Hagen. Birgit Schulte scheidet aus dem Kulturbereich der Stadt Hagen aus. Was sie zu Baumfällungen am Hohenhof und „1000 Nackte im Museum“ sagt.
Am morgigen Dienstag, 31. Mai, ist Dr. Birgit Schultes letzter offizieller Arbeitstag bei der Stadt Hagen – nach mehr als 31 Jahren. Die Kustodin und stellvertretende Leiterin des Osthaus-Museums tritt dann in die Freistellungsphase ein, ihre reguläre Rente beginnt 2024.
Frau Dr. Schulte, Sie wirken nicht, als würden Sie jetzt drei Kreuze machen und froh sein, dass nun alles vorbei ist.
Birgit Schulte: Nein, natürlich nicht. Die Arbeit macht mir, lassen wir das ganze Bürokratische drumherum mal außer Acht, noch immer viel Spaß. Aber mein Mann – er war in Münster Professor für Kunstgeschichte und Designgeschichte – ist bereits seit vier Jahren emeritiert. Wir möchten jetzt einfach noch möglichst viel freie Zeit gemeinsam verbringen. Deshalb habe ich mich 2021 für das Modell der Altersteilzeit entschieden.
31 Jahre waren Sie bei der Stadt Hagen beschäftigt. Wie kam die gebürtige Essenerin, die in Münster Kunstgeschichte und Publizistik studiert hat, an die Volme?
Im Rahmen meines Volontariats beim Landesmuseum Münster habe ich eine Christian-Rohlfs-Ausstellung co-kuratiert. Zu Recherchezwecken war ich einige Male in Hagen, wo der Maler Rohlfs ja seine zweite Lebenshälfte verbracht hat, und ich habe Kontakte zum Osthaus-Museum geknüpft. Als ich mitbekam, dass dort die Stelle der stellvertretenden Museumsleiterin frei wurde, habe ich mir ein Herz gefasst und mich beworben. Mit dem damaligen Museumsdirektor Dr. Michael Fehr habe ich dann 14 Jahre zusammengearbeitet.
Wer Michael Fehr kannte, weiß, dass er kein einfacher Zeitgenosse war.
Richtig, aber er hatte klare Museumskonzepte und der ,Hagener Impuls‘ wurde durch ihn wieder sichtbar. So wurde zum Beispiel der Hohenhof aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Der Hohenhof wurde eine Abteilung des Osthaus-Museums und ein Ankerpunkt der Route Industriekultur.
In Münster studiert und promoviert
Birgit Schulte wurde in Essen geboren. Nach dem Abitur hat sie in Münster studiert und promoviert. Danach hat sie bei der Denkmalbehörde in Münster gearbeitet, später am Falkenhof-Museum in Rheine, dann - bevor sie ans Hagener Osthaus-Museum kam - in Münster am Landesmuseum volontiert.Birgit Schulte ist verheiratet und wohnt mit ihrem Mann in Hagen.
Was war Ihre erste Aufgabe in Hagen?
Ich habe eine große Wanderausstellung mit Werken des flämisch-belgischen Architekten Henry van de Velde, der ja den Hohenhof erbaut hat, vorbereitet, und von 1992 bis 1994 habe ich die Tournee der Ausstellung begleitet. Es ging von Hagen nach Weimar, Berlin, Gent, Zürich und Nürnberg. Das war ein richtig großes Projekt. Durch Henry van de Velde wuchs auch mein Interesse an der Osthaus-Villa Hohenhof, und die Betreuung des Hohenhofs fiel schließlich auch in mein Resort.
Sie betonen selbst häufig, dass der Erhalt des Hohenhofs ihre Herzensangelegenheit sei.
Ja, der Gebäudekomplex und das Gelände brauchen ständig Zuwendung in puncto Bauunterhaltung.
Die radikalen Baumfällungen vor einigen Wochen am Hohenhof müssen Ihnen da doch das Herz gebrochen haben, oder nicht?
Mein Herz hat nicht geblutet, da ich weiß, wie der nach alten Plänen rekonstruierte Garten in Zukunft aussehen wird. Die Fällungen sind im Vorfeld der Internationalen Gartenausstellung IGA 2027 vom Resort Stadtentwicklung, Bauen und Sport in Auftrag gegeben worden. Ich glaube, es gab Kommunikationsfehler, und es wurde im Vorfeld vielleicht nicht ausreichend über das Vorhaben informiert.
