Attendorn. Die Leiterin Annette Hermes begrüßt eine Aufnahme von Flüchtlingen – unter einer bestimmten Bedingung. Spielt das Erzbistum Paderborn mit?
Das Erzbistum Paderborn als Träger des Tagesinternates im Collegium Bernadinum will die kirchliche Einrichtung am Nordwall im Sommer kommenden Jahres schließen. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen, wie Paderborn stets erklärt. Betroffen von dieser Entscheidung sind neben den 30 Mitarbeitern mehr als 70 Schüler, die besagtes Tagesinternat besuchen, ein paar wenige Internatsschüler, die hier noch wohnen, und nicht zuletzt ein jugendlicher Flüchtling, der hier betreut wird. Seitdem der Träger seine Entscheidung bekanntgegeben hat, laufen vor allem die Eltern der betroffenen Kinder – und die Beschäftigten selbst – Sturm.
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Sie wünschen sich vor allem eines: eine Verlängerung der Übergangszeit bis zur endgültigen Schließung des Tagesinternates. Sie wollen nämlich Zeit gewinnen bei der Suche nach einem neuen Träger, der das geschätzte Betreuungsangebot so oder in ähnlicher Form übernimmt. Dazu haben auch die Stadtverwaltung und die Politik erste Gespräche geführt. Lässt sich der Träger aus Ostwestfalen nun auf eine solche Fristverlängerung ausgerechnet vor dem Hintergrund des grausamen Krieges in der Ukraine ein? Es scheint möglich.
Mehr als 20 freie Betten
Zumindest erklärt Benjamin Krysmann, Pressesprecher des Erzbischöflichen Generalvikariates, auf Nachfrage: „Das Erzbistum Paderborn steht der Überlegung offen gegenüber, auch Möglichkeiten des Collegium Bernardinum zu nutzen, um Menschen aus der Ukraine, die vor Krieg und Gewalt ihre Heimat verlassen mussten, Hilfe anzubieten. Aktuell werden Gespräche geführt, um noch offene Fragen zu klären.“ Heißt im Klartext: In dem Internat könnten Ukraine-Flüchtlinge unterkommen. Platz dafür gäbe es, mehr als 20 Schlafmöglichkeiten samt sanitärer Anlagen stehen zur Verfügung. Das bestätigte die kommissarische Leiterin Annette Hermes. Zu Zeiten des Vollinternates standen hier sogar um die 80 Betten.
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Hermes macht ihrem eigenen Arbeitgeber ein sehr konkretes Angebot: „Wir würden uns wünschen, und wären als Team auch bereit dazu, unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen.“ So, wie es in der jüngeren Vergangenheit schon der Fall war. Im Gegenzug müsste sich Paderborn dazu bereit erklären, das beschlossene Aus auf einen Zeitpunkt X nach Sommer 2023 aufzuschieben. Denn selbstverständlich müssten die jungen Geflohenen, die im Internat unterkämen, vernünftig betreut werden. Aber das ginge nur, wenn das Tagesinternat insgesamt seinen Betrieb fortsetzen darf. Im Übrigen, so die kommissarische Leiterin, würde auch das Jugendamt des Kreises eine Inobhutnahme von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen begrüßen.
Wunsch des Jugendamtes
„Das Erzbistum hat hier die Möglichkeit zu helfen und wesentlich wohlwollender die Trägerschaft des Internats eines Tages aus den Händen zu geben“, erklärt Hermes mit Blick auf den enorm hohen Widerstand, den das angekündigte Aus in der breiten Attendorner Bevölkerung ausgelöst hat. Vor allem die Art und Wise, wie der Träger die Schließung kommuniziert hatte, stieß vielen sauer auf.
Begrüßen würden eine solche Entwicklung auch die Eltern der Tagesschüler. „Es wäre einfach schön, wenn wir diese Ressourcen nutzen würden und die Chance auf eine Fristverlängerung bekommen“, erklärt die betroffene Mutter Elisabeth Schlüter mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Betten. Die Eltern haben im Übrigen auch einen Brief an das Erzbistum mit der Bitte um Fristverlängerung verfasst – so, wie es auch die Fraktionschefs von CDU, SPD, Grüne, FDP und UWG in einem gemeinsamen Schreiben getan haben. Die Frage ist nur: Wird Paderborn einlenken, die Aufnahme von jungen Flüchtlingen zulassen und dann auch die Schließung des Tagesinternats aufverschieben. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.