Menden. Von der Treppenraupe für Rollstuhlfahrer bis zum Ausweichlager für betroffene Betriebe: Viele Hilfsangebote nach der Flut in Menden.
Es ist eine Probefahrt: Vorsichtig steuert Peter Maywald am Samstagmittag die elektrische Raupe die Feuertreppe am „Haus Dominik“ hinunter, auf der Hausleiterin Andrea Vortmann als Testfahrerin im Rollstuhl sitzt. Betreuer Timo Horn steht vor ihr mit ausgebreiteten Armen, um ihr das Gefühl von Sicherheit zu geben, denn es geht steil bergab. Aber die Raupe funktioniert, Peter Maywald bringt Andrea Vortmann sicher nach unten. Und darum geht es hier: Die Hönne-Flut hat den Aufzug in dem Haus für schwerst-mehrfachbehinderte Menschen unrettbar zerstört – vier Bewohner im oberen Stockwerk kommen jetzt nicht mehr herunter, es sei denn, sie würden jedesmal getragen.
Die WP hörte davon – und nach dem Bericht am Freitag über die buchstäblich gefangenen schwerbehinderten Menschen meldete sich am Samstagmorgen Peter Maywald. In seinem Geschäft „Gerotronik“ an der Lendringser Hauptstraße verfügt er über eine Treppenraupe, die Menschen in Rollstühlen die Treppen bewältigen lässt. Er würde eine davon kostenlos zur Verfügung stellen – und die vorgeschriebene Schulung der Pflegekräfte werde er auch vornehmen. Gesagt, getan!
Riesendankeschön aus dem VKM-Heim für rasche und unkomplizierte Hilfe
Allerdings stellt sich mittags vor Ort heraus, dass das Treppenhaus im „Dominik“ für die Raupe zum Wenden zu eng ist. Was funktioniert, ist die große Feuertreppe. Auf deren Gitterboden erweist sich das Wenden der Raupe samt Rollstuhl und Insassin aber als mühselige Angelegenheit. Ein weiterer Anruf bringt Rettung: Die Firma Driesch fertigt am Montag ruckzuck passende Bodenbleche und schickt sie samt Monteur ins Heim an der Schmölenallee. Marie-Ellen Krause, Vorsitzende des Vereins für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (VKM), zeigt sich beeindruckt von so viel Hilfsbereitschaft. „Unglaublich. Ich kann Herrn Maywald und Firma Driesch im Namen unserer Schützlinge gar nicht genug danken.“
Private Hilfen von Nachbar zu Nachbar: Zusammenhalt in der Krise
Das Stichwort von der Hilfsbereitschaft fällt häufig in diesen „Tagen danach“. Da sind unzählige Anlieger, die ihren betroffenen Nachbarn beim Ausräumen der Keller helfen, damit für die Sonderabfuhr am Donnerstag (Bericht nebenstehend) alles an der Straße steht. „Als ich am Mittwoch um 14 Uhr aus dem Urlaub kam, stand ich eine Stunde später im überfluteten Keller“, berichtet Elektromeister Hans Stromenger von der Unnaer Straße. Was er dann erlebte, war nicht nur eine Flut aus Wasser, sondern auch an Hilfsangeboten. „Meine Mieter haben alle mit angepackt, Freunde kamen, wir konnten unsere Autos und Wertsachen bei Bekannten in Sicherheit bringen – das war bei allem Unglück schon toll.“
Feuerwehrmann pumpt mit restauriertem Oldtimer zahlreiche Keller leer
Und da ist Feuerwehrmann Marco Borzy, der ein ausgemustertes Löschfahrzeug LF 16 TS erworben und restauriert hatte. „Da das Fahrzeug völlig intakt ist und über eine Vorbau-Pumpe vor der Motorhaube verfügt, konnte Marco damit zahlreiche Keller auspumpen“, berichtet Feuerwehrsprecher Stefan Deitel. Die WP-Anfrage nutzt er auch gleich für ein Dementi. Denn zu dem vielen Unfug, der in den sozialen Medien rund um das Flut-Thema verbreitet wird, zählt auch, dass die Feuerwehr Menden angeblich Sachspenden für Flutopfer entgegennehme. „Das ist falsch“, sagt Deitel. „Wir haben dafür weder den Platz noch die Leute.“ Ein Riesendankeschön wird Deitel indes an die vielen Anlieger los, die den Wehrleuten an Einsatzstellen in der Flutnacht oder später beim Auspumpen Kaffee und Butterbrote brachten. „Das war großartig.“
WSG: Betriebe bieten betroffenen Firmen Lager- oder Produktionsflächen an
Auch in der Mendener Wirtschaft herrscht Solidarität. Mehrere Unternehmen aus Menden und Umgebung haben sich bei Wirtschaftsförderer Tim Behrendt gemeldet, um vom Hochwasser betroffenen Mendener Betrieben Lager- oder Produktionsflächen zur Verfügung zu stellen. Über die Info-Gruppe der Wirtschaftsförderung hat Behrendt konnte das Angebot von Ausweichmöglichkeiten aufgrund von Hochwasserschäden rasch weitergeben.
Lernen und spenden: Seminargebühr wird eigens für Flutopfer erhoben
Doch damit nicht genug. Um auch selbst Spendengelder zu generieren, wird ein stark nachgefragtes Seminar zum „Lean Management“ jetzt mit einer Teilnahmegebühr von 100 Euro pro Kopf versehen. Das Geld soll komplett an die Aktion „Deutschland hilft“ gehen und soll den Hochwasseropfern zu Gute kommen. Tim Behrendt: „Nach Rücksprache mit unserem Dozenten Manuel Lehmann haben wir uns dazu entschieden. Das Seminar bieten wir an drei Terminen im September an.“ Manuel Lehmann habe zudem angeboten sein Honorar zu reduzieren, „damit wir den Betrag der Spende maximieren können, wofür wir sehr dankbar sind“, berichtet Behrendt weiter.
Über entsprechend viele weitere Anmeldungen würde man sich sehr freuen. Infos und Termine gibt es hier.