Küntrop/Balve. Erntedank-Pressekonferenz der Landwirte: zu viel Bürokratie und politische Vorgaben. Garbecker Reinhard Linsmann beklagt Seuchen-Verluste.
Mittlerweile sei die Seuche überstanden, sagt er. Aber dennoch merkt man dem Garbecker Reinhard Linsmann, der kein Mann der großen Worte und nach außen getragenen Emotionen ist, den Schrecken immer noch an. Er hält Schafe, gut 1000 Stück und im Sommer brach bei ihm in der Herde, wie bei so vielen Haltern in der Umgebung, die Blauzungenkrankheit aus. „Das hat uns sehr mitgenommen und getroffen“, blickt er zurück. In einem einzigen Monat habe er 60 Schafe verloren, insgesamt etwa 100 und damit zehn Prozent des Bestandes. „Obwohl wir viele Tiere geimpft hatten.“ Den gesamten Schaden beziffert er auf circa 25.000 Euro. Auch durch feuchtes Wetter hatten die Mücken als Überträger ideale Bedingungen vorgefunden.
Treffen auf dem Hof Maas in Küntrop
Reinhard Linsmann ist seit Jahresbeginn 2024 Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Ortsverbandes Balve/Neuenrade und so natürlich auch im Verband des Märkischen Kreises vertreten und vernetzt. Dieser hatte nun zu seiner alljährlichen, insgesamt 20. Erntedank-Pressekonferenz geladen, um über eine Erntebilanz und weitere aktuelle Themen der heimischen Landwirte zu sprechen. Dazu traf man sich ein kleines Stück südlich der Balver Stadtgrenze auf dem Hof Maas in Küntrop, wo Tobias Maas den Teilnehmern unter anderem das Melkkarussell für die 280 Kühe des Familienbetriebs vorstellte. Bei der Pressekonferenz war der Blick auf die Blauzungenkrankheit, die vor allem Schafe und Rinder befällt, ein wichtiges Thema. Ulrich Brinckmann aus Iserlohn, der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes MK wirft der Politik in diesem Fall zu spätes Handeln vor, etwa bei einer Impfempfehlung für die Tiere, man hätte sich früher um die Seuche kümmern können. „Schafhaltung steht bei uns doch für Biodiversität und Landschaftspflege.“
„Aus dem Landwirtschaftsministerium kommt seit zwei Jahren nur Mist.“
Überhaupt, wenn Landwirt Ulrich Brinckmann vor allem auf die Bundespolitik kommt, redet er sich in Rage, bis hin zu dem Satz: „Aus dem Landwirtschaftsministerium kommt seit zwei Jahren nur Mist.“ Seine Vorwürfe: Gängelung der Landwirte mit zu vielen, unnützen, realitätsfernen Gesetzen und Auflagen. Beispiel für ihn ist das Thema Dünger, der zu stark reglementiert sei. Dadurch sinke beim Getreide die Qualität. „Wir sind deshalb fast nicht mehr in der Lage, Brotgetreide zu erzeugen und können nur noch Futtergetreide anbieten.“ Dr. Christian Große-Frericks, die stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes, berichtet von einem zentimetergenauen und angepassten Einsatz der Düngemittel auf dem Feld dank GSP. Und der Küntroper Landwirt Tobias Maas ergänzt: „Wir können es uns gar nicht leisten, viel zu viel einzusetzen.“
Rahmenbedingungen jedes Jahr schlechter
Weiterer Kritikpunkt: ein neues Gesetz bringe weitere unnötige Bürokratie bei Medikamenten und im Austausch mit den Tierärzten. Und damit vor allem wieder mehr Zeit, die man im Büro verbringen muss, sagt Tobias Maas. „Und diesen Mehraufwand muss am Ende der Tierhalter bezahlen“, beklagt Reinhard Linsmann. Dazu kämen hohe Kosten, die zuletzt aber in vielen Bereichen zumindest nicht weiter steigen. Kritik an der Politik von den Landwirtschaftsverbänden ist nichts Neues, auch Ulrich Brinckmann weiß, dass er quasi jedes Jahr die gleiche Platte auflegt.
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Aber so lange die Rahmenbedingungen auch jedes Jahr schlechter würden, könne man damit ja nicht aufhören. Die Akteure im Kreisverband betonen, dass es ja auch guten und konstruktiven Austausch gäbe, aber zu wenig in Gesetzesvorhaben ankomme. Brinckmann, auch mit Blick auf Themen wie Klimawandel: „Wir brauchen zur Transformation unserer Landwirtschaft keine Gesetzgeber, das machen wir schon selber.“
Das Wetter kann man ja sowieso nicht ändern, und darauf zu reagieren, sich anzupassen, das täten die Landwirte schon seit Anbeginn der Zeiten, betonen sie immer wieder. Und wie gestaltete sich dieses 2024? Vor allem nass hieß es auf der Pressekonferenz. Kreisvorsitzender Ulrich Brinckmann spricht von „Wetterkapriolen“, teilweise von „Schlammschlachten“ auf den Feldern. „So habe ich das noch nicht erlebt“, sagt er vor allem mit Blick auf den letzten Winter. Hendrik Vedder, ebenfalls im Vorstand des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes und in Meinerzhagen zu Hause, berichtet, dass seine Heimat zuletzt die regenreichste Stadt Deutschlands außerhalb der Alpen gewesen sei.
Dafür sei die Erntebilanz dann aber doch ziemlich in Ordnung, betonen die Landwirte, in Menge und Qualität. Viel Wasser, aber dann auch genügend Sonne im Sommer hätten vieles gut wachsen lassen, die Zeitfenster zur Ernte wären aber recht klein gewesen. „Im Rheinland und Münsterland war es viel schlechter“, sagt Reinhard Linsmann mit Blick auf Hönnetal und Sauerland. Gut zum Beispiel: Grasschnitt oder Mais.
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Der Märkische Kreis wird landwirtschaftlich als Übergangszone beschrieben, mit mehrheitlich Ackerflächen im tiefer gelegenen Nordteil und mehr Grünland im höheren Süden, wo es teilweise bis in Steillagen geht.
Landwirte begrüßen Entscheidung zu Wölfen
Vor kurzem erst auf EU-Ebene entschieden: Der Schutzstatus des Wolfes wird abgesenkt, ein Abschuss kann nun grundsätzlich möglich werden. Eine Entscheidung, die die heimischen Landwirte sehr begrüßen. „Die Wolfsichtungen werden häufiger“, sagt Ulrich Brinckmann mit Blick auf die Region. Da gelte es, die Nutztiere zu schützen und eine gewisse Größe der Population - von einer Ausrottung des Wolfes möchte niemand sprechen - beizubehalten. Im Mai sorgte ein Video einer möglichen Sichtung am Benkamp für Aufsehen. Reinhard Linsmann ist sich mittlerweile sicher: „Das war ein Jungwolf.“