Düsseldorf. Eine Duz-Freundin des NRW-Justizministers wird Gerichtspräsidentin, das Innenministerium liefert die notwendige Spitzenbeurteilung zu.
In der Affäre um die rechtswidrigen Besetzung des Präsidentenamtes beim Oberverwaltungsgericht (OVG) mit einer Duz-Bekanntschaft von Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) den Vorwurf einer Einflussnahme auf das fragwürdige Verfahren zurückgewiesen.
„Eine Weisung durch mich gab es in diesem Zusammenhang nicht“, sagte Reul am Dienstag im Zeugenstand des Untersuchungsausschusses im Landtag. Die Limbach-Favoritin, die seit Mitte 2020 als Abteilungsleiterin im Innenministerium tätig ist, arbeite zu seiner „allerhöchsten“ Zufriedenheit als Spezialistin für Digitalisierung. Dass sie ihm im Herbst 2022 eröffnet habe, sich um das OVG-Präsidentenamt bewerben zu wollen, habe keine „Jubelstürme“ ausgelöst, weil er sie nur ungern ziehen lasse.
Dienstbeurteilung in der OVG-Affäre: „Das macht nicht der Minister“
Die für das Bewerbungsverfahren notwendige Dienstbeurteilung seines Hauses sei ohne sein Zutun zustande gekommen, versicherte Reul: „Das macht nicht der Minister.“ Dafür sei Staatssekretärin Daniela Lesmeister (CDU) zuständig. Deren Topnoten habe er aber „sehr gut nachvollziehen“ können. Auch der Kollege Justizminister habe ihn um keine Spitzenbewertung für seine Kandidatin gebeten. „So arbeiten wir nicht“, sagte Reul.
Höchste Richterämter in NRW müssen eigentlich nach einer streng formalen Bestenauslese besetzt werden, damit sich eine Regierung keine genehme Justiz als Kontrollinstanz schaffen kann. Das OVG-Besetzungsverfahren macht deshalb seit Monaten bundesweite Schlagzeilen. Im Raum steht eine unzulässige politische Vorfestlegung der schwarz-grünen Landesregierung auf die Limbach-Favoritin, die nur über wenig Rechtsprechungserfahrung verfügt. Bereits drei Gerichte haben das Verfahren als rechtswidrig eingestuft. In Geheimgesprächen sollen aussichtsreiche Konkurrenten zur Aufgabe ihrer Bewerbungen gedrängt worden sein.
NRW-Justizminister Limbach lehnt Rücktritt weiterhin ab
Inzwischen ist klar: Die Beförderung der Duz-Bekanntschaft des Justizministers fußte auf einer fehlerhaften Spitzenbewertung aus dem Innenministerium. Limbach hatte einräumen müssen, dass keine ausreichende Basis für solche Top-Noten gegeben hatte, weil Innenstaatssekretärin Lesmeister an ihrem Amtsvorgänger Jürgen Mathies (parteilos) vorbei diese Beurteilung vorgenommen hatte. Dieser hätte als vorheriger Dienstvorgesetzter aber nicht umgangen werden dürfen. Herausgekommen war das Zustandekommen der fragwürdigen Beurteilung erst im Untersuchungsausschuss.
Limbach spricht von einem „beachtlicher Fehler“, die Opposition von „Bestnoten auf Bestellung“, die aufgeflogen seien. Trotz des Debakels und der seit nunmehr fast vier Jahren unbesetzten OVG-Präsidentenstelle lehnt der Justizminister einen Rücktritt weiter hartnäckig ab. Stattdessen will er das Besetzungsverfahren nun mit aktualisierten Beurteilungen neu starten. Anfang 2025 soll ein neuer Personalvorschlag dem Kabinett zugeleitet werden – und mutmaßlich erneut vor Gericht landen.
Die Opposition im Landtag zeigte sich verwundert, dass eine fehlerhafte Beurteilung das gesamte Besetzungsverfahren zum Einsturz bringen konnte, ohne dass die politische Leitungsebene etwas geahnt haben will. Reul hat sich nach eigener Aussage nicht darum gekümmert, ob Lesmeister den früheren Staatssekretär Mathies einbezieht oder nicht. „Es ist völlig inakzeptabel, dass in einem Ministerium voller Juristen ein solch unübersichtliches Verfahren toleriert wird“, kritisiert FDP-Rechtsexperte Werner Pfeil. „Die Kombination aus Intransparenz und fehlender Kontrolle zerstört das Vertrauen in die Verwaltungsgerichtsbarkeit“, so Pfeil weiter.