Wenn Sie einen Blick in die Vergangenheit werfen – 1999/ 2000 wurden erste Pläne zum neuen Kunstquartier geschmiedet. Bis die Idee Gestalt annahm, dauerte es dann aber noch einige Jahre.
Richtig, Dr. Michael Fehr verließ im Oktober 2005 das Osthaus-Museum, und von da an bis September 2007 war ich kommissarische Leiterin des Hauses und habe die Bauphase begleitet. Im Oktober 2007 wurde Dr. Tayfun Belgin dann Direktor des Osthaus-Museums.
Nordsee im Winter, Bach und Blues
Berge oder Meer? Die Berge ganzjährig. Ich wandere gern, zum Beispiel im Allgäu oder in Südtirol. Das Meer – Nord- oder Ostsee – mag ich am liebsten im Winter.Salat oder Steak? Salat, gern mit Oliven und Schafskäse. Ich bin ein echter Käsefan.Klassik oder Pop? Ich mag Bach. Und rauen Blues.
Was haben Sie in der Bauphase konkret gemacht?
Der historische Altbau des Osthaus-Museums wurde saniert und restauriert und durch einen Neubau erweitert, außerdem das Emil-Schumacher-Museum gebaut. Ich habe mit Architekten, Bauplanern und Restauratoren Prozesse begleitet und zusammengearbeitet. Ich mag Teamarbeit. Jeder lernt vom anderen und man entwickelt gemeinsam etwas. Die Bauphase war eine spannende Zeit, in der ich viel gelernt habe. Im Sommer 2009 wurde das Kunstquartier dann schließlich eingeweiht.
Ihre Leitungsstelle wird nun frei, und Tayfun Belgin verlässt Ende 2023 das Museum. Darum wird von einigen Kulturbeflissenen schon jetzt über eine künftige gemeinsame Museumsleitung von Osthaus-Museum und Emil-Schumacher-Museum nachgedacht. Was halten Sie davon?
Das ist eine juristische Frage. Beide Häuser haben ja unterschiedliche Rechtsformen. Das Schumacher-Museum wird von einer Stiftung betrieben, das Osthaus-Museum gehört einem öffentlich-rechtlichen Träger. Daher bin ich ja auch eine Angestellte im öffentlichen Dienst. Beide Museen zu verbinden, dürfte – wenn es gewollt wäre – nicht ganz einfach sein.
Meilensteine in ihrer Museumslaufbahn- welche fallen Ihnen da ein?
Das Bauhaus-Jahr 2019 mit 150 Veranstaltungen, die unheimlich viele und ganz unterschiedliche Menschen angesprochen haben. Zahlreiche Institutionen waren damals mit im Boot. Besonders gern erinnere ich mich auch an das Jahr 1996 mit den beiden Vis-à-Vis-Ausstellungen, die ich aus der Bildersammlung des Museums entwickelt habe. In der zweiten Ausstellung ging es um ,Kleine Unterschiede‘. Dafür hatten wir auch eine Art ,Peepshow‘ und ein erotisches Kabinett mit Männerakten aufgebaut. Die Ausstellung war ein großer Publikumserfolg, und tatsächlich war damals auch die BILD-Zeitung bei uns. Ihre Headline lautete damals ,1000 Nackte im Museum‘.
Und nun ist Schluss – aber nicht ganz, oder?
Natürlich nicht. Die Echtheits-Bestätigungen für Rohlfs-Bilder, die ich seit gut zehn Jahren erstelle, mache ich auch weiterhin. Die Gebühr dafür kommt der Stadt Hagen zugute, genauer gesagt, fließt das Geld in die Pflege der Rohlfs-Sammlung mit über 900 Werken. Das wird auch künftig so bleiben. Außerdem werde ich auch weiterhin im Karl-Ernst-Osthaus-Bund und in der Henry-van-de-Velde-Gesellschaft im Vorstand mitwirken. Nein, ich werde mich nicht vom Museum abwenden, ich bleibe ihm eng verbunden.