Hohenlimburg. Ein Jahr nach den Starkregenfluten blicken die Menschen in der Nahmer wieder nach vorne. Doch die Juli-Ereignisse haben Spuren hinterlassen.
Ein Jahr voller Hoffnung, voller Frustration und insbesondere mit jeder Menge Arbeit. Die Zahl jener Familien, jener Frauen und jener Männer, die am 13. und 14. Juli des vergangenen Jahres in Hohenlimburg und insbesondere im Nahmer- und Nimmertal von der Jahrhundertflut getroffen worden sind, und deren Leben sich innerhalb von 48 Stunden dramatisch verändert hat, ist nicht zu beziffern. Viele hat es existenziell knüppelhart getroffen, andere sind mit dem sprichwörtlich „blauen Auge“ davongekommen.
Beispielhaft für die gesamte Bandbreite steht die „Kleine Haardt“ in der Nahmer. Besonders hart getroffen hat es Frank und Doris Poschmann. Sie haben nicht nur ihr schmuckes Fachwerkhaus verloren, sondern auch unermesslich viele Sammler- und Liebhaberstücke: 10.000 Tonträger und rund 1000 Weinflaschen, die der 70-Jährige in vielen Jahren von seinen Radtouren durch Europa mitgebracht hat. Nach intensiven Gesprächen mit der Versicherung und zig schlaflosen Nächten fasste zum Jahresende 2021 das Rentnerehepaar den Entschluss, das durch die Flut so arg in Mitleidenschaft gezogene mehr als 300 Jahre alte Fachwerkhaus abzureißen.
„Ich habe einfach nicht mehr die Kraft und den Mut, das Haus zu sanieren. Das kann Jahre dauern“, folgten die Besitzer damals dem Rat eines Sachverständigen.
Neubau in Planung
Dennoch möchte Familie Poschmann noch in diesem Jahr einen Neuanfang wagen. Entsprechende Gespräche mit der Stadt Hagen sind dazu bereits geführt worden. Denn Sohn Felix wird auf dem rund 4000 Quadratmeter großen Grundstück einen Neubau erstellen. Für sich und für seine Eltern.
„Unter vernünftigen Bedingungen. Dabei wird dem Hochwasserschutz Rechnung tragen“, erzählt Frank Poschmann, der nicht vergessen kann, wie am 13. und 14. Juli 2021 das Wasser von allen Seiten sein Gebäude durchspülte. „Von vorne und von hinten.“
Das hat Wunden gerissen und Narben hinterlassen. „Körperlich und psychisch. Am Anfang haben wir das nicht so wahrgenommen“, so der 70-Jährige. Das kam erst später. Deshalb sei er schon seit Wochen nicht mehr in der Obernahmer gewesen. „Es fällt mir schwer, in jenes Loch zu blicken, in dem einst unser Haus gestanden hat.“ Doch nach erholsamen Urlauben in der Steiermark und in Slowenien richten Frank und Doris Poschmann den Blick wieder nach vorne. „Wir haben uns dort auch Gärten angeschaut und Ideen gesammelt, wie wir das Grundstück in der Obernahmer gestalten können.“ Denn wenn die Arbeiten an der Haardtstraße abgeschlossen sind und der neue Asphalt aufgetragen ist, hofft er, dass Sohn Felix mit dem Bau des neuen Hauses beginnen kann. „Er möchte im Sommer starten.“
Rückkehr in die Haardtstraße
Wieder zurückgekehrt zur Haardtstraße sind bereits Gerd und Gabi Neuhaus. Für einen Zeitraum von elf Monaten hatten sie in Berchum eine Wohnung gefunden. Bei einer ehemaligen Arbeitskollegin von Gerd Neuhaus. „Wir haben uns dort sehr wohlgefühlt.“ Jetzt ist das Ehepaar aber froh, dass es nach mehr als 300 Tagen wieder in das (fast) vollständig sanierte Einfamilienhaus zurückkehren konnte und sich letztlich die so vielfältigen Sanierungsarbeiten gelohnt haben. Fast alles musste im Erdgeschoss erneuert werden. Zusätzlich die Heizungsanlage. Von den Außenanlagen nicht zu sprechen, denn die Flut hatte alles mitgerissen. Jetzt sind nur noch Restarbeiten zu erledigen.
Dankbar sind Gerd und Gabi Neuhaus, dass bei ihnen Wiederaufbauhilfe und Versicherung mitgezogen haben und alles relativ unbürokratisch über die Bühne gegangen ist. Dankbar sind sie aber auch den Hohenlimburger Kalkwerken, die in den ersten Tagen nach der Flut bei der Beseitigung der Geröllmassen die Anwohner der Haardtstraße mit Manpower und Geräten unterstützt haben. Aber auch Wolfgang Jörg (MdL), der mehrfach vor Ort war und nach einem Besuch mit dem Technischen Beigeordneten der Stadt Hagen, Henning Keune, die Instandsetzung der Straße mit initiiert hat. Neuhaus: „Die Randsteine und die Gullys sind gesetzt, eine Beleuchtung geschaffen und Glasfaserkabel verlegt. Aus einem Feldweg ist eine richtige Straße geworden.“
Auch Riccardo Bruni, der mit seinem Sohn Rodolfo seit Jahren eines der ältesten Häuser der Nahmer in Eigenregie saniert hatte und von der Flut ebenfalls voll getroffen worden war, ist wieder auf einem guten Weg. Er hat den weggespülten Teil der Hauswand wieder aufgemauert und auch die Innensanierung des einstigen Bürgerhauses fortgesetzt. „Wir haben nur kurz überlegt, ob wir es abreißen. Aber ein solches Haus darf nicht abgerissen werden.“
Gegenwärtig wartet er darauf, dass die Holzfenster geliefert werden. Und auch das Dach soll noch 2022 erneut werden. „Vielleicht können wir im nächsten Jahr einziehen?“
Um bei einem neuerlichen Hochwasser besser geschützt zu sein, hat er bereits den Eingang zu seinem Haus verlegt. Zusätzlich möchte er eine Schutzmauer erstellen. Denn bei jedem Gewitter, das über den Schlossberg zieht, kommen in der Nahmer die Erinnerungen an die dramatischen Nächte im Juli 2021 wieder hoch. „Wir wollen hoffen, dass so etwas nie wieder passiert“, sagt Gerd Neuhaus.