Lennestadt/Kirchhundem. Peter Stolz, langjähriger Musikschulleiter, kann der Pandemie trotz allen Unwägbarkeiten auch positives abgewinnen. Was genau, verrät er hier:
Die Welle der Empörung von tausenden Pädagogen und Erziehungsverbänden war riesig, als sie vor einem Jahr zum Online-Unterricht verdonnert wurden und die eingefahrenen Pfade zwischen Lehrer- und Klassenzimmer verlassen mussten.
Von einer Schulform hat man bis heute nichts gehört: den Musikschulen. Auch zwischen Violin- und Bassschlüssel mussten die Lehrerinnen und Lehrer das Rad des Musikunterrichts neu erfinden, aber nicht drammatico e flebile, sondern geradezu possible passionato – und das mit vielen positiven Erfahrungen. „Es klappt erstaunlich gut, so dass viele Eltern sagen, der Online-Unterricht ist eine gute Alternative“, zieht Peter Stolz, langjähriger Leiter der Musikschule Lennestadt-Kirchhundem nach einem Jahr „Musikschule im Home Office“ eine überraschend positive Bilanz.
Rund 600 Schüler, zusätzlich 200 Jekits-Schüler
An der Musikschule Lennestadt-Kirchhundem unterrichten 19 Lehrkräfte etwa 600 Schülerinnen und Schüler, zusätzlich lernen 200 Jekits-Schüler das Einmaleins der Musik.Die Gebühren der Musikschule Lennestadt-Kichhundem sind auch im Online-Unterricht gleich geblieben. Wenn also kein Unterricht stattfindet, werden die Gebühren erstattet.
Ohne lange zu lamentieren, stellte die Musikschule im ersten Lockdown nach den Osterferien 2020 konsequent auf Online-Schulung um. Ein Beginn bei „Null“, denn es gab weder Erfahrungen noch fertige Unterrichtskonzepte und schon gar keine Dashboards, spezielle digitale Infrastruktur oder Programme, etc. „Wir mussten uns das erst einmal erarbeiten“, blickt Stolz zurück. Vielleicht sind Musikerinnen und Musiker flexibler als andere Lehrpersonen, jedenfalls war und ist die digitale Ausstattung kein Hindernis. „Wir arbeiten über Zoom, Skype, WhatsApp, je nachdem, was die Kinder zuhause haben“, so Stolz.
Zu festen Zeiten rufen die Lehrerinnen und Lehrer ihre Schützlinge per Videoanruf an, und schon geht’s im virtuellen Musikzimmer los, von Monitor zu Monitor. „Ich mach das sogar sehr gerne, weil es einfach gut klappt. Und auch die Kolleginnen und Kollegen sind zufrieden“, sagt Peter Stolz, der selbst Gitarre unterrichtet. „Es ist auch für Kinder mal was anderes und interessant, mit dem Computer zu arbeiten.“
Manueller Eingriff nicht möglich
Natürlich hat der Digitalunterricht seine Grenzen. Das Instrument klingt online nicht so wie in natura, der Klang ist nicht da, der Schüler hört Klangnuancen nicht. Der Lehrer kann erklären, kann falsche Fingersätze und rhythmische Fehler korrigieren, kann loben und kritisieren. Aber ein manueller Eingriff oder auch das Zusammenspiel von Lehrer und Schüler, das – wenn es klappt – bei jedem Musikschüler Glücksgefühle brillante e con brio auslösen kann, ist naturgemäß wegen der Übertragungsverzögerung nicht möglich.
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Komplett auf der Strecken bleiben derzeit die Ensemble der Musikschule und auch die musikalische Früherziehung mit den 6- und 7-Jährigen, also fast die gesamte Gruppenarbeit. Nur der Instrumentalunterricht in Gruppen kann online stattfinden, dann wird die Unterrichtszeit zwischen den Schülern aufgeteilt, aus einer Unterrichtsstunde zu dritt werden drei Mal 20 Minuten Einzelunterricht.
Ebenso ist die soziale Ebene zwischen Lehrer und Schüler weitgehend ausgeblendet, weshalb „viele unserer Lehrer und Lehrerinnen sagen, es wäre schön, wenn wir unsere Schüler wieder im Unterricht sehen könnten.“ Das wird noch dauern, deshalb ruht auch das vom Land NRW geförderte Programm Jekits (Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen) derzeit, „weil wir nicht in die Schulen können“, so Stolz. In Lennestadt und Kirchhundem betrifft das immerhin rund 200 Schülerinnen und Schüler. Für die Musikschulen, die in der Verordnung als ähnliche Einrichtungen gelten, gelten die gleichen Corona-Regeln wie für andere Schule.
Nur wenige Abmeldungen
Das heißt, im Präsenzunterricht sind Schnelltests, Hygieneregeln etc. obligatorisch und für die Musikschule galt ebenfalls „das ganze Hin und Her, eine Woche Distanz, dann wieder Präsenz, dann wieder Onlineunterricht, das ist schon ziemlich spannend“, sagt Stolz. Nervig wäre wohl das passendere Wort gewesen. Dass Präsenzunterricht pädagogisch sinnvoller und hochwertige ist, ist auch in der Musikschule unbestritten. Dennoch gibt es laut Peter Stolz nur wenige Abmeldungen unter den Schülerinnen und Schülern. „Es gab einige Eltern, die den Online-Unterricht ablehnen, speziell bei den kleineren Schülern. Aber wenn der Präsenzunterricht wieder startet, wollen diese wiederkommen.“
Für die Lehrer-Eltern-Kommunikation hat der Online-Unterricht sogar Vorteile. „Die Eltern sind greifbar, das können wir nutzen. Wir haben so richtig guten Kontakt zu den Eltern.“ Diese bekommen beim Unterricht zuhause auch mehr mit, was im Unterricht läuft.
Ein weiterer Vorteil, den viele Eltern durchaus schätzen: Es entfallen die Bring- und Abholfahrten für die Musikschülerinnen und – schüler. Musikschulleiter Peter Stolz hat sein Urteil über Musikschule im Home-Office oder Fernstudium bereits gefällt: „Der Online-Unterricht ist eine Alternative, gerade hier im ländlichen Raum, wo wir teilweise sehr weite Fahrwege haben und ich denke, dass diese Unterrichtsform als Alternative bleiben wird. Es gibt Eltern, die gerne mal die ein oder andere Stunde online hätten, wenn es mit dem Fahrdienst nicht klappt. Also: Online-Unterricht kommt gut an, obwohl der Präsenzunterricht hochwertiger ist.“ Und was gibt es Schöneres, wenn zig Musikschülerinnen und -schüler bei geöffnetem Fenster spielen, singen, blasen, streichen, klopfen… Musik machen, egal ob andante cantabile oder vivace furioso.