Olpe. Wolfgang Brendel engagiert sich seit vielen Jahren bei der Initiative Warenkorb. Unsere Zeitung durfte ihn bei seiner Schnäppchenjagd begleiten.

Es ist ein beliebiger Wochentag acht Uhr morgens. Wolfgang Brendel aus Olpe ist schon weit mehr als zwei Stunden auf den Beinen. Hat gefrühstückt, in Ruhe Kaffee getrunken und Zeitung gelesen. Nun ist er im Sprinter der Ökumenischen Initiative Warenkorb Olpe Drolshagen Wenden unterwegs. So wie jeden Tag sammelt er in den hiesigen Märkten Lebensmittelspenden für bedürftige Menschen ein. Gemüse, Obst und Brot vom Vortag und Waren aus der Kühltheke, die aussortiert werden, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist oder sie schlicht im Überfluss vorhanden sind.

Alle Preise im Kopf

Alles andere muss von der Initiative, die im vergangenen Jahr der Tafel Deutschland e.V. beigetreten ist, dazu gekauft und aus monetären Spenden finanziert werden. Lange haltbare Artikel, die selten entsorgt werden. Wie Zucker, Mehl oder Konserven. Wolfgang Brendel ist immer auf der Suche nach dem besten Preis, kennt jede App, jedes Angebotsblättchen, hat alle Zahlen im Kopf. „Ich weiß sonntags was donnerstags in der Werbung ist“, lächelt der 75-Jährige, der sich seit 15 Jahren für den Warenkorb engagiert. In seinem Berufsleben war er viele Jahre Fachverkäufer für Herrenoberbekleidung, später dann für einen internationalen Kosmetikhersteller im Außendienst tätig. „Von über 1000 Artikeln hatte ich den Barcode im Kopf. Nummern und Zahlen liegen mir und gehandelt habe ich schon immer gerne.“

Einmal quer durch die Stadt ist Wolfgang Brendel bei einem großen Lebensmittelmarkt angekommen. „So früh bekommt man den besten Parkplatz. Dann ist das Beladen einfacher“, nickt er zufrieden und steuert die Obst- und Gemüseabteilung an. „Guten Morgen“, grüßt er freundlich die Verkäuferinnen, die geschäftig hin und her rennen und die Regale bestücken, alles schön machen für die Kunden.

Für Wolfgang Brendel haben sie die aussortierten Produkte bereits auf einen Wagen gepackt: Möhren, Salat, Granatäpfel, Kakis, Avocados, Mandarinen. „Das ist fast alles in Ordnung. Nur eben nicht ganz so makellos, wie es der Verbraucher will“, sagt er.

Sein nächster Gang führt ihn ins Kühlhaus. Auch dort stehen Wagen voll mit Produkten für ihn bereit. „Die Lebensmittel sind fast alle genießbar, auch wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist. Das ist etwas anderes als das Verbrauchsdatum“, erklärt er und wirft seinen geschulten Blick auf die Waren, um eine erste Vorauswahl zu treffen. „Was nicht mehr zum Verzehr geeignet ist, entsorge ich direkt vor Ort. Das landet direkt in den Tonnen der Märkte. Für Bioabfälle kooperieren wir auch mit hiesigen Bauern.“

Produkte qualitativ einwandfrei

Tatsächlich werden in Deutschland jährlich 18 Millionen genießbare Lebensmittel vernichtet. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum Beispiel weil sie optisch nicht der Norm entsprechen, zu groß, zu klein, zu krumm sind. Weil einzelne Früchte Druckstellen haben und so ganze Paletten entsorgt werden. Oder weil eben das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, das Produkt aber qualitativ einwandfrei ist.

Gegen neun Uhr ist Wolfgang Brendel wieder in den Räumen des Warenkorbs in der Nähe des Olper Bahnhofs angekommen. Nach und nach trudeln auch andere Fahrer ein, laden etliche Kisten voll mit Champignons, Bananen und Kohlköpfen aus. Zweieinhalb Dutzend, fast alle Rentner im Alter zwischen 70 und 80 Jahren.

Wolfgang Brendel. ist sozusagen der Chefeinkäufer. Er organisiert die Touren und springt ein, wenn jemand ausfällt. „Uwe Knipp ist mit 49 Jahren unserer Jungspund“, erzählt Wolfgang Brendel. „Wir sind wirklich eine tolle Truppe, haben nur super Leute. Der eine steckt den anderen an.“

Rund zehn Frauen sind derweil damit beschäftigt, die Warenausgabe zu organisieren. Sie kontrollieren nochmals alle Lebensmittell, packen alles in Tüten. Denn in Coronazeiten können die Waren nicht wie gewohnt an der großen Theke ausgegeben werden, sondern werden den Auflagen entsprechend vorsortiert: eine Tüte mit Obst und Gemüse, eine Tüte mit Molkereiprodukten, eine Tüte mit festen Lebensmitteln. Jetzt, kurz vor Weihnachten, sind auch Spielzeugspenden gekommen. Auch die müssen sortiert werden.

Torten von der Bäckerfachschule

Für den Warenkorb Olpe Drolshagen Wenden engagieren sich insgesamt 92 Männer und Frauen. 230 Haushalte und insgesamt 900 Menschen, darunter 26 Großfamilien, werden aktuell unterstützt. Die Bedürftigkeit muss durch eine Einkommensbescheinigung nachgewiesen werden. Normalerweise wird an den Ausgabetagen auch ein Café betrieben. Das bietet den Menschen, die zum Warenkorb kommen, die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen oder schlicht, einen festen Treffpunkt in der Woche zu haben. „Von der Bäckerfachschule bekommen wir beispielsweise tolle Torten, die von den Meisterprüflingen gemacht wurde. Denen fehlt immer ein kleines Stück, das die Prüfer probiert haben“, erzählt Wolfgang Brendel, während er einen Rundgang durch die Räume macht, kontrolliert, was fehlt und sich mit seinen Mitstreitern bespricht. Dann wird er sich wieder in den Sprinter setzen. Seine Arbeit ist noch nicht erledigt. Erst gegen Mittag wird er zuhause sein. Bei seiner Frau, die, wie er sagt, sich mit seinem Engagement arrangiert hat, für den Garten und den Hund sorgt. „Wir sind gut eingespielt“, sagt Wolfgang Brendel, der hofft, noch viele weitere Jahre für Bedürftige sammeln und nach Schnäppchen jagen zu können. Neulich habe er 100 Kilogramm Zwiebeln für 40 Euro erstanden. Vergessen wird er auch nicht, wie er einmal von einem Markt 720 Glas Sauerkraut bekommen hat. „Ich gehe in meiner Arbeit auf. Zeit, mich alt zu fühlen, habe ich nicht.“