Attendorn. Die Stadt Attendorn blickt auf 800 Jahre zurück. Eine Zeit, in der viel passiert ist. Weltkrieg, Aufstände – und vier Mal wütete die Pest.
Die Stadt Attendorn feiert in diesem Jahr ihren 800. Geburtstag. Doch welche Ereignisse waren für die Stadt wirklich prägend? Von der ersten Erwähnung bis zu den Stadtbränden: Stadtarchivar Otto Höffer hat die zentralen Ereignisse der Attendorner Historie herausgearbeitet. Dabei spielen die Pest und der zweite Weltkrieg eine wichtige Rolle:
Erste urkundliche Erwähnung
Im Jahr 1072 stiftet Erzbischof Anno von Köln das Kloster Grafschaft und stattet es u. a. mit Rechten am Haupthof und an der Kirche in Attendorn aus. Die Stiftungsurkunde des Klosters Grafschaft ist gleichzeitig die erste urkundliche Erwähnung von Attendorn.
Bau der Burg Schnellenberg
Um 1200 wird die Burg Schnellenberg errichtet. Gemeinsam mit der Burg Waldenburg dient sie der Sicherung der Interessen des Herzogtums Westfalen und ihrer Hauptverkehrsverbindungen im Sauerland.
Stadtrecht
Im Jahr 1222 erhebt der Kölner Erzbischof Engelbert II. durch die Verleihung des Soester Rechts Attendorn zur Stadt. In der Gründungsurkunde verleiht er Attendorn das Recht zum Bau einer Stadtmauer.
1255 tritt Attendorn dem Rheinischen Städtebund bei.
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Kaufmann stiftet sein Vermögen
Um 1200 entsteht der romanische Turm der Pfarrkirche St. Johannes Baptist, auch Sauerländer Dom genannt, nachdem bereits seit der Zeit um 800 an derselben Stelle zwei Vorgängerbauten nachgewiesen wurden. Das gotische Langhaus stammt aus dem 14. Jahrhundert. Der Attendorner Kaufmann Robert von der Becke stiftet 1353 sein gesamtes Vermögen zum Bau der neuen Kirche. Die barocke Haube des Turms besteht seit 1634.
Aufstand der Handwerker in 1455
Im Jahr 1455 entwickelt sich ein Zunftaufstand der Handwerker. Sie beklagten, dass sie keinen Sitz im Rat der Stadt hätten. Von diesem Zeitpunkt an bekamen die Handwerker einen Sitz im Rat. Viele Kaufleute sind dann abgewandert, dadurch kam es zu einer Zeit des Niedergangs. „Der Wohlstand wurde erst 400 Jahre später um 1830 wieder eingeleitet, als die ersten metallverarbeitenden Firmen kamen“, erzählt Otto Höffer.
Attendorn als Handelsstadt
Im 13. und 14. Jahrhundert floriert der Handel in Attendorn. „Attendorn war ein Schnittpunkt zweier wichtiger Verkehrsstraßen, der Heidenstraße von Köln nach Kassel, weiter nach Leipzig, und dem Königsweg von Lübeck über Soest nach Frankfurt“, erklärt Otto Höffer. Wertvolle Tücher aus Wolle und Leinen wurden in Attendorn hergestellt und über die Hauptverkehrsstraßen über Köln bis nach England verschifft. Im berühmten Londoner Stalhof, dem Handlungszentrum Deutschlands in England, waren Attendorner Kaufleute nachweisbar. Von dort aus ging der Handel weiter über den Ostseeraum. In den alten Hansestädten an der Ostsee finden sich deshalb oft noch Attendorner Namen. Attendorner haben beispielsweise im Lübecker Stadtrat gesessen. Der Reichtum floss ins Sauerland zurück.
