Vorhalle. Ein subjektiver Blick auf 36 Orte in Hagen: Für unsere Sommerserie „Neulich in Hagen“ schwärmen die Reporter aus. Heute: der Vorhaller Kreisel.

Der Vorhaller Kreisel ist gar kein Kreisel. Nicht im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Das ist eine der verblüffendsten Feststellungen, auf die mich die Hagener Polizei bei meinen Recherchen zum Kreisverkehr in Vorhalle aufmerksam macht. Vielmehr handele es sich um „eine im Kreis verlaufende Verkehrsführung“, erklärt Tim Sendler von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Hagen. Eine Verkehrsführung, in der andere Regeln gelten als in einem Kreisverkehr.

Hätte ich eigentlich selbst drauf kommen können. Schließlich habe ich mich eine Stunde lang zu Fuß am Vorhaller Kreisel herumgetrieben, habe den wimmelnden Verkehr beobachtet, die Lichthupen, die hier alle paar Minuten aufblitzen, und die Reklametafeln, die mit ausgefallenen Sprüchen wie „Lkw sucht Fahrer“ die Aufmerksamkeit der zahlreichen Verkehrsteilnehmer erheischen.

Umgebung mit Werbung bestückt

Der Vorhaller Kreisverkehr ist neben dem Emilienplatz sicherlich die am stärksten frequentierte Kreuzung in Hagen. Er ist nicht nur ein bedeutender Knotenpunkt, an dem B54 und B226 aufeinandertreffen und von dem aus man in wenigen hundert Metern die A1 erreicht, er wirkt auch wie ein Tor zur Stadt. Egal, ob man aus Herdecke oder Vorhalle kommt, im Kreisel hat man die Großstadt erreicht.

Und die Firmen und Marketingfachleute wissen das, weshalb die Umgebung des Kreisels mit Werbung bestückt ist. Und die Stadtverwaltung ist sich dessen auch bewusst, weshalb sie Besucher kurz vor dem Kreisel mit einer Informationstafel über die Hagener Partnerstädte empfängt: Lievin, Montlucon, Berlin (in Kleinschrift und im Vorbeifahren kaum zu lesen der Zusatz: Steglitz-Zehlendorf), Bruck an der Mur, Smolensk und Modi´in.

Hagen auf Augenhöhe mit der deutschen Hauptstadt

So mancher Autofahrer mag mit dem Erstaunen weiterfahren, dass sich Hagen auf Augenhöhe mit der deutschen Hauptstadt sieht. Nicht schlecht.

Der Bereich in Vorhalle gilt als Unfallschwerpunkt.
Der Bereich in Vorhalle gilt als Unfallschwerpunkt. © Unbekannt | Michael Kleinrensing

Das Verkehrsgeschehen im Kreisel, pardon, in der im Kreis verlaufenden Verkehrsführung, ist auch so eine Nummer für sich. Selbst wer sich auskennt und hier täglich durchrauscht, muss auf der Hut sein – vor allem dann, wenn er von Vorhalle nach Herdecke möchte.

Bitte rechtzeitig einordnen

Dann gilt es, sich rechtzeitig links einzuordnen. Wer das versäumt, kann nicht mehr, wie das in einem echten Kreisverkehr möglich wäre, die Spur wechseln, sondern wird unweigerlich nach Eckesey geführt. „Das muss man erstmal verinnerlichen“, sagt Victor Blinov (44), der jahrelang durch den Kreisel zur Arbeit gefahren ist: „Vor allem bei fremden Kennzeichen muss man extrem aufpassen, dass der Fahrer nicht plötzlich rüberzieht und einem reinfährt.“

Optimal sei die Verkehrsführung nicht gelöst, findet Blinov. Aber er möchte das nicht als Besserwisserei verstanden wissen, denn eine Alternative kenne er auch nicht: „Ich denke, da wird sich schon jemand seine Gedanken gemacht haben.“

Ein Blick von oben auf die grüne, runde Fläche.
Ein Blick von oben auf die grüne, runde Fläche. © Unbekannt | Alex Talash

Auch beim Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) weiß man um die Eingangs- bzw. Schaufensterfunktion, die der Vorhaller Kreisverkehr für Hagen besitzt. Die bepflanzte Insel im Zentrum wird regelmäßig gemäht und gepflegt, Anfang Juli wachsen dort zum Beispiel Lavendel, Salbei, Schafgarbe und Chinaschilf. Im Winter erregte hier eine zwei Meter hohe, beleuchtete Metallkonstruktion der Firma Dörken die Aufmerksamkeit der vorbeifahrenden Autofahrer, mit der sich der Betriebsrat beim Vorstand des Unternehmens für die Unterstützung von Menschen in Not bedanken wollte.

Ampeln regeln den Verkehr

Was fehlt – egal, aus welcher Richtung man sich dem Kreisel nähert –, ist das blaue Verkehrszeichen mit den drei weißen Pfeilen, das einen Kreisverkehr ankündigt. Jetzt, wo ich weiß, dass der Kreisel kein Kreisel ist, fällt mir das natürlich auf. Der Verkehr wird durch Ampeln geregelt. Und wer den Kreisel verlassen will, braucht, anders als in einem „richtigen“ Kreisverkehr, keinen Blinker zu setzen, klärt mich der Polizeisprecher auf.

Ein Unfallschwerpunkt

Trotz der Ampeln ist der Vorhaller Kreisel ein Unfallschwerpunkt. Im vergangenen Jahr zählte die Polizei hier zehn Karambolagen mit Folgeerscheinungen wie verletzten Personen oder Unfallflucht. Nicht erfasst in der polizeilichen Statistik sind dagegen die zahlreichen kleinen Blechschäden, die sich im Kreisverkehr ereignen. Deren Anzahl sei jedenfalls wesentlich höher, so Polizeisprecher Sendler: „Und weil es sich um einen Unfallschwerpunkt handelt, überwachen wir den Verkehr hier sehr intensiv, zum Beispiel mit Geschwindigkeitskontrollen.“ Aber auch auf das Fahrverhalten innerhalb der „im Kreis verlaufenden Verkehrsführung“, etwa Spurwechsel und Blinkersetzen, habe die Polizei ein Auge.

Die Folgen unserer Sommerserie „Neulich in Hagen“ finden Sie auch auf unserem Internetauftritt www.wp.de/neulich-in-hagen.de