Kuckuck. Friedhelm Hesse und seine Lebensgefährtin wohnen in Kuckuck. So wie schon seine ganze Familie. Und zwar seit 1725. Wie ein Leben dort aussieht?
Der Nebel schenkt den Baumkronen ein lichtes Kleid. Die Sonne steht tief, wirft ihr Licht durch die Äste der hohen Tannen. Irgendwo gurrt eine Eule. Ein kleiner Brunnen plätschert auf der Terrasse. Friedhelm Hesse und seine Lebensgefährtin Gabriele Ricke sitzen draußen. Sie beobachten die letzten Stunden des Tages. Ihr Blick schweift über die Schatten, die der angrenzende Wald über das Panorama in Kuckuck wirft. „Das Schöne ist die gewisse Idylle“, sagt Friedhelm Hesse. „Hier lässt es sich leben.“
Kuckuck gehört zu Finnentrop. Das etwa vier Hektar große Örtchen liegt im nordöstlichen Bereich des Gemeindegebietes, nah an der Grenze zum Hochsauerland. Eine Familie lebt hier. Und zwar die Familie Hesse – und das schon seit etlichen von Jahren. Genauer gesagt befindet sich der Hof seit 1725 im Familienbesitz. Heute wohnen 14 Menschen aus vier Generationen hier, zwischen 89 und drei Jahren. Einer davon ist der 59-jährige Friedhelm Hesse. „Ich bin hier geboren, eine Hausgeburt“, erzählt er. „Ich könnte mir niemals vorstellen, irgendwo anders zu leben.“
Der erste Vogel über dem Dorf
Der Sage nach haben die Menschen damals in Kuckuck nach einem Namen gesucht. Der erste Vogel, der über das Dorf fliegt – nach ihm sollte der Ort benannt werden. Darauf sollen sie sich letztlich geeinigt haben. Und das war eben der Kuckuck. „Ist aber auch besser als ‚Mäusebussard‘ oder so“, scherzt Gabriele Ricke. Sie lebt jetzt seit sechs Jahren bei ihrem Friedhelm. Übrigens mit Dackel-Dame Agathe und den beiden Eseln Mia und Manni. „Im Frühjahr hören wir den Kuckuck auch manchmal“, erzählt sie.
+++ Lesen Sie hier, warum die Arbeit des Försters so wichtig ist +++
So wie die vielen anderen Tiere. Denn Kuckuck ist umgeben von Wald. Hin und wieder verirrt sich auch mal ein Waldbewohner auf den Hof. Aber eher seltener. Höchstens mal ein Mader oder ein Waschbär. Rehe sind nur aus der Ferne zu beobachten. Genau wie sich Wildschweine im nahen Wald tummeln. Oder Füchse und Hasen. „Wir schlafen bei offenem Fenster“, erzählt Gabriele Ricke. „Die Vögel sind schon früh wach. Kurz nach vier Uhr ist unsere Nacht vorbei.“
Waldbesitz ist ein Generationen-Vertrag
Sie sitzen gern abends auf ihrem Hof. So wie heute. Lauschen, wie es nach und nach wieder ruhiger wird. Wie sich die Vögel in ihren Unterschlupf zwischen den Ästen und Zweigen zurückziehen. Es ist eben kein Reihenhaus. Nicht dicht an dicht wie in der Stadt. Von der Großstadt ganz zu schweigen. „Das genieße ich“, sagt Friedhelm Hesse. „Ich bin den ganzen Tag unterwegs bei der Arbeit. Es tut gut, abends zurückzukommen.“
+++ Lesen Sie hier mehr über die WP-Waldretter-Aktion +++
Aber so ein Hof mit eigener Wasserversorgung und eigener Bio-Kläranlage macht Arbeit. Viel Arbeit. Friedhelm Hesse ist Dachdecker und Bauklempner – sowie Waldbesitzer. Das heißt, am Ende des Tages ist noch nicht an Feierabend zu denken. Er kontrolliert und pflegt regelmäßig seinen Bestand, schaut, wo aufgeforstet werden muss. Nicht zuletzt, weil der Borkenkäfer so viele Fichten zunichtegemacht hat. Bis in die 70er-Jahre konnte die Familie noch vom Ertrag der Wald- und Landwirtschaft leben, den Hof davon unterhalten. Das geht heute nicht mehr. Heute steckt Friedhelm Hesse eher Geld rein, als Gewinn zu erzielen. Aber er tut es für den Wald, für die Zukunft – dafür, dass es weiter geht. „Waldbesitz ist ein Generationen-Vertrag“, sagt er. „Wir tragen Verantwortung. Nicht nur für die eigenen Enkel.“
Idylle hat auch seine Herausforderungen
In der Regel ist es ruhig in Kuckuck. Nur am Wochenende nutzen Motorradfahrer gern die kurvenreiche Strecke für einen Ausflug. Doch die Idylle hat auch seine Herausforderungen. Wenn Schnee oder Sturm die Oberleitung beschädigt. „Wir haben immer einen Vorrat zuhause“, sagt Friedhelm Hesse. „So, dass wir zur Not ein paar Tage auf das Einkaufen verzichten können.“ So wie 2007. Friedhelm Hesse kann sich noch gut an den Orkan Kyrill erinnern. „Die Bäume lagen über der Straße. Wie Mikado-Stäbchen sind sie umgefallen. Die Bäume brachen und knackten“, erzählt er. „Wir kamen hier gar nicht mehr weg.“ Nachbarn aus dem Nachbarort kamen. Mit Werkzeug, Trecker und Seilwinde haben sie die Straße befreit. Mit vereinten Kräften.
Hin und wieder mal Urlaub. Am Meer oder auch in den Bergen. Gern auch mal auf Mallorca. Aber wegziehen möchten Friedhelm Hesse und seine Lebensgefährtin nie. Dafür haben sie den kleinen Ort Kuckuck viel zu sehr ins Herz geschlossen. Den Ort, den ein Ortsstein mit Bronze-Schild ziert, den die Familie einst hat aufstellen lassen. Den Ort, an dem die ganze Familie aufgewachsen ist – und noch aufwachsen wird.