Die Pest
Die Pest wütete in Attendorn gleich vier Mal – in den Jahren 1464, 1597, 1598 und 1613. Jedoch gibt es nur wenige Informationen dazu und nur Erwähnungen sekundärer Art. „1598 und 1599 ist es dokumentiert in einer Chronik des sogenannten Klosters Galiläa bei Meschede. Dort waren aus Attendorn gebürtige Frauen Mitglieder der Ordensgemeinschaft, die das in ihrer Chronik niedergeschrieben haben“, so der Stadtarchivar. Es habe in diesen beiden Jahren 1600 Opfer gegeben.
Brände im 17. und 18. Jahrhundert zerstören die Hansestadt
Einschneidend für die Geschichte Attendorns waren die vielen Stadtbrände: In den Jahren 1613, 1623 und 1656 brannte die halbe Stadt ab. Bei weiteren Bränden in den Jahren 1710, 1737 und 1742 wurden ebenfalls große Teile der Stadt zerstört. Das letzte Großfeuer im Jahr 1783 vernichtete 246 Häuser, die Pfarrkirche mit Turm und Chor, das Rathaus, die Klosterkirche und das Franziskanerkloster. „Wir haben den Stadtbrand 1783 genau untersucht, im Zusammenhang mit dem 200-jährigen Jubiläums 1983. Da wurde erstmals wissenschaftlich untersucht, wie dieser Brand entstanden ist, welches Ausmaß er gehabt hat und wie er bewältigt wurde. Wir wissen ja, dass Anna Katharina Schnütgen in der Nähe des Wassertores in einem geisteskranken Zustand ihr Haus angezündet hat und daraus ist der Stadtbrand entstanden.“ Nur wenige Gebäude, zum Beispiel im Bereich Vergessene Straße oder des Spindelburggrabens, sind erhalten geblieben. Die Pfarrkirche ist bei den meisten Bränden stark beschädigt worden. Das Alte Rathaus, das heute das Südsauerlandmuseum ist, wurde auch immer wieder zerstört. Schon nach dem Brand von 1742 sind die Stufengiebel nicht mehr aufgebaut worden und die gotischen Fenster wurden zugemauert. Erst in den 1960er Jahren wurde das Gebäude wieder so aufgebaut, wie es heute zu sehen ist.
Zweiter Weltkrieg und explodierende Munitionslager
Im Zweiten Weltkrieg wurde Attendorn stark zerstört. Am 28. März 1945 haben alliierte Truppen ohne Vorankündigung Olpe und Attendorn bombardiert. Eigentlich sollte Finnentrop als Bahnknotenpunkt getroffen werden.
„Dabei sind 70 Prozent der Stadt zerstört worden. Es waren drei Bombardierungswellen. Bei einer Welle hat die südwestliche Ecke des Kirchturms einen Volltreffer abbekommen, der Turm ist abgebrannt, brennende Teile sind auf das Kirchendach gestürzt. 70 Prozent der Südstadt waren komplett zerstört“, erklärt Höffer.
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Eine weitere Folgekatastrophe blieb prägend für die jüngere Geschichte Attendorns noch im selben Jahr: „Die Alliierten hatten befohlen, sämtliche Munitionsreste, die man in Attendorn und Umgebung fand, im Keller des Rathauses einzulagern. Die Katastrophe war vorprogrammiert“, erzählt Otto Höffer. Am 15. Juni schließlich, als der Krieg bereits vorbei war, kam es zu einer großen Explosion aller Munitionsreste. Draußen vor dem Rathaus standen hunderte Menschen, um ihre Lebensmittelkarten abzuholen.
Hunderte Granaten, tausende an Gewehrmunition, Handgranaten und mehr explodierte im Keller des Rathauses. Große Teile der Franziskanerkirche wurden zerstört und über 30 Menschen fanden den Tod. „Diese beiden Katastrophen, der Zweite Weltkrieg und die Explosion, sind prägend gewesen und gleichzusetzen mit dem letzten Standbrand 1783“, sagt der Stadtarchivar.