Attendorn/Berlin. Der Lehrer und Schulseelsorger absolviert sein Diakonatspraktikum. Er hat eine ganz andere, eine neue Welt kennen gelernt.
Eigentlich ist Sebastian Springob als Deutsch- und Religionslehrer sowie Schulseelsorger am St.-Ursula-Gymnasium Attendorn im Einsatz. Doch derzeit nicht. Der Tagesablauf bei ihm sieht momentan so ganz anders aus als sonst. Denn sein neunmonatiges Diakonatspraktikum hat im vergangenen August begonnen. Der angehende Priester, der auf den letzten Drücker vor dem Lockdown im März durch Weihbischof Matthias König im Sauerländer Dom zum Diakon geweiht wurde, hatte eigentlich vor, in einer Gemeinde in New York City seine Diakonatszeit zu absolvieren. Amerika deshalb, weil er Mitglied des in den USA beheimateten Säkularinstitutes „Voluntas Dei“ ist.
Aber da die Weltstadt in Nordamerika mit Abstand am härtesten von der Corona-Pandemie getroffen ist, änderte sich dieses Vorhaben aus verständlichen Gründen. Dafür ging es im August - ohne Zeitverzögerung - mit einem sechswöchigen Spanischkursus in San Sebastián im Baskenland los. Der Grund ist, dass in der Gemeinde in New York City viele spanischsprechende Gemeindemitglieder leben. Sebastian Springob war es wichtig, mit diesen auch eine sprachliche Kommunikationsbasis zu haben.
Der Diakon im Gespräch mit dieser Zeitung: „Das zeigt die Hoffnung, dass ich in meiner Diakonatszeit vielleicht doch noch nach New York komme.“
Danach ging es für vier Wochen nach Berlin. Der 44-Jährige suchte sich als Schwerpunktpraktikum die Obdachlosenseelsorge in der deutschen Hauptstadt aus. Die Obdachlosenarbeit war bis dahin ein weißes Blatt für den Attendorner. Ein erster Einsatzort ist eine Notübernachtung, die von der katholischen Gemeinschaft „Brot des Lebens“geführt wird, wo Obdachlose abends eine warme Mahlzeit und einen Übernachtungsplatz sowie morgens ein Frühstück bekommen. Nachts ist der Hansestädter Aufsichtsperson für zwölf Gäste. Nicht nur das.
Der 44-Jährige kochte auch für die Gruppe. Zum Beispiel das Gericht „Möhren durcheinander mit Nürnberger Rostbratwurst“ und informierte dabei die Obdachlosen, die in dieser Unterkunft als Gäste bezeichnet werden, dass dies in seiner Heimat die Omas für ihre Enkel kochen.
Suppenküche in Kreuzberg
Zweiter Einsatzort war eine Suppenküche in Kreuzberg. Diese Einrichtung wird von den „Missionarinnen der Nächstenliebe“, einem indischen Orden, der von Mutter Teresa aus Kalkutta gegründet wurde, geleitet und ist im Kiez und in der ganzen Stadt ein Begriff. Jeder, der bedürftig ist, erhält eine warme Mahlzeit. Zweimal in der Woche hilft Sebastian Springob hier mit. „Der Andrang ist groß“, berichtet der Hansestädter.
Die Schwestern leben selbst in Armut und Bedürfnislosigkeit und ihre Arbeit in der Suppenküche wird nur durch private Spenden getragen. Von hier aus gab es einen Sondereinsatz für den Diakon. Zwei auf Hilfe angewiesene Personen wurden von Sebastian Springob zum Bahnhof gebracht und in den Zug mit dem Ziel Chemnitz „gepackt“. Denn in dieser Stadt wartet auf die beiden eine Therapie. Einer der Männer erzählte Springob, dass, wenn er noch zwei Wochen so weiter gemacht hätte, er tot auf der Straße gefunden worden wäre. Das Kloster der „Missionarinnen der Nächstenliebe“ ist in Chemnitz mit Therapieplätzen ausgestattet.
Weiterer Einsatzort ist die mit 125 Jahren älteste Bahnhofsmission Deutschlands am Berliner Ostbahnhof. Dort bekommen die Hilfesuchenden Frühstück, Kaffee und Tee und wer einen Schlafsack benötigt, erhält diesen auch. Der Attendorner streifte sich, wie alle Helfer der Bahnhofsmission, zunächst die blaue Weste über. Was in den Bäckereien vom Vortag übrig bleibt, wird jeden zweiten Morgen, zur Unterstützung der Bahnhofsmission, abgeholt. Dann heißt es für Springob und weitere Helfer: Stullen schmieren und kleine Essenstüten fertig machen.
Der 44-Jährige hat – das kann er heute schon sagen - bei den unterschiedlichen Einsätzen eine ganz andere, eine neue Welt kennen gelernt und reflektiert auf sein eigenes Leben bezogen: „Bei vielen Begegnungen bin ich oft sehr ins Grübel geraten“. Ende Oktober bricht er seine Zelte in Berlin erstmal ab. Das Diakonatspraktikum startet ab dem 2. November mit der eigentlichen Vorbereitung auf die Priesterweihe. Fünf angehende Ordenspriester erhalten zwei Wochen Blockunterricht an der Philosophisch-Theologischen Hochschule (PTH) der Kapuziner in Münster.
Danach lernt Diakon Springob das Leben und Arbeiten in einer Pfarrgemeinde kennen, und zwar wieder in der Hauptstadt, im Ortsteil Moabit. Die Dominikanerpatres leiten hier die St.-Paulus-Gemeinde, in der er mitarbeiten wird. Auch über Weihnachten, offiziell bis zum Weißen Sonntag. Im Anschluss daran folgt der zweite Bock, wiederum an der PTH in Münster und ab 3. Mai unterrichtet er bereits wieder an St. Ursula in seiner Heimatstadt Attendorn.