Balve. Die Meinungen gehen auseinander. Ist das Arbeiten zu Hause effektiver oder schadet es dem Ergebnis und dem Team. Wir haben uns umgehört.
War es in Deutschland kaum verbreitet, ebnete die Corona-Pandemie Ende 2019, Anfang 2020 dem Homeoffice den Weg. Zahlreiche Unternehmen waren gezwungen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten von heute auf morgen das Arbeiten zu Hause zu ermöglichen, um nicht völlig zum Stillstand zu kommen. Überall, wo die Tätigkeit das zuließ, wurden Arbeitsplätze zu Hause geschaffen. Der Software-Riese SAP beordert seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittlerweile zurück ins Büro - genau so wie Tesla-Boss Elon Musk. Wie Balver Unternehmen das Thema sehen.
Bei HLH Bio Pharma Balve bleibt man dem Modell Homeoffice treu. Geschäftsführerin Sandra Lüngen hat damit nur gute Erfahrungen. „Wir haben viele Mütter im Unternehmen. Sie können flexibel auf Betreuungsprobleme oder Kinderkrankheiten reagieren, wenn sie auch zu Hause arbeiten können.“ Aber nicht nur dieser Gruppe nutzt das Angebot. Der Vertriebsleiter sei zurzeit in Oslo und könne auch von dort arbeiten, erklärt die Chefin.
Dr. Sylvia Püttmann, Mitarbeiterin in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei HLH, wohnt in Münster. Einmal im Monat ist sie vor Ort in Balve. Ansonsten arbeitet sie im Homeoffice. Die Kommunikation sei online über Videotelefonie und -konferenzen absolut unproblematisch. Die 51-Jährige sieht viele Vorteile in der Arbeit zu Hause. „Ich bin doch viel flexibler. Wenn es mal geballt zu Arbeitsaufträgen kommt, kann ich da zu Hause schneller reagieren und auch mal eine Stunde länger arbeiten.“
„Ich traue niemandem zu, dass er das ausnutzt.“
Sandra Lüngen kann sich auf ihre Mitarbeitenden verlassen, auch wenn sie sie nicht ständig im Blick hat. „Hier weiß jeder, was er zu tun hat. Ich traue niemandem zu, dass er das ausnutzt.“ Und wenn mal wirklich niemand ans Telefon ginge, würde die Telefon-Warteschlange am Ende bei ihr auflaufen, erklärt sie schmunzelnd.
Aus ihrer Sicht gebe es auch keine Probleme beim Zusammenhalt des Teams. Es gebe regelmäßige Abteilungsbesprechungen und das HLH-Update finde grundsätzlich in Präsenz statt. Außerdem gebe es regelmäßig Teamevents außerhalb der Firma. Da sei genügend Zeit, miteinander den Kontakt zu pflegen. Genau wie die im November vergangenen Jahres eingeführte Vier-Tage-Woche werde auch die Homeoffice-Regelung absehbar bei HBH Bestand haben.
Die Geschäftsführung der Balver Wocklum-Chemie äußert sich wie folgt: „Auch bei uns beanspruchen viele Arbeitnehmer das Home-Office. Das bringt sowohl Vorzüge für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer. Es ermöglicht unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit Kindern oder mit einem langen Arbeitsweg, mehrmals die Woche von zu Hause aus zu arbeiten. Das trägt zu einer besseren Balance zwischen Arbeit und Privatleben bei. (...) Home-Office bedeutet mit der Zeit zu gehen und unseren Mitarbeitern unterstützend entgegenzukommen. Das verlangt einen Vertrauensvorschuss von Seiten des Arbeitgebers. Die Möglichkeit Home-Office in Anspruch zu nehmen, scheint unsere Mitarbeiter aber zu entlasten und für eine gesündere und zufriedenere Einstellung zu sorgen. Das begrüßen wir und möchten diese Entwicklung weiterhin sehen.“
Am Standort Balve sei die Beanspruchung von Home-Office unterschiedlich. Während die einen gerne zweimal die Woche von zu Hause aus arbeiten, nutzen andere den Benefit wiederum flexibel einmal alle paar Wochen. Wenige greifen auf das Angebot überhaupt nicht zurück. „Solange also das Home-Office-Konzept bei Chemie Wocklum funktioniert, wird davon nicht abgerückt.“
Josef Jost, Geschäftsführer der Balver Zinn Gruppe, teilt mit: „Bei uns gibt es auch nach Corona noch zum Teil Vereinbarungen zum ,Flexiblen Arbeiten‘, aber nicht zum ,Homeoffice‘. Wir freuen uns immer sehr darüber, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Firmen begrüßen zu dürfen. Da wir zu mehr als 60 Prozent Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fertigungen und Fertigung nahen Services haben, die ihren Arbeitsplatz nicht außerhalb der Firmengebäude nutzen oder besetzen könnten, sehen wir ,flexibles Arbeiten‘ zwar als eine mögliche Lösung, die aber gegenüber anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weniger fair ist.“
Die Ausgestaltung von Arbeitsverträgen bei Balver Zinn sei flexibel und ermögliche zum Beispiel Teilzeit, wöchentliche oder tägliche Arbeitszeit, Gleitzeit.
Markus Busche von Busche-Elektrotechnik erläutert, dass in seinem Unternehmen Home-Office ein reiner Lösungsansatz sei, wenn jemand aus privaten oder gesundheitlichen Gründen nicht ins Büro kommen könne. Dieses betreffe nur die planerische und programmiertechnische Abteilung sowie die Buchhaltung. Was den gewerblichen Teil angeht, lasse sich das bei den Handwerkern natürlich nicht realisieren. „Ich persönlich halte von Home-Office nicht viel, weil ich meine, dass auch der zwischenmenschliche Ansatz im Büro ganz wichtig ist, um ganzheitlich zu arbeiten“, ergänzt er.
Martin Skiba, Geschäftsführer Skiba-IT mit vier Standorten im Märkischen Kreis und im Sauerland, hat wohl berufsbedingt zuerst die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen und Sicherheitsaspekte für das Homeoffice im Blick. Das heißt für ihn, dass der Unternehmer zuallererst sicheres Equipment zur Verfügung stellen müsse. Wenn das aber der Fall sei, stehe dem Homeoffice nichts im Wege. „Gerade in der IT gibt es da großes Potenzial. Viele unserer Service-Leitungen können wir über Fernwartung anbieten. Das geht schneller, effizienter und genauso effektiv.“
Eine Software-Installation per Fernwartung habe sein Unternehmen schon immer angeboten, nur vor Corona eben aus den Unternehmensräumen und nicht zu Hause. Auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Umwelt sei Homeoffice ohne weite Anfahrtswege zu begrüßen. Eigenverantwortliches Arbeiten seiner Mitarbeiter setzte er in jedem Fall voraus. „Für mich zählt am Ende das Ergebnis und dass der Kunde zufrieden ist“, fasst er seine Einschätzung zum Thema zusammen.