Düsseldorf. Nach der Legalisierung herrscht Aufwind für den Marihuana-Markt. Auf der Cannafair erwarten alle ein Plus für Zuchtzubehör und Kifferkram?
Der Markt ist im Aufwind. Das riecht man schon, wenn man nur an der Marihuana-Messe „Cannafair“ vorbeifährt. Schon in den Warteschlangen vor der Düsseldorfer „Mitsubishi Electric Halle“ wird das Cannabis geraucht, verdampft und verdaut, als wären die Jahre der Prohibition nachzuholen. Und alle hier, Gäste wie Aussteller, rechnen mit einem neuen Boom für Zuchtzubehör und Kifferkram.
Die Cannafair fand vom 23. bis 25. August statt, aber nach der Messe, ist vor der Messe. Die Branche trifft sich erneut vom 19. bis 21. September in Dortmund zur CB Expo (Cannabis Business Expo and Conference Cannabis Business Expo and Conference). Dies ist die kleine Schwester der InterTabac, der weltgrössten Messe für Tabakwaren und Raucherbedarfsartikel. Dann gab es kürzlich die Mary Jane in Berlin mit 40.000 Besuchern und die kleinere HamCam in Hamburg. Allein diese Messe-Dichte deutet an: Es herrscht Goldgräberstimmung.
Der Gelegenheitskonsument steht nicht im Mittelpunkt der Cannafair. Der findet zwar hunderte, vielleicht tausende Sorten von Samen mit Namen wie „Amnesia Ryder“ oder „Pinapple Sushi“, er stolpert über die erwartbaren Grasmühlen zum Zerkleinern, und ganz hinten in der Ecke verkauft sogar noch jemand psychedelische Poster. Aber im Zentrum steht Zucht-Ausstattung für Semiprofis oder die Massenproduktion: Düngemittel werden verpackt wie Motoröle: „Unleash the power“! Steinwollebriketts werden angepriesen wie Seltene Erden. Und in einer Zuchtstation hängen 16 Stecklinge in der Luft. Ihre Wurzeln werden unter Hochdruck mit Nährlosung bestäubt. „Die Nasa arbeitet auf der ISS auch mit Aeroponik“, sagt der österreichische Anbieter und verspricht ein „bis zu dreißig Prozent schnelleres Wachstum“. Raketentechnik für Kiffer!
Die Besucher
Carina aus Oberhausen hat sich das etwas anders vorgestellt. Die 47-Jährige hat eine Alternative zum Tabak gesucht. Am Stand von „Storz & Bickel“ hat sie zwar Verdampfer (Vaporizer) gesehen, die mittlerweile von Baden-Württemberg in alle Welt exportiert werden. Seit der Legalisierung im April sei der Absatz in Deutschland um rund 15 Prozent gestiegen, schätzt ein Mitarbeiter, aber das verblasst gegen den US-Markt – wirtschaftlich ein „hidden champion“. Aber Carina findet den Dampf zu schwach und will weiter das Ritual des Jointbauens zelebrieren. Ein Kraut zum Zumischen aber ist nicht in Sicht, aber vielleicht ist dieser Wunsch etwas speziell.
Joyce O. aus Essen dagegen ist zufrieden. „Ich bekomme Cannabis auf Rezept gegen meine Migräne“, sagt die 27-Jährige. „Vorher war ich oft 14 Tage im Monat krankgeschrieben. Jetzt habe ich vielleicht noch an drei Tagen Beschwerden. Aber die 25 Gramm im Monat kosten in der Apotheke 250 Euro. Also möchte ich selber anbauen.“ Da hat sie reichlich Möglichkeiten gesehen.
Der Schrankbauer
In der Danf-Box bekommen die sensiblen Pflänzchen sogar einen Sonnenaufgang geschenkt. Die Dämmerungsfunktion soll den Lichtschock reduzieren. Auch sonst regelt der Zuchtschrank fast alles automatisch. Nur Wasser und Dünger zugeben, und in zwei, drei Monaten kann geerntet werden. Die in Deutschland erlaubten 50 Gramm werden übrigens schon mit dem Ertrag einer Pflanze leicht überschritten. Das Schränkchen (Kostenpunkt 1699 Euro) haben vier Freunde aus Frankfurt für den Eigenbedarf entwickelt. Vor einem Jahr wurde ein Produkt daraus, mittlerweile setzen sie jeden Monat „im dreistelligen Bereich“ ab, verrät Mitgründer Fabian Metzmann. „Unsere Vision ist, dass es gesehen wird wie ein Backofen. 1920 haben auch noch viele gesagt, das sei viel zu teuer, um in jedem Haushalt zu stehen.“
Der Franchise-Unternehmer
Noch größer denkt Adrian Dederichs. Der Kölner bietet unter dem Label Wölkchen bereits seit Jahren Cannabisblüten in bunten Marmeladengläsern an, mittlerweile an mehr als 600 Tankstellen. Das ist nicht direkt verboten, weil die Züchtungen nur den erlaubten Wirkstoff CBD enthalten, und den bis April verbotenen Wirkstoff THC nur in sehr geringen Mengen – „aber es ist eine Grauzone“, gibt Dederichs zu. Darum war er froh, dass die Legalisierung ihm ein ganz neues Geschäftsfeld eröffnete: Seinen GrowShop in Köln will er nun in ein Franchise verwandeln, nachdem er eine Kooperation mit einem holländischen Großausstatter eingegangen ist und nun ein Komplettpaket unter dem Label „Wolke“ anbietet. Damit stattet er nun auch den von ihm gegründeten Cannabis Social Club aus – und zwar mit mobilen Zuchtzelten. Das hat den Vorteil, dass die Halle des ehemaligen Postverteilerzentrum nicht umgebaut werden muss. Er habe bereits 20 Angebote für ähnliche Projekte geschrieben, sagt Dederichs. Umfang jeweils zwischen 50.000 und 350.000 Euro.
Die „echten“ Kiffer und der Ökostrom
Noch aber geht es in NRW schleppend voran mit den Genehmigungen für Cannabis-Clubs. „Wir haben Fehler gemacht im Antragsverfahren. Falscher Notar, ach ...“ Michael Zoller vom Cannabis-Social-Club-Krefeld kann viel über Bürokratie erzählen. Einzigartig aber macht seinen Stand die Aussage: „Wir haben kein Ziel hier. Wir wollten einfach eine Basis haben auf der Messe. Dann müssen wir nicht so viele Tüten schleppen.“ Der erste echte Kiffer! Und gewieft dazu, denn den Stand sponsert „Lila Strom“, ein Stromanbieter-Start-up, das sich mit einem Industriestromtarif von derzeit 9,4 Cent/kWh allein auf Cannabis Social Clubs fokussiert. „Ich habe ausgerechnet“, sagt Zoller, „dass wir bei 250 Mitgliedern im Jahr rund 100.000 Kilowattstunden wegblasen“. Lila Strom hat bereits Verträge mit 25 Anbauvereinigungen. „Nächstes Jahr“, sagt Vertreter Malique Meyer, „könnte es in Deutschland 400 solche Social Clubs geben. Die anderen Stromanbieter ignorieren diese Branche. Noch hat sie ein Schmuddelimage.“