Balve/Menden/Münster. Seit 20 Jahren jagt der LWL Dinos in einem Steinbruch bei Balve. Erneut mit großem Erfolg. Diesmal wird das Geheimnis der Langhalsdinos gelüftet.

Seit 20 Jahren jagen Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) Dinos im Balver Stadtgebiet. Mit immer neuem Erfolg. Am Montag vermeldeten Dr. Achim Schwermann und Kollegen einen neuen besonderen Fund. Die Westfalenpost hat ihn eingeladen, am Mittwoch, 3. Mai, 18.30 Uhr, im Integrationszentrum über Arbeit, Funde und ehrenamtliche Unterstützung zu sprechen.

Jurassic Park in Beckum: Grundschüler auf der Suche nach den Urzeitmonstern.
Jurassic Park in Beckum: Grundschüler auf der Suche nach den Urzeitmonstern. © WP | Sven Paul

Was Schwermann & Co. in einem Steinbruch bei Beckum machen, ist das, was Millionen Fernsehzuschauer sonntagabends um 19.30 Uhr immer wieder in der ZDF-Reihe „Terra X“ sehen: das Abenteuer Forschung. Vor Ort. Und sogar oft live. Sommers treten die Forscher sowie ihre Helferschar aus Balve, Menden und dem Hönnetal eine Zeitreise an. Sie führt 125 Millionen Jahre zurück, ins Jura, auch bekannt als Kreidezeit. Was haben die Paläontologen diesmal gefunden?

LWL jagt in Beckum Dinos mit Ehrenamtlern. Möglich wird das unter anderem durch Zusammenarbeit von Grabungsleiter Dr. Achim Schwermann und Ortsvorsteher Georg Wortmann.
LWL jagt in Beckum Dinos mit Ehrenamtlern. Möglich wird das unter anderem durch Zusammenarbeit von Grabungsleiter Dr. Achim Schwermann und Ortsvorsteher Georg Wortmann. © WP | jürgen overkott

Ein Forscherteam mit Beteiligung des LWL-Museums für Naturkunde in Münster hat Nachweise von Langhalsdinosauriern (Sauropoden) entdeckt. „Es sind der Rest eines Rückenwirbels und ein knapp acht Zentimeter langer Krallenknochen“!, hieß es in einer Mitteilung des Landschaftsverbandes. „Die vierbeinigen Sauropoden gehörten als große Pflanzenfresser zur Lebewelt der Dinosaurierzeit. Aus der frühen Kreidezeit, in die auch die Fundstelle bei Balve fällt, sind sie allerdings bisher nur sehr selten belegt worden.“

Neben den Sauropoden sind Iguanodonten Dinos bekannt, Pflanzenfresser auch sie, monstermäßig groß, um die zehn Meter. „Im Gegensatz zu den Sauropoden wurden sie im Verlauf der Kreidezeit immer häufiger und vielgestaltiger, wie die Fossilüberlieferung zeigt“, wissen die Fachleute.

Was Sauropoden Iguanodonten unterscheidet: Die erste Gruppe der riesigen Pflanzenfresser ist deutlich seltener als die andere. Das belegen den Forschern zufolge auch Funde von Fährten in Niedersachsen. „Dieser Trend setzte sich im Verlauf der unteren Kreidezeit fort, und die zirka 125 Millionen Jahre alten Funde von Balve sind die jüngsten Nachweise von Sauropoden, die man aus Deutschland kennt“, hieß es.

LWL jagt in Beckum Dinos mit Ehrenamtlern. Hier ein Fundstück
LWL jagt in Beckum Dinos mit Ehrenamtlern. Hier ein Fundstück © WP | jürgen overkott

Dr. Achim Schwermann gräbt in diesem Sommer erneut in Balve, und er ist sich sicher, wieder neues Material von Dinos, Frühsäugern und anderen Tierarten zu finden - versteinert, versteht sich. „Wir finden noch immer jeden Sommer neues Material, was uns hilft, die Welt der Dinosaurier vor 125 Millionen Jahren besser zu verstehen“, erklärte der Dinosaurierexperte. Welches Geheimnis hat er jüngst der grauen Vorzeit entrissen?

