Hagen. Wo einst Handschellen klickten: Die Tagesstätte in der ehemaligen Polizeiwache Prentzelstraße wird nur Kinder über drei Jahren aufnehmen.
Die Planungen zum Umbau der ehemaligen Polizeiwache in der Prentzelstraße in eine Kindertagesstätte stehen kurz vor dem Abschluss. Die Stadt Hagen wird das vierstöckige Gebäude noch in diesem Sommer vom Land NRW erwerben. Am 1. August 2023 soll dort, wo einst Handschellen klickten, eine Tagesstätte für 75 Kinder eröffnet werden.
Die Kita wird ausschließlich Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren (Ü3) aufnehmen. Der Grund: In den vergangenen Jahren hat der Fachbereich Jugend und Soziales vor allem im U3-Bereich investiert und zahlreiche neue Betreuungsplätze geschaffen. So entstanden zum Beispiel elf Großtagespflegestellen, in denen in denen jeweils drei Betreuerinnen (zwei ganz-, eine halbtags) tätig sind und die maximal neun unter dreijährige Kinder aufnehmen dürfen. Zudem sind in Hagen 140 Tagesmütter tätig, die bis zu fünf Kinder unter ihren Fittichen haben.
Doch die Weiterversorgung dieser Kinder hat sich zu einem massiven Problem ausgewachsen. Spätestens mit vier Jahren sollen sie in eine Kindertagesstätte wechseln, damit die – zumeist berufstätigen – Eltern ihre Knirpse weiterhin gut betreut wissen.
Die Hagener Kindergärten aber quellen über, die einst hervorragende Betreuungsquote im Ü3-Bereich von 98 Prozent ist auf 94,7 Prozent gesunken – und droht weiter zu sinken, wenn die Stadt nicht etwas dagegen unternimmt. Deshalb die reine Ü3-Kita in der Prentzelstraße, so Reinhard Goldbach, Leiter des Fachbereichs Jugend und Soziales im Hagener Rathaus: „In der Altersgruppe der über dreijährigen Kinder ist der Zuwachs enorm. Aus den Großtagespflegestellen und von den Tagesmüttern strömen immer mehr Kinder in die Kitas. Wir sind verpflichtet, deren Betreuung sicherzustellen.“
Der neue Kindergarten wird die ersten beiden Stockwerke der ehemaligen Polizeiwache belegen, in die darüber liegenden Etagen zieht die gesamte Kita-Verwaltung mit 28 Mitarbeitern aus dem Rathaus am Berliner Platz. „Wir wollen in dem Haus eine Art Zentrum frühkindliche Bildung etablieren“, so Goldbach. Die Beratung von Familien und Alleinerziehenden soll dort ebenso angesiedelt werden werden wie das Thema Ganztagsbetreuung im Grundschulalter, wenn dafür – wie vom Bundeskabinett für 2026 beschlossen – ein Rechtsanspruch besteht.
Der hinter der Immobilie befindliche Parkplatz wird entsiegelt und in einen Spielplatz für die Kitakinder umgewandelt. Der bauliche Zustand des Gebäudes ist bedenklich, es fehlt an einem barrierefreien Zugang, die sanitären Einrichtungen sind völlig heruntergekommen. Schätzungen zufolge werden sich die Baukosten (ohne Kaufpreis) auf rund 3,25 Millionen Euro belaufen.
Weiterentwicklungen in allen Stadtbezirken
In Hagen sollen in den kommenden Jahren folgende Kindergärten gebaut oder erweitert werden:Noch im Jahr 2021 sind es die Kindergärten:- Dümpelstraße/Halden (Anbau/20 Plätze)- Knüwenstraße/Boele (Ausbau/10 Plätze)- Markanaplatz/Haspe (75 Plätze)Im Jahr 2022 folgen die Kindergärten:- Jungfernbruch/Haspe (75 Plätze)- Franzstraße/Oberhagen (Ausbau/20 Plätze)- Eppenhauser Straße/Eppenhausen (110 Plätze)- Kochstraße/Altenhagen (Erweiterung/55 Plätze)- Lange Straße/Wehringhausen (110 Plätze)- Gerhart-Hauptmann-Straße/Emst (55 Plätze)- Langenkampstraße/Hohenlimburg (75 Plätze)Im Jahr 2023 sind geplant die Kindergärten:- Prentzelstraße/Stadtmitte (75 Plätze)- Cunostraße/Emst (75 Plätze) Die Zeit der Fertigstellung ist noch offen in den Kindergärten:- Eilpe (Standort noch nicht festgelegt/75 Plätze)- Fleyer Straße/Fleyerviertel (drei Gruppen)
In den kommenden Jahren will die Stadt insgesamt 810 neue Betreuungsplätze schaffen. Trotzdem wird das nicht ausreichen, um die im Jahr 2012 vom Stadtrat festgelegten Versorgungsquoten von 38 Prozent im U3-Bereich (liegt derzeit bei 33,5 Prozent) und 98 Prozent im Ü3-Bereich auch nur annähernd zu erreichen. Der Strom an Zuwanderern nach Hagen sei weiterhin auf hohem Niveau, so Goldbach, und es gebe keine Anzeichen dafür, dass sich daran in absehbarer Zukunft etwas ändere.
Immer mehr kleine Kinder
Während 2015 nur 10.038 Kinder unter sechs Jahren in Hagen wohnten, sind es mittlerweile 12.272. Mehr als die Hälfte von ihnen (6243) hat nicht einmal das dritte Lebensjahr erreicht. „Wir haben noch viele Herausforderungen zu meistern“, so Goldbach: „Selbst wenn wir alle bislang ins Auge gefassten Neubauten und Erweiterungen umsetzen, können wir den Zuwachs gerade so abfangen. Den eigentlich Bedarf zu decken, ist schier unmöglich.“ Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen seit 2013 um einen gegenüber der Stadt einklagbaren Rechtsanspruch handelt. Würden also alle Eltern ihre Kinder in einer Tagesstätte anmelden und auf einem Betreuungsplatz bestehen, würde das System kollabieren. So aber kommt die Stadt mit einem blauen Auge davon, weil viele Familien ihre Kinder erst mit vier oder fünf Jahren in eine Kita schicken.