Hagen. Ein unschöner Streit um die frühzeitige Corona-Impfung der Hagener DRK-Spitze überschattet den Start des Impfzentrums. Hier die Hintergründe.

Man stelle sich vor, in den Hagener DRK-Alten- und Pflegeeinrichtungen beginnen endlich die Corona-Impfungen und statt der Senioren steht der Vorstand mit Gefolge in der ersten Reihe. Unvorstellbar? Keineswegs. Als am 9. Januar im Karl-Jellinghaus-Zentrum des DRK-Kreisverbandes Hagen das Mobile Team der Kassenärztlichen Vereinigung anrückt, um die betagten Bewohner und das direkt mit den Menschen in Kontakt stehende Betreuungspersonal mit dem begehrten Vakzin aus dem Hause Biontech zu versorgen, gehört Vorstandssprecher Udo Stroh (60) gemeinsam mit sieben weiteren Verwaltungskräften zu den ersten Interessenten, die bei der Massenimpfung die Spritze einfordern. Ein dreister Fall von Vorteilsnahme, meinen direkte Beobachter aus dem DRK-Umfeld und melden den Vorfall an das Hagener Gesundheitsamt. „Ich sehe da gar keine Probleme“, meint wiederum der Hagener DRK-Chef.

Stroh nimmt für sich in Anspruch, dass er nach dem Skandal rund um den jüngst aufgeflogenen Hochstapler-Mediziner, der ursprünglich die Regie im Hagener Impfzentrums seitens des DRK führen sollte, selbst diese Aufgabe übernommen habe. Dazu habe er in seinem Haus vier weitere Verwaltungsmitarbeiter benannt, um im Team diese Aufgabe stemmen zu können. Diese seien an dem fraglichen Tag gemeinsam mit Impfzentrum-Mitarbeitern der Stadt Hagen als Personen der Prioritätsgruppe 1 mit der ersten Dosis des Wirkstoffs versorgt worden – die zweite folgte inzwischen am 30. Januar. Hinzu hätten sich noch drei weitere Bürokräfte eingereiht, die aber auch an der Pforte der Senioreneinrichtung – dort grassierte bereits die englische Mutation des Virus – tätig und somit ebenfalls impfberechtigt seien.

Die DRK-Vorstände Udo Stroh und Nehle Keweloh stehen im Fokus der Kritik.
Die DRK-Vorstände Udo Stroh und Nehle Keweloh stehen im Fokus der Kritik. © WP | Lichtbildpalast-Juliane Bukowski

Ebenso nimmt Mit-Vorstand Nehle Keweloh (49), die als examinierte Krankenschwester zurzeit ihr Büro im DRK-Seniorenzentrum an der Lange Straße innehat und dort nach den Pflegeversäumnissen der Vergangenheit eng in die tägliche Routine eingebunden ist, für sich in Anspruch, ebenfalls zu Recht eine Reste-Impfung erhalten zu haben. „Ich habe ursprünglich auf der Liste gar nicht draufgestanden“, betont Keweloh, „obwohl ich immer wieder Pflegevisiten bei den Patienten mache“. Auch sie war wegen dieses Schrittes in den Fokus der Kritiker geraten, zumal ihre schwer erkrankte, in der Kurzzeitpflege betreute Mutter (82) sowie ihr Vater (86) bei dem DRK-Impftermin in Wehringhausen mit überzähligen Impfstoffresten ebenfalls – in ihren Augen völlig zu Recht – versorgt worden sind.

Stadt informiert Kommunalaufsicht

Die Stadt Hagen blickt nach der Personalpanne rund um den dreisten Hochstapler derweil weitaus kritischer auf die Vorgänge beim DRK Hagen, immerhin wichtigster Partner beim örtlichen Impfzentrum in der Stadthalle, das am Montag seinen Betrieb aufnimmt. Aufgrund eines argwöhnischen Hinweises aus DRK-Reihen, wurde der Vorgang vom Hagener Rathaus an die Bezirksregierung in Arnsberg weitergeleitet und von dort direkt ins NRW-Gesundheitsministerium durchgesteckt. Allerdings wurde in der Landeshauptstadt angesichts des möglichen Mutationsrisikos die spontane Sanktionsidee des Hagener Gesundheitsamtes verworfen, den in den Augen der Stadt voreilig geimpften DRK-Mitarbeitern die zweite Dosis zu verweigern.

Stattdessen wurde den betreffenden Personen aus Düsseldorf per Brief mitgeteilt, dass man von dem geimpften Personenkreis „nunmehr einen pflegerischen Einsatz im Rahmen der Corona-Pandemie“ erwarte. Dieses Schreiben ging dabei nicht bloß an die Pflegedienstleitung des Karl-Jellinghaus-Zentrums, um die fraglichen Kollegen künftig im Dienstplan berücksichtigen zu können, sondern auch an den DRK-Landesverband Westfalen-Lippe sowie an den DRK-Bundesverband.

Keine Gespräche unter Partnern

Maßnahmen, auf die Stroh und Keweloh mit Gelassenheit blicken, da die Geimpften ja ohnehin in diesem Bereich unterwegs seien: „Mir fehlt zwar für Pflegetätigkeiten jegliche Fachlichkeit, aber ich übernehme bei den Bewohnern beispielsweise bei den Mahlzeiten ohnehin immer wieder soziale Betreuungsaufgaben.“ Allerdings hätte sich der DRK-Vorstandssprecher zuvor eine Kommunikation mit der Stadt Hagen gewünscht: „Man hätte mir ja vorher auch mal die Gelegenheit geben können, über den Sachverhalt zu reden – das hat die Stadt aber nicht gemacht“, zeigt er sich befremdet, dass Gesundheitsamtsleiterin Dr. Anjali Scholten sich auf seine Rückrufbitten nicht gemeldet habe.

„Wir haben so gehandelt, wie wir das guten Gewissens vertreten können und nach meiner Wahrnehmung auch nicht danebengelegen“, bilanziert Stroh die ganze Aufregung. Allerdings räumt er auch ein: „Ich werden sicherlich künftig der Stadt mit einer gewissen Reserviertheit gegenübertreten.“ Zugleich kündigt er an, dass das DRK Hagen Kontakt zu seinem Anwalt aufnehmen werde, um zu prüfen, wie man mit dem gesamten Vorgang umgeht. Zugleich wolle man gegenüber den DRK-Dachorganisationen den Fall offensiv aufklären.