Essen. Ist es zeitgemäß, sich etwa als Indianer zu verkleiden? Das diskutieren kurz vor Beginn des Straßenkarnevals Eltern in NRW. Was ein Experte rät.
Ausgelassen feiern und dabei in eine andere Rolle schlüpfen: Bald startet im Ruhrgebiet und im Rheinland der Straßen-Karneval, der Höhepunkt einer jeden Session. Die Kostümwahl der Narren steht dabei teilweise in der Kritik, weil sie als nicht mehr zeitgemäß oder diskriminierend empfunden wird. So diskutieren auch Eltern an Rhein und Ruhr darüber, ob sich ihre Kinder noch als Pocahontas, Winnetou und Co. verkleiden sollten.
Ein Vater aus Bottrop kann die Debatte nicht nachvollziehen. Gerade an Karneval dürfe man alles nicht so ernst nehmen, außerdem wolle er an Traditionen festhalten. „Man verliert sich als Eltern in Political Correctness, wenn man immer auf so etwas achten muss. Ich bin ja auch kein schlechter Mensch, weil ich früher so etwas anhatte“, findet er. Eine Mutter aus Duisburg ergänzt: „Wir sprechen über Kinder. Die ziehen etwas an, weil es ihnen gefällt und nicht, weil sie irgendetwas Politisches darein interpretieren.“
Bochumer Experte: „Allein das Wort ,Indianer‘ ist schon rassistisch“
Eine Gelsenkirchenerin ist allerdings klar gegen die Kostüme: „Mein Kind dürfte so etwas nicht mehr anziehen.“ Sie befürchtet, andere zu diskriminieren. Aus diesem Grund fordert auch Karim Fereidooni, Rassismus-Forscher an der Ruhr-Uni Bochum, ein Umdenken. Auch wenn man selbst mit seinem Kostüm ohne böse Absicht seinen Kindheitshelden würdigen möchte, könne das für andere verletzend sein.
„Allein das Wort ,Indianer‘ ist schon rassistisch, weil es eine Fremdbezeichnung ist. Ich rate also dringend davon ab, sich so zu verkleiden“, sagt der Experte. Viele Minderheiten, zu denen auch indigene Völker gehören, kritisieren die Übernahme kultureller Praktiken als Diebstahl, also als kulturelle Aneignung. Traditionelle „Indianer“-Gewänder an Karneval zu tragen, halten sie deshalb für unangebracht. „Weiße Menschen haben die Native Americans kolonialisiert, ihr Land weggenommen und sie unterdrückt. Und jetzt verkleiden sie sich aus Spaß als diese Minderheit. Das ist rassistisch“, kritisiert Fereidooni.
„Verkleiden Sie sich lieber als Gegenstand oder Tier. Dann können Sie gar nichts falsch machen.“
Narren sollten laut Fereidooni daher darauf verzichten, sich als „exotische Gruppen“ zu verkleiden. „Wenn weiße Menschen sich das Gesicht schwarz anmalen, ist es Blackfacing. Wenn sie sich Knochen ins Haar packen oder Baströcke anziehen, ist es respektlos“, hält er fest.
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Weniger problematisch sei es hingegen, wenn man sich an Karneval in Lederhose und Dirndl wirft oder sich zum Beispiel als Schwede verkleidet. „Wurden Bayern oder Schweden über 500 Jahre hinweg als eigene Rasse konstruiert und aus wichtigen Teilen der Gesellschaft systematisch ausgeschlossen? Nein. Deshalb ist es auch nicht rassistisch, sich so zu verkleiden.“ Er rät allerdings: „Verkleiden Sie sich lieber als Gegenstand oder Tier. Dann können Sie gar nichts falsch machen.“
Deiters über umstrittene Kostüme: „Verehrung, nicht Verhöhnung“
Bei der Kostüm-Kette Deiters kann man diese Kritik nicht nachvollziehen. „Die negative Interpretation ist aus unserer Sicht künstlich und viel zu ideologiegetrieben. Wir sind der Meinung, dass Menschen Indianer-Kostüme nicht kaufen, um Indianer zu verhöhnen, sondern weil es Helden unserer Kindheit sind“, so ein Sprecher.
Die Kostüm-Trends 2025
Bei der Kölner Kostüm-Kette Deiters weiß man schon jetzt, welche Verkleidungen einem in diesem Jahr besonders häufig auf den Straßen begegnen werden. So liege es im Trend, sich als Süßigkeit zu verleiden, etwa als Schokobon, Haribo-Spezialität oder Ahoj-Brause. Wie jedes Jahr werden auch Idole aus aktuellen Film-Highlights wieder vielen als Grundlage ihres Kostüms dienen, so ein Deiters-Sprecher: „Gerade gibt es zum Beispiel einen großen Run auf Wicked oder Squid Game.“
Wer sich von der Vergangenheit inspirieren lässt, setze in dieser Session vor allem auf die „Goldenen Zwanziger“. Schwingende Fransenkleider, funkelnde Pailletten und elegante Stirnbänder seien gefragt. „Außerdem sind auch die 70er Jahre mit ihrem Flower Power und den bunten Farben zurück“, sagt er.
Aus diesem Grund sind die Kostüme bei Deiters auch weiterhin im Sortiment und erfreuten sich großer Beliebtheit, so der Sprecher: „Die Mehrheit sieht kein Problem in diesen Kostümen, weil sie diese negative Denkweise nicht hat, sondern genau das Gegenteil empfindet, wenn sie ein solches Kostüm trägt: Verehrung, nicht Verhöhnung.“
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Auch an den Kitas geht die Debatte um kulturelle Aneignung nicht spurlos vorbei. Dabei sollte die Freude am Verkleiden im Mittelpunkt stehen, betont Lina Strafer vom Kita-Zweckverband des Bistums Essen, zu dem rund 240 Einrichtungen gehören. „Die Kinder lassen ihrer Fantasie freien Lauf und lernen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen“, so Strafer.
Ein Verbot bestimmter Kostüme gibt es daher nicht. Die Familien sollen selbst entscheiden, welche Kostüme ihre Kinder tragen. „Keimen Diskussionen auf oder äußern Kinder Vorurteile“, so Strafer „ist es Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte, vorurteilsfrei einzugreifen und sich gegen Diskriminierung zu positionieren.“
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