Kreis Olpe. Die Fichte wird zwar nicht mehr bestimmend sein für die Wälder des Sauerlandes, ganz abschreiben will sie aber nicht jeder Waldbauer.
Der Abgesang auf die gute alte Fichte, den Brotbaum des Sauerlandes, hallt schon lange durch die zunehmend braun gewordenen Wälder an Bigge, Hundem und Lenne. Erst die gewaltigen Stürme wie Kyrill oder Wiebke, dann die Trockenperioden über mehrere Jahre hinweg und zuletzt der Borkenkäfer ,rasierte’ die grünen Hügel in einer Art und Weise, die sich vorige Generationen kaum hätten vorstellen können: „Es ist schon sehr frustrierend. Mir sind etwa vier Hektar Fichte, wertvolle Altbestände, 70 Jahre alte und gut 30 Meter hohe Bäume kaputtgegangen“, runzelt Michael Bieke aus Bonzel, gleichzeitig Vorsitzender des Waldbauernverbandes für den Kreis Olpe, die Stirn.
Eine Schilderung, die viele seiner Kollegen so oder so ähnlich auch bestätigen könnten. Fatal daran: „In normalen Jahren gab es dafür 80 bis 90 Euro den Festmeter, jetzt vielleicht noch 30 Euro.“ Bieke erledigt das Fällen und die Verarbeitung seines Holzes noch selbst, bis es in Stämmen am Wegesrand liegt. „Für andere“, sagt sein Kollege Thorsten Reuber, hauptberuflich Förster beim privaten Holzvermarkter WaldHolz Sauerland (WHS) in Olpe, „die damit Unternehmen beauftragen, bleiben mitunter nur fünf Euro übrig. Oder gar nichts.“ Pro Hektar verliere der Waldbauer rund 25.000 Euro im Jahresvergleich mit der Saison 2016/2017.
Im gesamten Kreis Olpe, so schätzt Reuber, hinterlasse das erbarmungslose Duo Trockenheit/Borkenkäfer in diesem Jahr rund 800.000 Festmeter Schadholz. Daraus ergebe sich der sieben- bis zehnfache Hiebsatz, heißt: Erntevolumen, im Vergleich zum Normaljahr. Beispiel vor Ort: Die Forstbetriebsgemeinschaft Rhode/Neger schlage in normalen Jahren rund 3.000 Festmeter Holz ein, in 2020 seien das rund 20.000 Festmeter gewesen.
Wir stehen auf einem typischen Hügel Nähe Griesemert und schauen auf einen kahlgeschorenen Hang, Gemarkung Rhode: „Etwa zwei Hektar Fichte, komplett vom Borkenkäfer erledigt“, sagt Reuber, „das war im Sommer noch alles grün.“ Während westlich des Kahlschlags Fichten bereits ihr Totenkleid tragen und mittelbraun vor sich hinvegetieren, ist der östliche Hang immer noch grün.
Käfer sucht alte Bestände zuerst
Ich frage als Laie, warum das so ist? „Der Käfer sucht sich immer erst die alten Bestände, erst, wenn die weg sind, zieht er weiter.“ Deshalb seien gerade die 70 bis 100 Jahre alten Bäume so gefährdet.
Und genau dort beginnen die Überlegungen von Michael Bieke (62), die Fichte vielleicht doch noch nicht bis in alle Ewigkeit aufzugeben: „Ich werde die Fichte nicht überall aufgeben. Natürlich nicht mehr an Hängen, die die meiste Zeit in der Sonne stehen, sondern auf ganz ausgesuchten Flächen.“ Wo wenig Sonne sei, dafür erfahrungsgemäß mehr Feuchte. „Ich werde das versuchen“, sagt Bieke zu seinem Vorhaben. Und Thorsten Reuber: „Ich würde die Fichte nicht mehr aktiv pflanzen, aber bei ihrer Naturverjüngung an manchen Flächen auch zulassen.“
Klar sei, dass sich die Bewirtschaftung der Fichte grundlegend verändere: „Zum einen werden die Bestände intensiver durchforstet, zum anderen muss man nach spätestens 60 Jahren ernten.“ Bei Fichten, die älter als 60 seien, nehme die Kalamität erheblich zu. Heißt: die Empfindlichkeit gegen Sturm, Trockenheit, Käfer, aber auch Schneebruch steige mit dem Alter. Das müsse er, so Bieke, natürlich mit der nachfolgenden Generation zusammen machen: „Solche Strategien sind ja für die Nachwelt.“
Nachvollziehbar sei natürlich, dass zwischen Fichten auch anderes angepflanzt werden müsse: Küstentanne wahrscheinlich, Douglasie, Weißtanne, alles Arten aus Nordamerika, die anerkanntermaßen unempfindlicher seien, aber auch Laubholz wie Kastanie oder Trauben- und Stieleiche.
Noch mal mit Blick auf die Fichte sagt der 62-Jährige: „Das werden wir auf jeden Fall probieren, und dann hoffe ich, dass wir in 20 Jahren noch 50 Prozent Fichte haben.“ Und weiter: „Aufgeben tue ich jedenfalls nicht.“
Schachbrett kann schwierig werden
Thorsten Reuber weist noch auf eine Diskrepanz hin zwischen politischer Förder-Theorie und praktischer Realität: „Manche Fördermittel sind an die sogenannte Extremwetter-Richtlinie geknüpft. Und demnach sollen in unseren Schadholzflächen vier unterschiedliche Baumarten wieder angepflanzt werden, schachbrettartig. Fichte nur noch als Randerscheinung, vorwiegend Laubbäume, aber auch die Küstentanne, und das mit jeweils 500 Quadratmeter-Miniflächen. Aber wie soll das gehen, bei solch riesigen Schadholzkahlflächen wie wir sie dort sehen. Da reden wir von zusammenhängenden 50 Hektar.“
Bei reichlich Förderbürokratie, Preisverfall, Rehbiss und anderen Unwägbarkeiten, so schätzt Reuber, werde im Kreis nur etwa ein Drittel der Schadholzflächen wieder aufgeforstet. Dass viele der etwa 3500 privaten Waldbauern ganz aufgeben, glaubt Reuber nicht: „Die werden zwar erstmal von Wut oder Resignation gepackt, wenn der Sauerländer aber mal ‘ne Nacht drüber geschlafen hat, geht’s doch weiter.“