Hagen. Das Hilfsangebot am Telefon der VHS Hagen ist eingeschlagen wie eine Bombe. Wie die Buchung der Corona-Impftermine für alte Leute funktioniert.
„Am ersten Tag hab‘ ich gedacht ,Michaela, was hast du dir da angetan? Das Telefon stand nicht mehr still, mindestens 300 Anrufe innerhalb weniger Stunden“, blickt Michaela Kosolofski zurück und spielt auf den telefonischen Hilfsdienst an. Was sich dahinter verbirgt? Seit knapp drei Monaten bietet die Hagener Volkshochschule (VHS) Bürgern an, ihnen bei der Buchung von Corona-Impfterminen behilflich zu sein. „Viele ältere Menschen sind verzweifelt und mit dem Buchungsprozedere total überfordert. Wir hören am Telefon viele, auch traurige Geschichten rund um Corona. Doch wir sind überglücklich, dass wir helfen können“. strahlt die 48-Jährige.
Seit 21 Jahren bei der VHS beschäftigt
Michaela Kosolofski ist seit 21 Jahren im Servicebereich und an der Anmeldung bei der VHS beschäftigt. Die Bildungseinrichtung ist coronabedingt seit Monaten geschlossen, „wir bieten zwar Online-Kurse an, aber das Haus, also die Villa Post und die Cafeteria, sind zu“, sagt die Hagenerin.
In der Corona-Anfangszeit haben einige Mitarbeiter ihre Räume auf Vordermann gebracht und gründlich aufgeräumt, dann habe sich ein Teil des Teams zum Beispiel in der Suppenküche engagiert und bei der Lunchpaket-Ausgabe an Bedürftige geholfen.
„Im Februar hatte unsere Chefin dann eine weitere Idee“, berichtet Michaela Kosolofski. Bianca Sonnenberg, Leiterin der Hagener VHS, hatte von Kollegen aus Lüdenscheid, die sich rund um die Vergabe von Impfterminen in ihrer Stadt engagieren, erfahren. „Frau Sonnenberg hat uns davon erzählt und gefragt, ob das auch für uns in Frage kommen könnte. Und vier Mitarbeiterinnen – darunter auch ich – fanden die Idee klasse“, resümiert Michaela Kosolofski.
Viele sind bei der Buchung selbst überfordert
Ende Februar wurde das Unterstützungsangebot über die lokalen Medien bekanntgegeben, kurz darauf ging’s los. „Das Angebot schlug ein wie eine Bombe“, sagt Michaela Kosolofski und lacht. Am VHS-Telefon notieren die Mitarbeiter Name, Anschrift und Telefonnummer von jedem, der einen Impftermin haben möchte, bei der Buchung selbst jedoch überfordert ist.
„Die meisten Anrufer sind ältere Leute, die oftmals keinen Computer besitzen und sich mit Online-Dingen nicht auskennen“, so die 48-Jährige. Was ihr wichtig ist? „Die Hilfesuchenden bekommen noch am gleichen Tag ihres Anrufs von uns eine Antwort, auch wenn wir für sie noch keine Buchung vornehmen konnten, da vielleicht kein Termin mehr frei ist. Aber wir bleiben dran, wenn nötig tagelang.“ Außerdem würde sich immer die gleiche Ansprechperson beim Hilfesuchenden melden, „sonst kommen die alten Leute durcheinander.“
Vermittlungsarbeit erfordert Geduld
Die Vermittlungsarbeit erfordert Geduld und gute Nerven, „Ich kenne mittlerweile jede Krankheit von A bis Z und etliche Familien- und Nachbarschaftsgeschichten“, sagt Michaela Kosolofski, „man merkt am Telefon, dass viele der Anrufer aufgrund von Corona und ihres Alters nicht mehr viele Kontakte zu anderen Menschen haben. Verständlicherweise möchten sie sich dann mit uns so lange wie möglich unterhalten.“ Doch letztendlich gehe es darum, möglichst vielen Anrufern die für sie schwierige Terminbuchung abzunehmen, „ich würge Anrufer nicht gerne ab, aber manchmal muss es einfach sein“, gesteht Michaela Kosolofski.
Das Hilfsteam hört auch traurige Geschichten. Wie jene von einem alten Mann, dessen Frau vier Wochen zuvor gestorben war. „Er hatte beinahe ein schlechtes Gewissen, sich wegen eines Impftermins bei uns zu melden, dabei wollte er trotz des Verlustes seiner Frau einfach weiterleben.“ Oder der Anruf einer verzweifelten Mutter eines Mitte-20-jährigen Sohnes mit Hirntumor, „als Pflegeangehörige haben wir ihr entsprechende Kontakte vermittelt, damit auch sie geimpft werden konnte.“
Von montags bis freitags erreichbar
Wer Hilfe bei der Buchung eines Termins für die Coronaschutzimpfung benötigt, kann sich beim VHS-Team montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr unter der Telefonnummer 02331-207 3622 melden.
Die meisten Anrufer würden darüber klagen, dass sie bei fünf, sechs Stellen angerufen hätten, ohne weiterzukommen. Bei Nachfragen ihrerseits könnten die Anrufer dann häufig jedoch keine klare Auskunft darüber geben, bei wem sie denn nachgefragt hätten, „die ganze Sache ist kompliziert und ständig werden neue Impfrichtlinien bekanntgegeben.“
Lage entspannt sich langsam
Langsam entspanne sich die Lage allerdings, die Leute seien aufgeklärter als noch vor ein paar Wochen, „und ein Großteil der Hochbetagten ist mittlerweile geimpft.“
In jüngster Zeit rufen noch etwa 20 bis 40 Hilfesuchende pro Tag beim VHS-Team an. „Einige glauben, wir würden über ein Sonderkontingent an Impfterminen verfügen, das ist aber nicht so. Wir buchen genau wie Privatleute über ,terminland.de‘“, betont Michaela Kosolofski.
Viel Positives über das Impfzentrum
Was sie und die übrigen VHS-Helfer jeden Tag aufs Neue motiviert? „Wie dankbar und glücklich die Leute, für die wir einen Termin gebucht haben, sind. Das ist wirklich rührend. Etliche wollten uns sogar schon Blumen oder Pralinen ins Büro bringen. Aber wir sagen dann natürlich ,Gern geschehen, das ist aber nicht nötig‘, da bei uns die Regel ,Möglichst alles kontaktlos‘ großgeschrieben wird.“ Einige würden sich auch, nachdem sie geimpft worden seien, nochmals bei ihnen melden: „Und bislang haben wir nur Positives über das Impfzentrum und auch die Verträglichkeit des Impfstoffes gehört“, versichert Michaela Kosolofski erleichtert.