Kreis Olpe. Ob Corona oder Klimawandel: Die Bundestagskandidaten für den Kreis Olpe diskutierten mitunter scharf im Rahmen der WP-Podiumsdikussion in Rhode.
Die Machtübernahme der Taliban, die Corona-Politik, die Frage nach erneuerbaren Energien: Die WP-Podiumsdiskussion, die auch per Live-Stream in der Rhoder Schützenhalle am Dienstagabend aufgezeichnet wurde, sorgte für viel Gesprächsstoff. In manchen Themenbereichen gab es Schnittstellen zwischen den Bundestagskandidaten für den Kreis Olpe – Nezahat Baradari (SPD), Otto Ersching (Linke), Klaus Heger (AfD), Florian Müller (CDU), Holger Thamm (Grüne) und Johannes Vogel (FDP) –, bei manchen Punkten zeichneten sich jedoch auch erhebliche Diskrepanzen ab.
Bundestagskandidaten kommen in die WP-Wahlarena nach Rhode
1. Afghanistan
„Das ist ein kompliziertes Thema“, warf Holger Thamm (Grüne) direkt zu Anfang ein. Der Afghanistan-Konflikt sei über Jahrzehnte gewachsen und konnte nicht gelöst werden. Nun komme es darauf an, eine Gesprächsbasis mit den Taliban zu finden. Johannes Vogel (FDP) fand dahingehend klarere Worte: „Es gab eine organisierte Verantwortungslosigkeit der Ministerien, deswegen haben wir es nicht geschafft, alle Ortskräfte rechtzeitig da rauszuholen.“ Er sprach sich für ein kleines, aber relevantes Visa-Programm aus, um eine Ausreise möglichst schnell zu organisieren. „Vor allem für Frauen ist das wichtig, weil ihnen sonst Grauenvolles bevorsteht.“ Nezahat Baradari (SPD) zeigte sich mit der Vorgehensweise des Bundes etwas versöhnlicher, immerhin seien bislang 120.000 Menschen aus Afghanistan herausgeflogen worden. Ihrer Ansicht nach eigne sich die Lage in Afghanistan nicht, um politisch daraus Kapital zu schlagen.
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2. Corona
Der aktuellen Diskussion um eine 2G-Regelung erteilten alle Kandidaten eine Absage. Auch eine Impfpflicht hielten sie für nicht zielführend. „Man muss bedenken, dass es Menschen gibt, die sich aus medizinischer Sicht nicht impfen lassen sollten. Die dürfen nicht kategorisch ausgeschlossen und auch nicht massiv in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Der PCR-Test muss als dritte Möglichkeit weiter bestehen bleiben“, plädierte Otto Ersching (Linke). Auch Florian Müller (CDU) argumentierte, dass Ungeimpfte nicht zu Menschen zweiter Klasse degradiert werden dürften. „Ich finde es aber richtig, dass diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, künftig selbst für ihre Tests zahlen müssen.“ Wichtig sei außerdem, dass es einen bundesweit einheitlichen Indikator zur Bewertung der Pandemielage brauche, merkte Johannes Vogel (FDP) an. Und dass die Impfquote damit hineinspielen solle: „Wir müssen beim Impfen noch mehr tun und auch immer wieder über die Vorteile reden.“
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Die STIKO empfiehlt die Coronaschutz-Impfung bislang jedoch erst für Jugendliche ab 12 Jahren und das auch erst seit ein paar Wochen. Dementsprechend hoch ist die Inzidenz bei Schülerinnen und Schülern. „Wir haben eine katastrophale NRW-Schulpolitik. Es müssten flächendeckend UV-C-Anlagen in Schulen und Kindergärten eingebaut werden, das sind wir unserer Zukunft schuldig“, kritisierte Nezahat Baradari (SPD). Auch Holger Thamm (FDP), Vater von drei Kindern (7, 9 und 11 Jahre), zeigte sich von der Corona-Schulpolitik enttäuscht: „Das Konzept von Gebauer beschränkt sich aufs Maske Tragen. Nichts wurde dafür getan, beispielsweise die Klassen zu teilen.“ Bei den ganzen Corona-Maßnahmen müsse man das Ganze im Blick haben, um flexibler als bisher reagieren zu können.
3. Klimawandel
Das Klimaproblem könne nur global angegangen werden, darin waren sich alle Kandidaten einig. Klaus Heger (AfD) deutete jedoch an, dass Deutschland im Vergleich zu China, wo „Kohlekraftwerke ohne Ende“ gebaut würden, nur einen kleinen, globalen Einfluss habe. „Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht schmälern durch unzuverlässige Energie“, so Heger, womit er erneuerbare Energiequellen meinte. Johannes Vogel (FDP) begriff die Investition in regenerative Energien dahingehend als Chance: „Wir müssen beweisen, dass Klimaneutralität und Wohlstand zusammengeht. Wir haben viele innovative Firmen im Sauerland, die Lösungen produzieren und ins Ausland exportieren können. Wir müssen anfangen, Klima als Wachstumsagenda zu sehen.“ Dafür gab es Applaus aus dem Publikum.
4. Digitalisierung
Auch im Jahr 2021 gibt es immer noch kein flächendeckendes Internet- oder Mobilfunknetz im Kreis Olpe. Schuld daran seien in erster Linie die zu langen Genehmigungsverfahren, wie Klaus Heger (AfD) und Florian Müller (CDU) betonten. Die Bürokratie müsse abgebaut und Bearbeitungsfristen beschleunigt werden. Johannes Vogel (FDP) schlug einen grundsätzlich anderen Weg vor: „Wir müssen den Glasfaserausbau mit Förderinstrumenten weiter pushen. Wir schreiben in Deutschland falsch aus. Statt auf den einmaligen Einnahmeeffekt zu setzen, sollten wir dem Anbieter den Zuschlag geben, der das beste Angebot macht.“ Der ländliche Raum müsse mehr Priorität haben.
5. Soziales
Bei den Themen Hartz 4, Mindestlohn und Rente wurde es emotional. Dass Hartz 4 weder zeitgemäß noch zukunftsfähig sei, weil es für Betroffene eher beängstigend als motivierend sei, wurde parteiübergreifend abgenickt. Bei der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens gingen die Meinungen jedoch weit auseinander. Während Otto Ersching (Linke) und Holger Thamm (Grüne) das befürworteten, wetterte Johannes Vogel (FDP) dagegen: „Wer auf eigenen Füßen stehen kann, sollte das auch tun.“ Für ihn sei der Spitzensteuersatz ein demotivierender Faktor. „Wenn selbst Schülerjobs besteuert werden, dann hat das nichts mehr mit Chancengerechtigkeit zu tun.“
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Ein Stichwort, das Nezahat Baradari (SPD) für sich nutzte, um auf Kinderarmut aufmerksam zu machen. „Selbst in dem reichen Kreis Olpe gibt es Hartz-4-Kinder, die in Armut leben müssen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Kinder und Jugendliche nicht etwas dazu verdienen müssen.“ Deswegen sei eine Erhöhung des Mindestlohns unausweichlich. Florian Müller (CDU) sah das anders, für ihn sei die Politik dahingehend nicht verantwortlich. „Es gibt dazu Experten, die in der Mindestlohn-Kommission sitzen. Die Diskussion darum darf nicht zum politischen Spielball werden.“