Die Sommerserie beleuchtet Hagen als eine Keimzelle der Neuen Deutschen Welle und nimmt die heutige Musikszene ins Visier.
Die Vergangenheit: „Komm nach Hagen, werde Popstar“
Hagen war nicht die, aber ohne Frage eine der Keimzellen der Neuen Deutschen Welle. Nena, Extrabreit, die Humpe-Schwestern – sie alle machten ihre ersten Schritte in Hagen und räumten Anfang der 1980er dann deutschlandweit ab, Nena sogar international.
„Dabei liegen die Wurzeln fiel früher“, unterstreicht Heike Wahnbaeck. Die Musikexpertin und Frau des verstorbenen Extrabreit-Bassisten Wolfgang Jäger spielt damit auf Grobschnitt an, die in den 70ern schon eine Legende des Krautrocks und eine der beliebtesten Live-Bands in Deutschland war. Die Hagener Band sei Vorläufer der Neuen Deutschen Welle gewesen.
1978 trat Grobschnitt im WDR-Rockpalast auf und wurde in einem Zuschauervoting auf Platz 1 gewählt. „Die Band trat in der Grugahalle in Essen, Philipshalle in Düsseldorf oder in der Halle Münsterland vor 5000 Zuschauern auf“, auf“, blickt Heike Wahnbaeck zurück, „Grobschnitt war ein Vorbild für andere Musiker, weil die Band bewies, dass man mit Musik auch über die Grenzen Hagens erfolgreich sein kann“.
99 Luftballons stürmte die Charts
1978 gründete Rainer Kitzmann die Band „The Stripes“ mit Sängerin Nena, 1983 wurde daraus „Nena“, der weibliche Inbegriff der Neuen Deutschen Welle. Die Hagenerin wurde zur bekanntesten Vertreterin der Musikrichtung und stürmte 1983 mit „99 Luftballons“ sämtliche Charts.
Gründe, warum gerade Hagen in den 70ern zu einem Sammelbecken für Musiker wurde? „Der Strukturwandel mit dem Niedergang der Hasper Hütte war hier besonders zu spüren. Gerade in Wehringhausen gab es günstigen Wohnraum, der junge Kreative lockte. Der Slogan ,Komm nach Hagen, werde Popstar, mach dein Glück“ wurde zum Synonym für Hagen und für die Zeit“, sagt Wahnbaeck.
„Extrabreit“ mit „Flieger“ und „Hurra, Hurra, die Schule brennt“ war Anfang der 80er nicht mehr nur eine Wehringhauser Band, sondern in ganz Deutschland bekannt. Inga und Annette Humpe („Blaue Augen“) gingen schließlich 1984 nach Berlin und zogen Kreative mit sich – der Neue-Deutsche-Welle-Hype verebbte.
Die Gegenwart: Komplett veränderte Szene
2018 gab es im Kunstquartier eine große Ausstellung unter dem Titel „Komm nach Hagen...“ Der Anlass der Werkschau, die von Musikexpertin Heike Wahnbaeck kuratiert wurde, war „40 Jahre Extrabreit“.
Im Rahmen der Ausstellung wurde auch beleuchtet, was die Musikszene mit Hagen gemacht hat und wie sich die Szene seitdem verändert hat. „Früher musste eine Band ins Studio gehen, um ein Stück aufzunehmen und dann eine Plattenfirma finden, die das Ganze vertreibt“, sagt Wahnbaeck, „heute fällt der Filter weg, da viele Musiker ihre Stücke im Heimstudio selbst aufnehmen und dann auch selbst vermarkten“.
Natürlich gebe es (aber eben weniger) noch Bands der alten Schule. Die Band ,Stillbirth“ um Sänger Lukas Swiaczny zum Beispiel habe sich vor 22 Jahren gegründet und sei richtig erfolgreich in Polen und Russland, „die Hardrock-Band macht handgemachte Musik live vor Publikum“, sagt Heike Wahnbaeck.
Die Zukunft: Von Streaming-Plattformen und der Fokussierung aufs Image
„Musik wird heute und erst recht morgen anders konsumiert als noch zu Neue-Deutsche-Welle-Zeiten“, sagt Musikexpertin Heike Wahnbaeck, „künftig wird es keine LPs oder CDs mehr geben, sondern Musik- und Audiostreaming-Plattformen wie Soundcloud. Du kaufst dich für ein paar Cent ins Internet ein und hast auf alles Zugriff. Das Angebotsfeld wird immer größer“. Und das klassische Radio werde mehr und mehr vom Internet-Radio abgelöst.
Auch der Hagener Singer-Songwriter Serjosha Huff (Josh) blickt mit gemischten Gefühlen auf die Musikszene von morgen: „Selbst nicht kommerzielle Musiker verfolgen eine mal mehr, mal weniger gelungene Marketingstrategie und wir haben mittlerweile wohl alle diese Marktlogik akzeptiert.“
Drittes Album in Planung
Die Fokussierung auf Image und den aus seiner Sicht „ganz fürchterlich verlogenen Anspruch an authentischer Selbstinszenierung“ sei wesentlich erfolgsversprechender als so etwas wie inhaltliche, musikalische Substanz.
Der 39-jährige Sänger und Komponist, der mit seiner Band „Josh and the Blackbirds“ noch in diesem Jahr das dritte Album aufnehmen wird, möchte dennoch nicht verzagen, „auch wenn die Hoffnung auf den großen Hit mit den Lebensjahren dann doch schwindet. Aber ich habe bis jetzt nichts Besseres gefunden“.