokratischem und zeitlichem Aufwand zu entlasteten, sollten die „Apothekerinnen und Apotheker mehr Handlungsspielraum beim Austausch von verordneten Arzneimitteln bekommen“. Es müsse verhindert werden, dass betroffene Patienten in ein „Karussell“ zwischen Arztpraxis und Apotheke kommen, wenn ein Arzneimittel nicht lieferbar sei, so der Antrag.
500 Medikamente nicht lieferbar
Christian Bathe, Inhaber der Apotheke am Drostenplatz, spricht von insgesamt 500 Medikamenten, die nicht durchgehend verfügbar seien. Auch er und seine Mitarbeiter müssten viel Zeit aufwenden, um mit den Ärzten Rücksprache zu alternativen Medikamenten zu halten. Wie die Zahl 500 vermuten lässt, betrifft es Arzneimittel aus verschiedensten medizinischen Bereichen. „Vielfach sind es Antibiotika, aber auch Augensalben, Nierenmittel oder Medikamente für Diabetiker“, erläutert Christian Bathe. Und nennt konkret das Produkt Ozempic. Als Abnehmmittel sei es prominent geworden und in der Folge für Diabetiker nicht problemlos verfügbar. „Da haben wir zwischenzeitlich eine Warteliste geführt, weil wir das Medikament trotz größter Bemühungen nicht liefern konnten“, so Bathe. Und es gäbe Erkrankungen, bei denen es sehr schwierig sei, eine Alternative zu finden, zum Beispiel in der Onkologie (Krebserkrankungen), macht er die Brisanz des Themas deutlich.
Wirksamkeit oftmals nicht ideal
Würden Patienten nicht die gewohnten Medikamente bekommen können, wäre oftmals die Wirksamkeit nicht ideal, führt er weiter aus. Häufig seien auch bestimmte Wirkstärken nicht verfügbar, dann behelfe man sich damit, die Dosierung anzupassen. Das heißt, dass die Patientin oder der Patient eben nur eine halbe oder zwei Tabletten statt einer nehmen müsste.
„Für viele Patienten ist das eine Zumutung, führt bei ihnen zu Stress.“
„Für viele Patienten ist das eine Zumutung, führt bei ihnen zu Stress“, erläutert Hanna Klammt die Auswirkungen. Auch wenn die Wirkstoffe bei verschiedenen Arzneimitteln dieselben seien, gäbe es unterschiedliche Hilfsstoffe bei verschiedenen Präparaten. „Da kann es vorkommen, dass Patienten die verzögerte Freisetzung des Wirkstoffes spüren. Zum Beispiel bei Epilepsiemedikamenten kann das zu Problemen führen“, erläutert sie.
Situation hat sich definitiv verschärft
„Wir sind im Managen der Situation und bei der Suche nach Alternativen gemeinsam mit den Ärzten besser geworden, die Situation hat sich aber definitiv verschärft“, macht Hanna Klammt deutlich. Und bedankt sich gleichzeitig für die gute Zusammenarbeit und Flexibilität bei den Balver Ärzten.
„Bei vielen Medikamenten schließen die Krankenkassen Rabattverträge mit den pharmazeutischen Unternehmen ab. Wenn wir dann zu einem anderen Produkt greifen, müssen wir auch das dokumentieren.“
Neben dem zeitlich höheren Einsatz für die Patienten bedeutet die Lage für die Apotheker aber auch ein Mehr an Bürokratie. So muss jede alternative Medikamentengabe dokumentiert werden. Auch Dosisänderungen werden notiert. „Bei vielen Medikamenten schließen die Krankenkassen Rabattverträge mit den pharmazeutischen Unternehmen ab. Wenn wir dann zu einem anderen Produkt greifen, müssen wir auch das dokumentieren“, nennt Christian Bathe einen weiteren Punkt.
Größtes Ärgerniss im Apothekeralltag
Laut dem aktuellen Apothekenklima-Index 2024, einer repräsentativen Umfrage unter 500 Apothekeninhaberinnen und -inhabern, gehören Lieferengpässe für vier von fünf Apotheken zu den größten Ärgernissen im Versorgungsalltag (82,8 Prozent), teilt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände mit.
Die Mehrheit der Apothekenteams (77 Prozent) muss für die Bewältigung der Lieferengpässe zwischen 10 und 40 Stunden pro Woche aufwenden. Die Herausforderungen in den Apotheken bestehen vor allem in der Patientenkommunikation (80,4 Prozent), in der Rücksprache mit den Arztpraxen (76,0 Prozent) und in den Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel (75,8 Prozent).
Die größten Gefahren für die Patientenschaft sehen die Apothekeninhaberinnen und -inhaber bei Antibiotika (84 Prozent), gefolgt von Inhalativa (73,2 Prozent) und Antidiabetika (66,6 Prozent).
Den Patienten rät er, sich rechtzeitig um ein neues Rezept zu kümmern. Dabei solle man sich nicht vermehrt Medikamente zu Hause hinlegen. Aber eine Woche vorher zum Arzt zu gehen, sei ein guter Zeitpunkt, um Apothekern und Ärzten ausreichend Zeit für die Beschaffung des Arzneimittels zu ermöglichen.