Balve. Wenn die Kultband „Jane“ ruft, pilgern Krautrockfreunde aus der ganzen Republik zur Höhle. In Zelten, in Wohnmobilen und in Massen.
Laut, hart, schnell, aber friedlich: So lässt sich das „German Kultrock Festival“ in der Balver Höhle auch nach der 13. Auflage am Samstag beschreiben. Die Fans des gerne despektierlich als „Krautrock“ bezeichneten eigentümlichen Musikstils aus großartigen Melodien, ausgedehnten Improvisationen und Dampfhammer-Rhythmen sind einmal mehr aus der ganzen Republik angereist, viele mit Zelt und Wohnmobil. Die WP hat sich das Festival aus allen Perspektiven angeschaut.
Die Bands
Den allermeisten Fans hier geht es um die Klassiker von „Jane“, das ist an Aufschriften unzähliger T-Shirts abzulesen, und die Leute werden von ihrem Magneten nie enttäuscht. Auf die Ohren gibt‘s diesmal frischen Bluesrock der 2022 zurecht ausgezeichneten Andreas-Diehlmann-Band dazu. Als Anheizer erster Ordnung erweisen sich zuvor „Triddana“ aus Argentinien: Ihr Celtic Rock, bei dem E-Dudelsack und E-Gitarre aufeinanderprallen, reißt das Publikum schon vor „Jane“ zu Begeisterungsstürmen hin. Die Krautrock-Veteranen beweisen dann zur Primetime eindrucksvoll, dass sie‘s immer noch draufhaben.
„Siena Root“ aus Schweden mit Psychedelic Rock und die deutsche Progressive-Combo „Flying Circus“ zeigen, dass die zwischenzeitlich auf und vor der Bühne leicht angegraute Krautrock-Szene gerade wieder frische Impulse erhält. Schon zum dritten Mal dabei sind „Aphodyl“ aus Berlin, die den rechten Höhlenarm während der Umbauten auf der Hauptbühne bespielen und dafür sorgen, dass die Höhle immer rockt.
Die Fans
Vor und in der Balver Höhle ist heute alles vertreten, was die Bundesrepublik gesellschaftlich aufzubieten hat. Los geht‘s bei den Caravanern auf dem Parkplatz, wo der blitzblank gewienerte 180.000-Euro-Hymer direkt neben dem betagten, aber rockig gestylten Rollhäusken steht. Im umgebauten Feuerwehr-Mannschaftswagen anno`82 sind Christine und Jean-Luc aus Mayen bei Koblenz hier. Schon seit Freitag. Noch einen Tag eher sind Bettina und Stephan aus Berlin in Balve angelandet.
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Die beiden Pärchen lernten sich vor Jahren auf einem Festival kennen und traveln jetzt am liebsten gemeinsam mit ihren Mobilen auf die geliebten Krautrock-Events. Die sind rar gesät, und da nervt es nicht nur Christine, wenn mit dem Balver Kultrock und dem „Finki“, dem Finkenbach-Festival („Woodstock im Odenwald“) zwei Top-Ereignisse fast immer zeitgleich stattfinden. Doch Woodstock hin, Finki her: „Dann kommen wir immer nach Balve.“ Immerhin: Im nächsten Jahr könnten sie von hier aus direkt in den Odenwald weiterfahren: Dann liegen Balve und Finki ein Wochenende auseinander.
Vor der Höhle tummeln sich derweil die unterschiedlichsten Leute, nur geeint durch die Musik. Da gibt der spendable Wertmarkenkönig in beigen Bermudashorts, Ballack-Sketchers und akkurat gebügeltem AC/DC-Shirt eine Runde nach der anderen. Daneben irrlichtert verloren und leicht verlottert ein älterer Rucksackträger umher, der wirkt, als habe er lange auf die 62,50 Euro Eintritt sparen müssen. Wehende Graubärte in schwarzen „Grateful Dead“-Shirts eilen öfter mal zum Herrenklo, vorbei an Mädels, die zum grell gefärbten Langhaar den gebatikten Hippie-Rock mit DIY-Strickjacke drüber tragen. Dazwischen bestellen durstige Musiker, die schon gespielt haben oder gleich dran sind, ihre Bierchen. Richard Hagel, legendärer Frontmann der PeeWee Blues Gang, lacht auf die Frage, warum er heute nur neben der Bühne und nicht drauf steht: „Frag einfach mal den Veranstalter!“
Kurzum: Die Szene lebt. Ach ja, einige durchaus gutbürgerliche Balver, die genau diese Musik und genau diese besondere Stimmung lieben, sind ebenfalls gekommen und jetzt mittendrin. Sogar der märkische Landrat lässt sich auf seinem E-Bike hier blicken: Auf Marco Voges Stippvisite in der bebenden Höhle („Großartig, wie sich dieses Festival in Balve etabliert hat“) folgt allerdings sein ganz persönliches Kontrastprogramm: der Kegelabend mit Freunden.
Die Helfer
Festival-Veranstalter Guido Simm zeigt sich am Samstagabend und noch mehr am Sonntagmittag rundum glücklich mit einem nahezu störungsfreien Ablauf: „Das Ganze ist super gelaufen. Wir sind gerade beim Aufräumen, und ich muss allen, die uns wieder geholfen haben, einfach wieder ein Riesen-Dankeschön sagen.“
Neben den Balver Schützen von St. Sebastian Balve, dem Festspielverein und der Feuerwehr, mit der es ein Erinnerungsfoto gibt, sowie dem privaten Sanitätsdienst aus Hamm liegen Guido Simm drei Helfer diesmal besonders am Herzen. „Ekkieh!“ (kein Schreibfehler), Gitarrist der „Space Lords“, ist aus Reutlingen angereist, um als Roadie beim Aufbau zu helfen. Seine Lords traten im letzten Jahr hier auf, und Ekkieh! fand das Festival so cool, dass er unbedingt mithelfen wollte.
Der Arnsberger Thorsten Zink machte sich ebenfalls zum Volunteer: Er regelte als Einweiser ganz allein das Einparken auf dem großen Campingplatz. Und zwar auf einem von einer Balver Nachbarin geliehenen E-Bike mit Kinderanhänger, in dem er Flatterband und sonstiges Material verstauen konnte. Landwirt Heinrich Cordes sorgte mit dafür, dass Thorsten Zink einiges zu strampeln hatte, denn er überließ den Zeltern seine Futterwiese. Die wird laut Simm allerdings auch picobello wieder verlassen: „Es sind solche tollen Menschen hier, deretwegen es dieses Festival schon so lange gibt!“
Das nächste Mal
Und weil nach dem Festival immer schon vor dem Festival ist, gab‘s bereits am Samstag für den berühmten frühen Vogel, der den Wurm frisst, die „Early-Bird-Tickets“ zum Sonderpreis von 55 Euro fürs nächste Mal. Damit ist klar: Auch im August 2025 soll die Höhle wieder beben!