Lennestadt. Weil er ein Video von einem unbekleideten Mädchen gemacht und dann verschickt hatte, war ein 19-Jähriger im Amtsgericht Lennestadt angeklagt.

Wie schlimm die Folgen einer Straftat für ein Opfer sein können, zeigte sich am Dienstag bei der Verhandlung am Amtsgericht Lennestadt. Ein 19-Jähriger hatte am 17. April 2020 in Kirchhundem in seinem Zimmer ein Video gedreht von einem jungen, unbekleideten Mädchen, das sich gerade anzog. Dann verschickte er das Video an einen Bekannten und es kursierte im Netz. Das Mädchen ging danach durch die Hölle. Als Richter Stephan Schmelzer das Verfahren am Ende gegen eine Auflage einstellte, brach es aus der Mutter im Zuhörerraum heraus: „Ich muss mich sehr zusammenreißen. Wir haben Monate gelitten. Meine Tochter konnte nicht mehr in die Schule gehen. Sie wurde von Mitschülern beleidigt und gehänselt. Sie bezeichneten sie als Schlampe.“ Und: „Es ist immer noch ein Tabuthema zuhause. Ich habe als Mutter sehr darunter gelitten.“

Jugendstrafrecht

Der junge Angeklagte, der bereits schon einmal wegen eines ähnlichen Vorfalls in Erscheinung getreten war, war vor Gericht geständig: „Ich gebe das zu, dass ich das gemacht habe. Ich habe das verschickt.“ Zur Frage des Richters nach dem Motiv, meinte er: „Das weiß ich selbst nicht, was da in meinem Kopf vorgefallen ist. Das war ein dummer Gedanke. Es sollte cool sein.“ Auch das frühere Verfahren habe ihn nicht davon abgehalten, hielt der Richter dem Angeklagten vor: „Sie wussten doch, dass Bilder weiter verschickt werden, wenn sie einmal im Umlauf sind.“ Aufgrund des Geständnisses brauchten die Zeugen nicht gehört werden.

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Der Angeklagte sei zum Tatzeitpunkt gerade 18 Jahre alt gewesen und sei ein nicht altersgemäß gereifter Mann, so die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, die sich für die Anwendung von Jugendstrafrecht aussprach. Der in Kirchhundem lebende junge Mann habe sich bei dem Mädchen entschuldigt: „Er hat gesagt, er habe das aus Imponiergehabe und Geltungsbedürfnis gemacht. Er wollte zeigen, wie cool er ist, dass er so Aufnahmen macht.“ Der Angeklagte habe bisher leider kein stabiles männliches Vorbild gehabt, das ihm zeige, wie man mit dem anderen Geschlecht umgehe: „Er wünscht sich jemand, mit den er über seine Probleme sprechen kann. Mit seiner Mutter gehe das nicht.“

Aufsatz fürs Gericht

Als Auflage für eine Einstellung des Verfahrens regte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe eine Leseweisung des Buches „Alice im Netz“ an. Darin geht es darum, dass jemand im Internet Bilder von Mädchen verschickt und welche Auswirkungen das hat. Der 19-Jährige muss das Buch nun zunächst lesen. „Es gibt mehrere Termine, wo wir das Buch besprechen, damit Sie verstehen, was das beim Opfer auslösen kann“, erläuterte die Jugendgerichtshilfe-Vertreterin dem Angeklagten: „Am Ende schreiben Sie einen Aufsatz für das Gericht, in dem Sie das mit Ihrer Tat vergleichen. Es ist nicht so, dass Sie meinen, mit einer Entschuldigung ist das hier erledigt.“

Eine Einstellung stehe auf Messers Schneide, meinte Richter Schmelzer, der diese aber am Ende beschloss und den Angeklagten ermahnte: „Das ist eine Chance. Es wird jetzt in aller Deutlichkeit erarbeitet, was Sie bei dem Opfer angerichtet haben. Wenn das noch einmal passiert, wird das sehr viel höher bestraft.“