Hagen. Wlodek Christof Uryga ist neues Mitglied der Jüdischen Gemeinde Hagen. Er wurde es just am Tag, an dem die Flagge gehisst und eingeholt wurde.

Mit einer Mahnwache bekundete am Dienstagabend der Freundeskreis der Städtepartnerschaft Hagen-Modiin Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde in Hagen, deren Mitglieder durch die Geschehnisse rund um die Israel-Flagge vor dem Rathaus schockiert sind.

Die Jüdische Gemeinde selbst hat noch einmal Stellung zum Einholen der Israel-Flagge durch die Stadt Hagen und zu den antisemitischen Pöbeleien gegen den Fahnenschwenker vor dem Rathaus genommen. „2014, während des ersten Gaza-Krieges, haben wir versucht, uns argumentativ auseinanderzusetzen mit dem Hagener Umgang mit dem Juden-ins-Gas-Mob“, blickt Vorsitzender Hagay Feldheim zurück und kommt zu der bitteren Erkenntnis: „Wir haben keine guten Erfahrungen damit gemacht.“

Was das alles für die Juden in Hagen bedeutet

In die Debatte um das Einholen der israelischen Flagge am Hagener Rathaus möchte sich die Jüdische Gemeinde in Hagen daher nicht mit Argumenten einmischen. Stattdessen verweist Feldheim auf einen Einzelfall, der verdeutliche, was die Entscheidung der Hagener Politik für die Juden in der Stadt bedeute.

Am 12. Mai habe sich Wlodek Christof Uryga als neues Gemeindemitglied bei der Hagener Stadtverwaltung als Jude angemeldet, so Feldheim: „Dieser Mann stammt aus Polen.“ Er sei der Sohn einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters.

In die jüdische Gemeinde aufgenommen würden eigentlich nur Menschen, die Kinder einer jüdischen Mutter seien. Uryga habe sich seine Aufnahme jedoch erkämpft, indem er das Rabbinatsgericht davon überzeugen konnte, dass der jüdische Lebensweg für ihn der richtige sei, berichtet Feldheim: „Dabei wird eine Rolle gespielt haben, dass er die Tragödie seines Vaters vor den Rabbinern entfalten konnte.“

Die jüdische Identität vor den Kindern verheimlicht

Dieser Vater musste im Nachkriegspolen so viel heimlichen und offenen Antisemitismus erleben, dass er sich gezwungen fühlte, seine jüdische Identität selbst seinen eigenen Kindern vollkommen zu verschweigen: „Dieses Opfer brachte er, damit es seine Kinder nicht seinetwegen schwer haben sollten im Leben.“

In einem freien Land und in einem Land, dass besondere Gründe hat, jüdische Identität zu schützen und zu stärken, wollte der Sohn das Opfer seines Vaters durch seine Rückkehr zum Judentum auf seine Weise ehren und anerkennen. Der 12. Mai war der Tag, an dem er diesen Entschluss durch die Eintragung im Hagener Rathaus in die Öffentlichkeit trug.

Ein besonderer Tag für die Juden

Der 12. Mai ist ein besonderer Tag für Juden in Deutschland und in Israel. Am 12. Mai 1965 haben Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen. Zur Erinnerung daran wurde am Hagener Rathaus – wie an vielen anderen Rathäusern – die israelische Flagge gehisst.

Uryga habe diese Fahne am Rathaus mit gemischten Gefühlen betrachtet, so Feldheim. Einerseits habe es den Mann mit Freude und Zuversicht erfüllt, die Flagge des Landes der Heimat des Volkes, zu dem er nun gehörte, dort wehen zu sehen. Aber er habe sich auch gefragt, warum die israelische Flagge allein dort hing. „Gefeiert wurde doch die Aufnahme von Beziehungen zwischen zwei Ländern“, so Feldheim.

So platzte ein Traum

Kurze Zeit später sei der Traum endgültig geplatzt. Die Flagge wurde von der Stadt eingeholt. Zur Erklärung sagte die Stadt, sie wolle mögliche Ausschreitungen verhindern – eine Begründung, die Feldheim noch problematischer findet als „die grausame Geste des Einholens“ selbst.

Dem Himmel sei Dank sei das nicht das schlimme Ende der Geschichte gewesen, erzählt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde weiter. Mehrere Menschen hätten sich gemeldet und versichert: „Was da heute in Hagen passiert ist, ist schrecklich. Wir fühlen mit Euch.“

Hagay Feldheim und die Juden in Hagen schöpfen daraus ein wenig Hoffnung: „Ganz allein sind wir immer noch nicht.“

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Hagen und Umgebung lädt in Absprache mit der Jüdischen Gemeinde Hagen am heutigen Mittwoch, 26. Mai, zu einer Solidaritätskundgebung an der Synagoge in der Potthofstraße ein. Beginn ist um 18.30 Uhr.

Zum Abschluss können alle Teilnehmer eine mitgebrachte Blume auf dem Gelände der Gemeinde niederlegen.