Kreis Olpe. Dass die Auto-Hersteller ihre Produktion zurückgefahren haben, bekommen auch Zulieferer aus dem Kreis Olpe zu spüren. Wie lange hält das an?
Droht der im Kreis Olpe großflächig vertretenen Autozuliefererbranche ein Flächenbrand oder kommen Kirchhoff, Mubea und Co. mit einem „blauen Auge“ davon? Nach Recherchen unserer Redaktion ist klar: Umsätze brechen ein, Rohmaterial fehlt und Preise sind monatelang durch die Decke gegangen. VW, Mercedes, Opel, Ford – von allen Seiten werden heruntergedrehte oder vorübergehend eingestellte Produktionen vermeldet. In diesem Jahr, so klagt die Autoindustrie weltweit, seien über zehn Millionen weniger Autos vom Band gelaufen. Wie ernst ist die Lage wirklich?
„In den Gesprächen der vergangenen Wochen ist mir deutlich geworden, dass in vielen Betrieben die Sorgen weiterhin groß sind“, sagt André Arenz, 1. Bevollmächtigter der IG Metall im Kreis Olpe. Autohersteller haben Aufträge bei vielen Zulieferern wieder zurückgenommen. „Unser Eindruck ist: Wenn das Material knapp ist, konzentrieren sie sich auf die Modelle, die am lukrativsten sind.“ Unternehmen, die Bauteile für andere Modelle zuliefern, leiden daher derzeit am meisten.
Kurzarbeit bei Mubea
Die Politik müsse angesichts der aktuellen Situation die in der Corona-Zeit gelockerten Vorgaben für das Kurzarbeitergeld verlängern, fordert die IG Metall. „Wir werden unseren Einfluss dahingehend geltend machen“, kündigt André Arenz an. Sollten die Regelungen wie geplant Ende des Jahres auslaufen, könnten Arbeitsplätze bedroht sein.
Die Mitarbeiter vom Leichtbauspezialisten Mubea – in Attendorn sind rund 1500 Mitarbeiter beschäftigt – sind dieser Tage im Schnitt einen Tag pro Woche in der Kurzarbeit. Das hat einen nachvollziehbaren Grund: Durch besagte Lieferengpässe läuft die Produktion auch bei Mubea nicht so, wie es sich das Unternehmen vorgestellt hatte. Laut Stefan Lemmen, kaufmännischer Geschäftsführer, liegen die Umsätze aktuell rund 20 Prozent unter den Erwartungen.
Ein wesentlicher Grund ist die große Nachfrage nach Mikro-Chips, vor allem aus der Elektronikindustrie. Dadurch schauen die Autobauer in die Röhre. „Die Nachfrage beim Endkäufer nach Autos ist weiterhin sehr hoch, doch schauen Sie mal auf die Höfe der Händler: Da stehen deutlich weniger Autos, weil Neuwagen derzeit überhaupt nicht gebaut werden“, betont Lemmen.
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Dass die Autobranche bei den Mikro-Chips das Nachsehen hat, habe laut Lemmen mehrere Gründe: Die Nachfrage übertreffe das Angebot, was wiederum damit zusammenhänge, dass es bei den Mikrochips im vergangenen Jahr Produktionsausfälle gab – in Japan brannte ein Werk, in Texas brach der Winter ein. „Solche Faktoren haben die Halbleiterproduktion zusammenschrumpfen lassen“, so Lemmen. Er geht aktuell auch nicht davon aus, dass sich die Situation bis Ende dieses Jahres spürbar verbessern wird.
Einer, der den Blick über den eigenen Kirchturm hinaus richtet, ist Arndt G. Kirchhoff, Attendorner Unternehmer und Spitzenfunktionär der Metall- und Autobranche. Er analysiert die aktuelle Situation ungeschönt, appelliert aber, Ruhe zu bewahren: „Das hört sich alles dramatisch an, ist es auch im Einzelfall, wir sollten aber dennoch nicht in Panik verfallen. Die Situation hat ursächlich mit Corona zu tun. Das hat alles durcheinandergebracht bei den Lieferketten. Durch die Lockdowns, durch Schließen von Grenzen. Bis heute sind Schiffe nicht da, wo sie sein sollten. Dann spielt auch Personal eine Rolle, das während der Lockdowns nicht benötigt wurde und jetzt nicht mehr auf Knopfdruck zur Verfügung steht.“
Insolvenzen derzeit noch selten
Aber, so Kirchhoff weiter: „Wir dürfen die Lage auch nicht überdramatisieren. Wir arbeiten noch. Aber wir arbeiten in einer Situation, in der uns niemand sagen kann: Was ist morgen?“ Dadurch gebe es in fast allen Unternehmen der Branche immer mal wieder Kurzarbeit: „Wichtig ist es, den Mitarbeitern zu erklären, dass da keine böse Absicht hinter steckt.“ So komme es beispielsweise vor, dass Mitarbeiter in der Mitte einer Woche unter Stress gerieten, „weil Teile am Montag fertig sein sollen, was nur mit Wochenendarbeit geht. Und am Montag ruft der Kunde an und sagt: Ich will das gar nicht mehr haben, weil mir andere Teile fehlen. Dann liegen unsere produzierten Stücke hier ‘rum und wir müssen unsere Leute nach Hause schicken und sagen: Ihr müsst jetzt fünf Tage Kurzarbeit machen.“
Arndt Kirchhoff macht aber auf eine aus seiner Sicht wichtige Entwicklung aufmerksam: „Wir haben Hoffnung, dass sich die Situation absehbar wieder bessert. Die Preise sind völlig abgehoben, egal, ob wir von Holz, Papier, Stahl, Alu oder Kunststoff sprechen. Das sorgt derzeit ja auch für die Inflation. “ Jetzt sei aber ein Silberstreif am Horizont zu sehen: „Die Preise geben leicht nach. Und das ist das erste Anzeichen: Da beruhigt sich etwas.“ Deshalb empfiehlt Kirchhoff: „Wir sollten versuchen, da ruhig durchzusteuern.“ Bisher sei die Zahl der Insolvenzen noch nicht spürbar gestiegen.
Sollte sich die Situation in Richtung Jahresende nicht bessern, rechnet Kirchhoff damit, dass der Arbeitsminister die Kurzarbeitergeldregelung erneut verlängere. „Ansonsten kann es noch ruppiger werden.“