Spuren von Langhalsdinos. „Die Reste der Tiere haben sich nur aus dem glücklichen Umstand erhalten, da sie vor 125 Millionen Jahren in ein unterirdisches Höhlensystem eingespült wurden. Hier sind sie tief unter der Erdoberfläche abgelagert worden und waren so bis heute gut geschützt“, weiß Schwermann. Erst durch Steinbrucharbeiten wurde das Höhlensystem freigelegt. „Die Studie zeigt eindrücklich, welche erstaunlichen Ergebnisse aus den Fossilien erarbeitet werden können, auch wenn sie so fragmentarisch sind.“ So groß die Urviecher waren, so klein sind die Fundstücke. „Die Fossilien sind meist sehr kleinteilig und stark zerbrochen. Auch wenn es sich bei Vogelfuß- und Langhalsdinosauriern um große Tiere gehandelt hat, wir finden nur noch kleinste Reste von ihnen. Das macht die Ausgrabung und auch die wissenschaftliche Analyse sehr kompliziert und langwierig.“

LWL jagt in Beckum Dinos mit Ehrenamtlern: Grabungsleiter Dr. Achim Schwermann
LWL jagt in Beckum Dinos mit Ehrenamtlern: Grabungsleiter Dr. Achim Schwermann © WP | jürgen overkott

Doch die Geduld wurde belohnt. Die Ergebnisse sind aussagekräftig. Mit den vorgestellten Funden schließen die Autoren eine Lücke in der Rekonstruktion des damaligen Ökosystems. Bei Ausgrabungen in Balve sind bislang schon verschiedene Tiergruppen gefunden worden. Beeindruckend sei das Spektrum der Wirbeltiere, das Fische, Amphibien, kleine Reptilien, Schildkröten, Krokodile, pflanzen- und fleischfressende Dinosaurier, Flugsaurier und Säugetiere umfasst. In der Vergangenheit wurde die Fundstelle durch mehrere Amphibien- und Säugetierarten bekannt, die nur hier gefunden wurden. Derzeit wird die Gruppe der Dinosaurier in mehreren wissenschaftlichen Projekten untersucht. Während Reste von iguanodonten Dinosaurier sowie Fleischfressern schon früh entdeckt worden waren, fehlten bislang sichere Nachweise für Langhalsdinosaurier (Sauropoden).

Ein Autorenteam stellt nun erste Fossilien von Sauropoden aus Balve in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung vor. Gegenstand der Arbeit sind zwei unscheinbare Knochen: der Rest eines Rückenwirbels und ein nicht einmal acht Zentimeter langer Krallenknochen. Doch das ist nicht alles. „Bemerkenswert ist daher vor allem die Umwelt, die für die Dinosaurierfunde von Balve rekonstruiert werden kann,“ so Dr. Jahn Hornung, Hauptautor der Arbeit. „So stammen sie aus einer Fundstelle, die in einem Hochland entstanden ist. Das ist in der geologischen Überlieferung äußerst selten.“ Was passierte damals, vor 125 Millionen Jahre, in Balve?

Dr. Achim Schwermann vom LWL jagt in Beckum Dinos - mit Unterstützung auch aus dem Dorf.
Dr. Achim Schwermann vom LWL jagt in Beckum Dinos - mit Unterstützung auch aus dem Dorf. © WP | jürgen overkott

Das Autorenteam glaubt: Veränderungen der damaligen Pflanzenwelt führte zu einer Verlagerung der Lebensräume der Langhalsdinos. Hochkronige Bäume, Hauptnahrungsquelle der Langhalsdinosaurier, wurden im küstennahen Flachland seltener. Die Urviecher zogen sich ins küstenferne Hochland zurück. Während niedrigerer Pflanzenwuchs den Vogelfußdinos aufgrund ihres wirkungsvollen Kauapparats einen Vorteil verschaffte, konnten sie hohe Baumwipfel nicht erreichen. Diese Nische blieb den langhalsigen Sauropoden vorbehalten. Balve und die schon länger bekannte Fundstelle Nehden bei Brilon gehören zu diesen seltenen Vorkommen. Ähnliche Funde sind weit weg entdeckt worden - in Südengland.

Die Jagd nach Neuem aus der Vergangenheit lohnt sich für den LWL weiter. Schwermann ist sich sicher: „Ein Ende der Neuigkeiten aus der Zeit der Unterkreide bei Balve ist noch nicht in Sicht.“

Saurier in Beckum: Schwermann-Vorgänger Klaus Peter Lanser mit Kralle eines Deinonychus’ und eines Wirbels von einem Sauropoden
Saurier in Beckum: Schwermann-Vorgänger Klaus Peter Lanser mit Kralle eines Deinonychus’ und eines Wirbels von einem Sauropoden © WP | Simon, Wolfgang

Originalveröffentlichung: Jahn J. Hornung, Sven Sachs & Achim H. Schwermann: The first record of sauropod dinosaurs from a palaeotopographical upland environment and its implications for megaherbivorous dinosaur faunal turnover in the Early Cretaceous of northwestern Europe. - Geologie und Paläontologie in Westfalen.